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Rottershausen
Sind Pelzmäntel noch hip?
Kürschnerin Elfriede Kiesel hat den Nerz oder Persianer in der Mode schon gehen und wieder kommen sehen, denn schließlich ist der Pelz das älteste Kleidungsstück der Menschheit.
Da ist Kreativität gefragt: Elfriede Kiesel arbeitet in ihrem Fachbetrieb in Rottershausen gern auch mit Persianer-Fellen.
Foto: Isolde Krapf | Da ist Kreativität gefragt: Elfriede Kiesel arbeitet in ihrem Fachbetrieb in Rottershausen gern auch mit Persianer-Fellen.
Isolde Krapf
 |  aktualisiert: 03.12.2019 11:03 Uhr

"Kürschnerin ist ein wunderschöner Beruf", sagt Elfriede Kiesel. 1987 übernahm sie von den Eltern den Meisterbetrieb für Pelze und Leder in Rottershausen und ist auch heute, 30 Jahre später, begeistert bei der Sache. "Man kann unheimlich kreativ sein", sagt sie leidenschaftlich und strahlt. "Wenn Sie zehn Nerzjacken vor sich sehen, merken Sie, dass jede sich von der anderen komplett unterscheidet."

Als ihr Mutter Hildegard Renninger sich 1959 mit ihrem Geschäft zunächst im Wohnhaus in Rottershausen selbstständig machte, war das Kürschnerhandwerk noch eine Berufssparte wie jede andere. Das Pelzfachgeschäft lief damals sehr gut an, so dass Hildegard Renninger bald einen Verkaufsraum im Eigenheim freiräumte. 1968 bauten die Eltern dann die Werkstatt an. "Damals wurde viel Lohnarbeit gemacht, vor allem auch für große Kataloge, wie Quelle, Bauer und Bader", erinnert sich Tochter Elfriede Kiesel. "Pelzmäntel hatten seinerzeit eine hohe Wertigkeit." In den 1970er Jahren setzte geradezu ein Boom bei Pelzwaren ein, so die Kürschnerin weiter.

Lehre in Würzburg

"Ich bin im Betrieb groß geworden, habe den ganzen Tag nichts anderes gesehen", sagt die 60-Jährige rückblickend. "Andere in der Schule sind heim und mussten aufs Feld. Ich bin zu Hause halt in die Werkstatt und habe dort geholfen. Aber das hat Spaß gemacht." Für Elfriede Kiesel war klar, dass sie nach dem Realschulabschluss im Jahr 1974 Kürschnerin werden wollte. Verstanden hat das damals nicht jeder: "Mein Lehrer zum Beispiel war der Ansicht, ich hätte doch mit meinen guten Zensuren beruflich auch was anderes machen können. Aber ich wusste, was ich wollte."Früher dachte man eben, wer einen Bürojob hat, ist besser dran als ein Handwerker, gibt Elfriede Kiesel als Erklärung.

Arbeiten an der Pelz-Nähmaschine: Mit der Pinzette streicht Elfriede Kiesel die Haare in die Naht ein, damit diese unsichtbar bleibt.
Foto: Isolde Krapf | Arbeiten an der Pelz-Nähmaschine: Mit der Pinzette streicht Elfriede Kiesel die Haare in die Naht ein, damit diese unsichtbar bleibt.

Drei Jahre lernte sie anschließend in einer Kürschnerei in Würzburg, sammelte später mehrere Jahre lang Erfahrung in Pelz-Fachbetrieben in Neuisenburg und Wiesbaden. Dann besuchte sie Meisterkurse an der Fachschule in Frankfurt, bis 1983 schließlich die Meisterprüfung alles abrundete. "Für mich war klar, dass ich wieder zurück nach Rottershausen gehe." Elfriede Kiesel hatte inzwischen geheiratet und ihre erste Tochter war geboren. Was lag da näher als auch zu Hause zu arbeiten.

Verschiedene Materialien mischen

Dass man etwas Neues erschafft und dabei auch pfiffige Ideen umsetzen kann, hat Elfriede Kiesel an ihrem Beruf stets begeistert. Es gibt keinen Pelzmantel, der identisch mit einem anderen ist, sagt sie. Ein Kürschner verarbeitet Pelze nach Farbe, Glanz und Haarstruktur, je nachdem, was daraus entstehen soll, sagt sie. Die Fachfrau in Sachen Pelz liebt es, verschiedene Materialien zu mischen. "Und vor allem ist es sehr schön, die unterschiedlichen Pelze bei der Arbeit an der Hand zu spüren."

Ihre Kunden vertrauen darauf, dass sie umsetzt, was sie sich von ihr wünschen, sagt die 60-Jährige. Manchmal schicken die Leute ihr per Handy Bilder von einem Mantel oder einer Jacke. "Das will ich", steht in der Nachricht dabei. Dann geht Elfriede Kiesel sozusagen auf Spurensuche: Welches Material ist das? Wie ist die Jacke geschnitten? Wie sind die Pelzteile aneinandergesetzt?

Eine Weste oder eine Decke?

Oft geht es den Kunden auch darum, ein älteres Modell ändern zu lassen, erzählt Elfriede Kiesel. Da findet dann zum Beispiel jemand den alten Pelzmantel der verstorbenen Oma ganz hinten im Kleiderschrank und überlegt sich, was man damit machen könnte, sagt die Rottershäuserin. Die einen wollen dann, dass man daraus eine Weste schneidert.  Die anderen lassen einen Kragen fertigen oder können sich Kissenbezüge vorstellen. Exemplarisch holt sie eine kleine Decke aus Bisam-Fellen hervor, die sich ein Kunde von ihr nähen ließ.

Für Elfriede Kiesel schön anzufassen: Samtnerze.
Foto: Isolde Krapf | Für Elfriede Kiesel schön anzufassen: Samtnerze.

Waren Persianermantel und Nerzstola in den 1970er Jahren für viele Menschen in Deutschland zum Wohlstands- und Statussymbol geworden, ebbte dieser Boom in den 1980er Jahren, ausgelöst durch verschiedene Anti-Pelz-Kampagnen, wieder ab. "Um über die Jahre weiter zu bestehen, mussten schon die Eltern vielseitig sein", sagt Elfriede Kiesel. Ab 1985 wurde deshalb auch Lederbekleidung mit ins Rottershäuser Sortiment aufgenommen. 

Pelze umändern lassen

Die Kürschnerin, die in ihrem Betrieb keine Massenware herstellt, sondern eher Liebhaberstücke fertigt, hat zu diesem Thema eine klare Meinung. "Der Pelz ist das älteste Kleidungsstück der Menschheit." Zudem sei beispielsweise ein Mantel aus Pelz nachhaltig nutzbar: Man könne ihn, bei guter Pflege, 20 bis 30 Jahre lang tragen und später umändern lassen, wenn er aus der Mode ist. Wer das Tragen von Pelzmänteln kritisiert, müsste ihrer Ansicht nach auch die Herstellung von Lederbekleidung unter Beschuss nehmen. Denn Leder ist für Elfriede Kiesel im Prinzip ein Pelz ohne Haare. "Aber wenn man Lederschuhe trägt, regt sich darüber niemand auf."

Früher, nach den großen Kampagnen, sei die Verunsicherung darüber, ob man Pelz tragen darf, sehr groß gewesen. Heute habe sie wieder mehr Kunden, die zu ihrer Pelzjacke stehen, sagt Elfriede Kiesel. Was die Zukunft des Kürschnerhandwerks angeht, ist die Rottershäuserin dennoch unschlüssig. Denn schließlich werden die Schulen und Ausbildungsbetriebe weniger. So gab es beispielsweise in Würzburg früher zwölf Kürschnereien, jetzt sind es noch zwei, sagt sie. An fünf Schulen in Bayern konnte man früher dieses Handwerk erlernen, jetzt gibt es lediglich noch die Schule in Fürth. "Wahrscheinlich wird der Beruf doch aussterben."

 
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