Eine Büchertasche hat sich Sophie schon ausgesucht. Eine Orange-schwarze mit Dinosauriern drauf. Mit den Vorschulkindern der Kita "Kleine Strolche Winkels" hat die Sechsjährige in den vergangenen Wochen die Sinnberg-Grundschule besucht, das Schulhaus kennengelernt und einen Probeunterricht mitgemacht. "Ich freue mich schon auf die Schule", sagt Sophie. Sie wird nach den Ferien eingeschult. Weil sie im Mai Geburtstag hat, hat sich bei ihr nicht die Frage gestellt, ob sie noch ein Jahr im Kindergarten bleibt. Dagegen durften die Eltern bei allen Kindern, die zwischen 1. Juli und 30. September sechs Jahre alt wurden, heuer erstmals frei entscheiden.
10,4 Prozent weniger
Laut Schulamtsdirektorin Cornelia Krodel werden im September im Landkreis Bad Kissingen 755 Kinder eingeschult. Das sind 88 Kinder oder 10,4 Prozent weniger als im vergangenen Jahr. Ohne den im Frühjahr kurzfristig beschlossenen Einschulungskorridor wären es aber vermutlich noch weniger, denn: Von 223 Kindern, die im dritten Quartal Geburtstag haben, wurden laut Landratsamt 85 zurückgestellt. Das entspricht rund 38 Prozent. Weit mehr als die Hälfte der Eltern schult die Kinder, die rund um den Beginn des Schuljahres sechs Jahre alt werden, somit ein.
Einen Vergleich zum Vorjahr gibt es auf Landkreis-Ebene nicht: Auf Antrag konnten Kinder auch bisher zurückgestellt werden, die Entscheidung hatte am Ende aber der Schulleiter. "Die neue Regelung entlastet die Schulleiter", befürwortet Schulrätin Cornelia Krodel den neuen Einschulungskorridor. Das Schulamt habe bisher übers gesamte Jahr mit einer Quote von zehn Prozent an Rückstellungen gerechnet.
"Wir konnten bereits in den vergangenen Jahren beobachten, dass die Zahl der Kinder, die vom Schulbesuch zurückgestellt wurden, angestiegen ist", begründet Dr. Julia Kuntz, Sprecherin des Bayerischen Kultusministeriums, die Neuerung. Das Ministerium geht davon aus, dass dadurch in diesem Jahr bayernweit rund 2800 und in Unterfranken 200 Kinder zusätzlich eingeschult werden. Zahlen aus einzelnen Landkreisen liegen nicht vor.
"Bei vielen der zurückgestellten Kinder wäre aber auch ohne das Wahlrecht eine Zurückstellung angestrebt worden", teilt das Landratsamt mit. Spitzenreiter bei den Rückstellungen ist Bad Brückenau, dort werden sieben von zehn Kindern, die von Juli bis September sechs werden, nicht eingeschult. "Wir haben schon immer viele Rückstellungen", berichtet Carolin Erb-Heyne, Konrektorin der Grundschule Bad Brückenau . Auf die Klassenbildung habe der Korridor keine Auswirkungen: 43 Abc-Schützen sind angemeldet, selbst mit den zurückgestellten Kindern würde es nur zwei 1. Klassen geben.
In Poppenlauer dagegen hätte es für eine dritte 1. Klasse gereicht, wenn nicht nur elf der 21 Kinder kommen würden, die im dritten Quartal geboren sind. So sind es nur 48 Abc-Schützen. Trotzdem sieht Schulleiterin Simone Heinz das größere Mitspracherecht der Eltern positiv: "Ich bin dadurch entlastet." Keine Rückstellungen gab es in der Grundschule Motten : Dort werden die fünf Kinder, die von Juli bis September sechs werden, auch dringend gebraucht: Insgesamt 15 Abc-Schützen garantieren, dass es im September wieder zwei jahrgangsgemischte Klassen für die 1. und 2. Jahrgangsstufe gibt.
Ausnahme für fünf Kitas
"Bei den Rückstellungen haben wir keine signifikanten Veränderungen", kommentiert Ulrich Müller , Leiter der Volksschule Oerlenbach, die Regelung, und: "Ich habe kein Problem mit dem Einschulungskorridor, der auf Basis des Elternwillens im Grunde die Zahlen der Vergangenheit bestätigt." Er habe auch bisher die Rückstellungswünsche der Eltern respektiert.
Viele Eltern befürchteten durch den Einschulungskorridor einen Rückstau bei den Kitas. "Bei uns gab es vier überraschende Rückstellungen", berichtet Kerstin Augsburg, die für die katholische Kirchenstiftung Hammelburg zwei Kindergärten betreut. Trotzdem musste keinem Kind abgesagt werden: "Alle, die eine Zusage hatten, dürfen kommen." Möglich sei das durch eine Ausnahmeregelung des Landratsamtes: Die Kita-Aufsicht kann zum einen dulden, dass der Personalschlüssel um bis zu 10 Prozent überzogen wird. Sprich: Wo laut Bescheid zum Beispiel 50 Plätze genehmigt sind, dürfen bis zu 55 Kinder betreut werden.
Zusätzlich kann das Landratsamt in besonderen Fällen Ausnahmen genehmigen, den neu eingeführten Einschulungskorridor hat das Jugendamt als einen solchen Sonderfall eingestuft. Deshalb dürfen Kitas von September 2019 bis August 2020 unter Einhaltung der Fachkraftquote mehr Kinder aufnehmen. "Somit erfolgt keine Lockerung der Qualität der Betreuung der Kinder aufgrund des Einschulungskorridors", betont die Behörde. Nur fünf der 75 Kitas im Landkreis nutzen diese Ausnahmeregelung. Zusätzliche Kapazitäten gibt es allerdings zum Beispiel in den Hammelburger Kindergärten trotzdem nicht: "Wir waren vorher voll und sind jetzt halt noch voller", sagt Kerstin Augsburg.