Außergewöhnlich präsentierte sich das Bayerische Kammerorchester Bad Brückenau mit seinem Sommerkonzert im dekorativen König Ludwig I.-Saal. Außergewöhnlich waren nicht nur die vier ausgewählten Stücke von Jena-Féry Rebel, Carl Philipp Emanuel Bach , Antonio Vivaldi und Joseph Haydn , sondern vor allem die musikalische Ausgestaltung durch Ariel Zuckermann, der sowohl als Dirigent wie auch als Perfektionist auf der Querflöte zu bewundern war.
„Wie ist unsere Welt entstanden?“, fragte Pavol Tkac, Geschäftsführer vom Verein des Bayerischen Kammerorchesters , zur Begrüßung der über 300 Gäste und gab auch gleich die Antwort: „Die eine mit Hilfe der Religion, andere streng wissenschaftlich und wieder andere durch die Musik.“ Und diese musikalische Urknall-Theorie verband er mit Jean- Féry Rebel, der in seinem Werk „Les Élémens“ (Die Elemente) die Entstehung der Welt in musikalische Klangwelten transformiert hat.
Ausgangspunkt war ein Cluster als „zufälliges Klanggebilde aller in der d-Moll-Tonleiter, das das Chaos des Anfangs symbolisiert und das später durch die Kraft der vier Elemente geordnet wird“. Was so einfach klang, verwandelte sich durch Ariel Zuckermann und das spielfreudige Ensemble des Kammerorchesters in ein außergewöhnliches Musikerlebnis, das einerseits mit Konventionen brach und andererseits durch seine musikalische Vielfalt begeisterte.
Violinen präsentieren das Feuer
In zehn Sätzen werden die vier Elemente vertont, vom Bass die Erde, von den Flöten das Wasser, durch lang gehaltene Noten die Luft und durch schnelle Läufe der Violinen das Feuer. Dabei kommt es zum spannenden Intermezzo von Querflöte und gezupfter Bratsche, zu heiterem Streicherspiel, das einem bunten Markttreiben gleicht, und dessen ausgelassene Stimmung durch das Fagott unterbrochen wird.
Melancholische Töne wechseln mit sinfonischen Klangwelten, der höfische Charakter des Spinetts konkurriert mit harmonischen Melodien – und dies unter den sparsamen Gesten von Ariel Zuckermann, der im schwarzen Anzug, seiner schlanken Figur und dem kahlgeschorenen Kopf eher einem DJ gleicht, der die Violinen und Flöten, Klarinetten und Celli, Klavier und Bratschen wie Turn-tables ansteuert.
Im zweiten Stück, dem Konzert für Flöte, Streicher und Basso continuo d-Moll Wq 22 (H426) von Carl Philipp Emanuel Bach , zeigte Ariel Zuckermann als musikalischer Freigeist sein Können auf der Querflöte bei diesem herausfordernden Werk. Die Querflöte nutzte er in den drei Sätzen nicht nur als Musikinstrument, sondern auch als Dirigentenstab für die Streicher, die ihm den Raum für die solistischen Einlagen ließen und diese feinfühlig ergänzten.
Im munteren, wohlklingenden Allegro führte Zuckermann mit der Querflöte , ohne jedoch beherrschend zu sein. Im ruhigeren zweiten Satz, der den erzählenden Charakter einer Volksweise aufnahm, kam es zum musikalischen Zwiegespräch mit den Violinen und im stürmischen, ja dramatischen Schlusssatz setzte die Querflöte fröhliche Kontrapunkte. Der Dank des Publikums waren nicht nur stürmischer Applaus für die einfühlsame Interpretation von Bachs Werk, sondern auch Bravo-Rufe für das gesamte Ensemble.
Venezianische Sommernacht
Nicht weniger begeisternd wurde nach der Pause Antonio Vivaldis Flötenkonzert g-Moll RV 439 „La Notte“ aufgenommen, in dem der italienische Komponist eine venezianische Sommernacht vertonte – aber mit getragenem, teils melancholischem Rhythmus die Schatten der Nacht musikalisch umschrieb.
„La Passione“, Joseph Haydns Sinfonie in f-Moll Hob. I:49, bildete den grandiosen Schlusspunkt des Sommerkonzerts . Es geht melancholisch los, wobei aufbrechende Stimmungen vehement unterbrochen werden. Das leidenschaftliche Spiel im zweiten Satz (Allegro di molto) zeigt die Virtuosität des Ensembles und seine Bereitschaft, dem fordernden Dirigat von Ariel Zuckermann zu folgen. Mit einem höfischen Spiel im dritten Satz (Menuett) wird ein Finale-Presto eingeleitet, das mit einem Wechselbad aus kräftigen und verhaltenen Klangelementen die Gäste begeisterte.
Diese Begeisterung drückte das Publikum am Ende in einem langanhaltenden, stürmischen Applaus aus, dem sich das Ensemble anschloss und der Ariel Zuckermann nicht nur mehrmals auf die Bühne zurückholte, sondern schließlich auch zu einer bedächtigen, fast schon andächtigen Zugabe auf seiner Querflöte animierte.