
„Ich bedaure nur, dass ich meiner eigenen Beerdigung nicht lauschen kann. Man wird so schöne Sachen über mich sagen. Schade, dass ich das verpasse“, spöttelte der am 24. August 1924 in Budapest als Ferenc Hoffmann geborene Sohn einer ungarisch-jüdischen Bankdirektoren-Familie.
Auf der Flucht vor der kommunistischen Unterdrückung reiste er 1948 mit seiner Frau in einem Viehwagon über Bratislava nach Wien. Von dort wanderte er über Italien im Mai 1949 mit einem Flüchtlingsschiff nach Israel aus. Bei der Einreise im Hafen von Haifa änderten die Behörden Kishont – ein Name, den er sich zugelegt hatte, weil er im kommunistischen Ungarn weniger bürgerlich klang – in Kishon und Ferenc in Ephraim.
1980 Umzug in die Schweiz
Unter seinem neuen Namen Ephraim Kishon wurde der israelische Schriftsteller, Theater-Autor und Regisseur weltberühmt. Seit den frühen 1980er Jahren lebte er in der Schweiz. Seine Beisetzung im Jahr 2005 in Tel Aviv fand allerdings kaum Beachtung, schildert Silja Behre in ihrer lesenswerten Biografie.
Die promovierte Historikerin bringt den in Deutschland fast vergessenen Bestseller-Autor anlässlich seines 100. Geburtstags nicht nur wieder in Erinnerung, sondern schildert auch bislang unbekannte Seiten seiner Persönlichkeit.
Vielfältiger Charakter
Auf über 400 Seiten, mit 46 Seiten Anmerkungen, zehn Seiten Quellen- und Literaturverzeichnis und einem siebenseitigen Personen- und Sachregister lernen wir Ephraim Kishon nicht nur als unterhaltsamen Satiriker, sondern vor allem als politisch engagierten israelischen Staatsbürger kennen.
Die Autorin zeigt uns den Zwiespalt zwischen dem „deutschen“ und dem „israelischen“, dem „satirischen“ und dem „politischen“ Kishon. Denn neben dem in der Bundesrepublik der 1960er und 1970er Jahre gefeierten Star-Autor, was nicht zuletzt seinem Übersetzer Friedrich Torberg zu verdanken ist, gab es auch den in Israel durchaus umstrittenen „politischen“ Kishon.
"Entwicklungshilfe in Sachen Humor"
Etwa 35 Millionen der weltweit 40 Millionen Bücher Kishons wurden auf Deutsch verkauft. „Für die literarische Satire und Humoreske fehlte im Westdeutschland der Nachkriegszeit das Personal“, schreibt Behre. Hier leisteten Kishons Satiren nach Meinung der Autorin „Entwicklungshilfe in Sachen Humor“.
Ausgerechnet der einst von den Nazis verfolgte Autor, dessen Familie im KZ Auschwitz umgekommen war, schrieb „der Deutschen liebste Bücher“ wie „Drehn Sie sich um, Frau Lot!“ (1961), „Arche Noah Touristenklasse“ (1963) oder die amüsanten Familiengeschichten mit "der besten Ehefrau von allen".
Marketing in eigener Sache
Dabei brachte sich Kishon oft selbst als „Marketing-Manager in eigener Sache“ ein, wie die Autorin an Beispielen nachweist, und war einer der Mitbegründer der damaligen „Bestselleritis“ auf dem deutschen Buchmarkt: „Er avancierte als eine Art literarische Ich-AG zum Verteidiger seiner finanziellen und publizistischen Interessen, intervenierte in die Werbemaßnahmen des Verlags und knüpfte den Erfolg seiner Werke an seine Person, sodass er selbst zum Werbeträger wurde. Er war kein zurückgezogen lebender Schriftsteller, sondern … ein auf Öffentlichkeit und PR bedachter Selbstvermarkter.“
"Opfer einer bestimmten Optik"
Für Kishon war dies selbstverständlich: „Um Millionen von Büchern zu verkaufen, muss ich arbeiten.“ Doch trotz seines Erfolgs in der Bundesrepublik war Kishon mit seinem Image nicht zufrieden: Er sei das „Opfer einer bestimmten Optik“, die seine Rolle als „einer der schärfsten Regimekritiker“ in Israel ausblende und nicht übersetze, weil sein Verleger fürchte, dass er durch die Veröffentlichung eines „Un-Kishon“ sein Publikum verliere, wird Kishon zitiert.
Autor und politischer Analyst
Interessant in Behres Biografie ist auch die uns Deutschen eher unbekannte Seite Kishons: Denn während der „deutsche“ Kishon ein auf Humor reduzierter Autor war, der nach Meinung bundesdeutscher Literaturkritiker nur „humoristische Massenware ohne literarische Qualität“ lieferte, galt der „israelische“ Kishon als umstrittener politischer Analyst – vor allem durch seine seit 1952 in der Zeitung „Maariv“ erschienene Kolumne „Chad Gadya“ über das politische und alltägliche Leben im Land.
Seine Werke sind aktueller denn je
Die Jahrzehnte, als man den „deutschen“ Kishon in jeder Buchhandlung fand, sind längst vorbei. Heute findet man seine Bücher massenweise – gleich neben Simmel und Konsalik – in Antiquariaten und öffentlichen Bücherschränken.
Kommt Behres Kishon-Biografie also Jahrzehnte zu spät? Gewiss nicht! Denn liest man die Kapitel über den in Jugendjahren von Nazi-Terror und -Arbeitslager, Flucht und sowjetischem Gulag geprägten „israelischen“ und „politischen“ Kishon, teilen gerade heute aus aktuellem Anlass wieder viele Israelis seine Meinung: Kishon forderte für arabische Terroristen und Geiselnehmer die Todesstrafe und duldete deren gezielte Tötung durch den israelischen Geheimdienst Mossad.
Mehr als ein Satiriker
Jener Kishon, der in der Bundesrepublik einst für fröhliche Stimmung sorgte, bedauerte gleichzeitig: „Die Welt sieht Israel und die Juden am liebsten als Opfer, nicht als sich selbst verteidigende Militärmacht.“
Vielleicht sollte man unter diesem Aspekt gerade heute die alten Kishon-Satiren noch einmal aufmerksamer lesen? Denn dank Silja Behre und ihrer ausgezeichneten, auf unzählige Quellen gestützten Biografie, wird deutlich: Ephraim Kishon war weit mehr als ein unterhaltsamer Satiriker, der nur für ein „Auflachen mit Halbbildung“ sorgte, wie es ein Kritiker mal formulierte.
Silja Behre liest aus ihrem Buch
Autorin Silja Behre wird in der Landessynagoge Heubach bei Fulda am Samstag, 10. August, ab 19.30 Uhr ihr Buch vorstellen und Auskunft darüber geben, was sie bewogen hat, sich so intensiv mit Leben und Werk von Ephraim Kishon zu befassen. Weiter Informationen unter synagoge−heubach.de
Informationen zum Buch:
Silja Behre: „Ephraim Kishon. Ein Leben für den Humor“, Langen-Müller Verlag, gebunden, 416 Seiten, Preis: 25, Euro, ISBN 978-3-7844-3716-3