Bad Kissingen
Skelettierte Musik
David Fray präsentierte zum Ende des Kissinger Sommers eine bis auf Knochen abgenagte Interpretation von Bachs Wohltemperiertem Klavier.

Der Südfranzose David Fray, 1981 in Tarbes geboren, ist seit ein paar Jahren Stammgast beim Kissinger Sommer und hat sich eine respektable Fangemeinde erspielt. Jetzt war er wieder da, zu einem Recital im Rossini-Saal mit einem kontrastiven Programm: Bach gegen Schumann und Brahms.
Mit den ersten acht Präludien und Fugen aus Bachs Wohltemperiertem Klavier eröffnete er den Nachmittag. Die Wahl wirkte ein bisschen wie vom Maßband abgeschnitten, getrieben von der Frage: Wie viel Zeit habe ich bis zur Pause?
Aber je länger man zuhörte, desto mehr fragte man sich, warum er die Sätze überhaupt spielte. Bach hat die insgesamt 48 Satzpaare in zwei Heften quer durch alle möglichen Tonarten nicht als Konzertliteratur, sondern aus Demonstration komponiert, um zu zeigen, wie sich die neue Wohltemperiertheit der Stimmung auf die konstruktiven Möglichkeiten auswirkt. Damals war das für die Menschen, zumindest für die, die sich mit Harmonielehre auskannten, eine Sensation, heute sind alle Tasteninstrumente insbesondere die Flügel, wohltemperiert, Warum also?
Eine Antwort könnte darin liegen, dass David Fray eben kein Cembalo oder Clavichord, sondern einen modernen Flügel verwendete, der eine reiche Klangfarbenpalette bietet. Nur warum nutzte er sie nicht? Wie man das macht, wie man diese Musik zum erzählenden Klingen bringt, hat beispielsweise András Schiff mustergültig vorgemacht. Aber David Fray scheint eher ein Anhänger von Glenn Gould zu sein - nicht nur im Verzicht auf einen verstellbaren Klavierschemel, sondern auch in seiner mechanistischen Spielweise mit immer gleichem Anschlag. Das macht er gut, wenn er etwa die Themenköpfe in den Fugen mit den fortschreitenden Melodien unterlegt. Und die Skelettierung der Musik hat natürlich den Vorteil, dass man die Knochen der Strukturen besser erkennen kann. Aber der Effekt nutzt sich ab, und man konnte im warmen Rossini-Saal durchaus hören, dass ein gewisser "Goldberg-Effekt" eintrat. Da war das Einschlafen allerdings Absicht.
Die Gefahr bestand zumindest nicht bei Robert Schumanns Novelette op. 21/8. Da legte David Fray los wie ein zorniger junger Mann. Seinen harten Anschlag hatte er da logischerweise beibehalten. Aber er hielt ihn auch durch bis auf wenige lyrische Ecken, spielte mit so viel Druck, dass ihm manchmal durch Unpünktlichkeit die Ordnung wegrutschte. Die expressiven Möglichkeiten blieben dadurch begrenzt, die Effekte wiederholten sich, bis sich der Bogen krachend zum Beginn schloss.
Blieb also noch Johannes Brahms, seine Sieben Fantasien op. 116. Was David Fray mit seiner schwer zu bändigenden Kraft wirklich gut machte, das war, sozusagen als Antwort auf Bach, die Herausarbeitung verstörender Harmonien. Aber er verschenkte mit seinem harten Anschlag gute agogische Gestaltungsansätze wie im ersten Capriccio an den Echostellen. Sobald er leise wurde - und das wurde er nicht allzu oft, zerfaserte ihm die Musik, weil sie vom Vortrieb nicht mehr zusammengehalten wurde. Das Andante von grazia edintimissimo sentimento des vorletzten Intermezzo wollte man ihm nicht so recht abnehmen, aber das letzte Intermezzo geriet ihm erstaunlich lyrisch. Konzeptionell am geschlossensten geriet ihm das abschließende Capriccio, ein Allegro agitato. Klar, da war er in seinem Element.
Wie bewusst lyrisch er tatsächlich spielen kann, zeigte er in den Zugaben: zwei Sätze aus Robert Schumanns "Kinderszenen".
Mit den ersten acht Präludien und Fugen aus Bachs Wohltemperiertem Klavier eröffnete er den Nachmittag. Die Wahl wirkte ein bisschen wie vom Maßband abgeschnitten, getrieben von der Frage: Wie viel Zeit habe ich bis zur Pause?
Aber je länger man zuhörte, desto mehr fragte man sich, warum er die Sätze überhaupt spielte. Bach hat die insgesamt 48 Satzpaare in zwei Heften quer durch alle möglichen Tonarten nicht als Konzertliteratur, sondern aus Demonstration komponiert, um zu zeigen, wie sich die neue Wohltemperiertheit der Stimmung auf die konstruktiven Möglichkeiten auswirkt. Damals war das für die Menschen, zumindest für die, die sich mit Harmonielehre auskannten, eine Sensation, heute sind alle Tasteninstrumente insbesondere die Flügel, wohltemperiert, Warum also?
Mechanistische Spielweise
Eine Antwort könnte darin liegen, dass David Fray eben kein Cembalo oder Clavichord, sondern einen modernen Flügel verwendete, der eine reiche Klangfarbenpalette bietet. Nur warum nutzte er sie nicht? Wie man das macht, wie man diese Musik zum erzählenden Klingen bringt, hat beispielsweise András Schiff mustergültig vorgemacht. Aber David Fray scheint eher ein Anhänger von Glenn Gould zu sein - nicht nur im Verzicht auf einen verstellbaren Klavierschemel, sondern auch in seiner mechanistischen Spielweise mit immer gleichem Anschlag. Das macht er gut, wenn er etwa die Themenköpfe in den Fugen mit den fortschreitenden Melodien unterlegt. Und die Skelettierung der Musik hat natürlich den Vorteil, dass man die Knochen der Strukturen besser erkennen kann. Aber der Effekt nutzt sich ab, und man konnte im warmen Rossini-Saal durchaus hören, dass ein gewisser "Goldberg-Effekt" eintrat. Da war das Einschlafen allerdings Absicht.Die Gefahr bestand zumindest nicht bei Robert Schumanns Novelette op. 21/8. Da legte David Fray los wie ein zorniger junger Mann. Seinen harten Anschlag hatte er da logischerweise beibehalten. Aber er hielt ihn auch durch bis auf wenige lyrische Ecken, spielte mit so viel Druck, dass ihm manchmal durch Unpünktlichkeit die Ordnung wegrutschte. Die expressiven Möglichkeiten blieben dadurch begrenzt, die Effekte wiederholten sich, bis sich der Bogen krachend zum Beginn schloss.
Möglichkeiten verschenkt
Blieb also noch Johannes Brahms, seine Sieben Fantasien op. 116. Was David Fray mit seiner schwer zu bändigenden Kraft wirklich gut machte, das war, sozusagen als Antwort auf Bach, die Herausarbeitung verstörender Harmonien. Aber er verschenkte mit seinem harten Anschlag gute agogische Gestaltungsansätze wie im ersten Capriccio an den Echostellen. Sobald er leise wurde - und das wurde er nicht allzu oft, zerfaserte ihm die Musik, weil sie vom Vortrieb nicht mehr zusammengehalten wurde. Das Andante von grazia edintimissimo sentimento des vorletzten Intermezzo wollte man ihm nicht so recht abnehmen, aber das letzte Intermezzo geriet ihm erstaunlich lyrisch. Konzeptionell am geschlossensten geriet ihm das abschließende Capriccio, ein Allegro agitato. Klar, da war er in seinem Element.Wie bewusst lyrisch er tatsächlich spielen kann, zeigte er in den Zugaben: zwei Sätze aus Robert Schumanns "Kinderszenen".
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