
Im Juni 1916 feierten französische Kriegsgefangene im Lager Hammelburg auf dem damaligen „Franzosenfriedhof“ die Einweihung des von ihrem Kameraden, dem später erfolgreichen Architekten Paul Labbé (1872-1974), entworfenen Ehrenmal zum Gedenken an ihre im Weltkrieg gefallenen oder in Gefangenschaft verstorbenen Kameraden.

Nach Ende dieses Krieges waren in Hammelburg 136 Todesfälle registriert. Nach Überführung aller dort beigesetzten Franzosen in die Heimat wurde der Friedhof in den 1960er Jahren aufgelöst und das Denkmal am Rand der heutigen Kriegsgräberstätte „An der Hundsfelder Straße“ aufgestellt.
Einweihung von Informationstafeln
Genau 50 Jahre nach Labbés Tod hielten dort am vergangenen Freitag Deutsche und Franzosen, Soldaten und Zivilisten, erneut eine Gedenkstunde am Gefallenendenkmal ab, das der Landkreis kürzlich hatte sanieren lassen, und beschworen die deutsch-französische Freundschaft.
Gleichzeitig wurden neben dem Denkmal drei große, beidseitig bedruckte Informationstafeln eingeweiht, die als Gemeinschaftsprojekt des Verbands „Le Souvenir Francais“ in Bayern und des bayerischen Volksbund-Landesverbands entwickelt und nun über die französischen Kriegsgefangenen beider Weltkriege im Lager Hammelburg informieren sollen.
Intensive Recherche über französische Kriegsgefangene
Ideengeber des Projekts war der französische Verbindungsoffiziers an der Hammelburger Infanterieschule, Oberstleutnant Matthieu Faget. Die mühevolle Recherche über die Geschichte der über 5 000 französischen Kriegsgefangenen, die im Lager Hammelburg während beider Weltkriege interniert waren, sowie die Formulierung der Texte und Auswahl der Bilder auf den drei Informationstafeln lag vor allem bei Pierre M. Wolff, dem Landesdelegierten des Verbands „Le Souvenir Francais“, in Zusammenarbeit mit dem deutschen Volksbund, mehreren Archiven und Historikern.
Kriegsgräberstätten seien „eine Mahnung zum Frieden“
„Die Aufstellung von gemeinsam entwickelten Hinweistafeln auf einer deutschen Kriegsgräberstätte ist eine Premiere in der deutsch-französischen Erinnerungsarbeit“, betonte Wolff in seiner Festrede. Er wünschte sich, dass künftig „Radfahrer, Wanderer und Schüler sich hier informieren und Lehrer diese Tafeln im Rahmen ihrer Erinnerungspädagogik nutzen“.

„Wenn der Frieden langfristig gesichert werden soll, muss man die Jugend informieren“, forderte Landrat Thomas Bold ( CSU ) in seinem Grußwort. „Frieden und Freiheit sind nicht selbstverständlich“, ergänzte Brigadegeneral Michael Matz , Kommandeur der Infanterieschule. „Wir müssen immer daran arbeiten.“
Deshalb seien Kriegsgräberstätten „eine Mahnung zum Frieden“. Dem schloss sich auch Hammelburgs Bürgermeister Armin Warmuth ( CSU ) an: „Gemeinsame Erinnerungen sind die besten Friedensstifter “, zitierte er den französischen Schriftsteller Marcel Proust . Der Élysée-Vertrag von 1963 und dessen Neuauflage im Aachener Vertrag von 2019 seien Grundlage der deutsch-französischen Freundschaft. Warmuth: „Die Toten beider Kriege sind Mahnmal für unser Handeln.“
Es ist eine Botschaft an die Jugend
„Nur gemeinsam können wir Krieg in Europa verhindern“, appellierte Staatssekretär Sandro Kirchner ( CSU ) in Vertretung von Staatsminister Joachim Hermann ( CSU ), der mit der französischen Generalkonsulin Corinne Pereira da Silva die Schirmherrschaft über diese Gedenkstunde übernommen hatte.
Auch Kirchner sieht in der Hammelburger Gedenkstätte deshalb „eine Botschaft an die Jugend“. Generalkonsulin Pereira, die zum ersten Mal in Hammelburg war, dankte dem Landkreis für die Sanierung des Denkmals und Pierre Wolff für seine mehrmonatige Arbeit bei der Beschaffung aller Fakten für die drei Informationstafeln.

Pereira: „Gerade in diesen schrecklichen Zeiten müssen wir daran arbeiten, dass die Gräuel der Vergangenheit auch Vergangenheit bleiben.“ Ihr und allen anderen versprach Volksbund-Landesgeschäftsführer Jörg Raab: „Der Volksbund wird nicht aufhören, den Toten Gehör zu verschaffen.“ Gerade die Info-Tafeln machen, so meinte er, „Kriegsgräberstätten zu Lernorten der Geschichte“, weshalb er versprach, auch an anderen Kriegsgräberstätten ähnliche Tafeln aufzustellen.
Ehrengäste aus Nizza
Als Ehrengast war Paul Labbés Enkelin Isabelle Labbé aus Nizza gekommen. Anhand ihres Familienarchivs konnte sie einige interessante Informationen über ihren Großvater beitragen: In eine musische Familie hineingeboren, studierte Paul Labbé schon ab seinem 16. Lebensjahr Architektur und Innenarchitektur. Gerade als er mit zwei Studienkollegen ein Architekturbüro in Ägypten eröffnen wollte, musste der damals 22-Jährige in den Krieg ziehen.
Doch Paul Labbé hatte Glück im Unglück: Nur wenige Tage nach seinem Kriegseintritt wurde er während der Schlacht an der Marne am 9. September 1914 bei Vassincourt von den Deutschen gefangen genommen und ins Lager Hammelburg verbracht, wo er bis zum 13. Dezember 1918 ausharren musste.

Im Februar 1920 nahm er sein Architektur-Studium wieder auf. Nach erfolgreichem Abschluss und ersten Auszeichnungen machte Labbé in späteren Jahren eine glänzende Karriere als Architekt einiger berühmter französischer Bauwerke und als Stadtplaner.
Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem er wiederum nur kurz zu Beginn diente, wurde der „Künstler mit Leib und Seele“ im Jahr 1951 für seine Verdienste um den Wiederaufbau seines Landes zum Ritter der Ehrenlegion ernannt.
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