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Hammelburg
Sie kennen die "Boadschul" noch
In der Reihe "Erlebt und Erzählt" in der Stadtbibliothek frischten drei Hammelburger Jugenderlebnisse auf.
Ein Streifzug in die Vergangenheit lies 'die gute alte Zeit' aufleben. Authentische Zeitzeugen waren (von links) Helmut Leidner, Josef Halbritter und Marianne Ehling. Altbürgermeister Ernst Stross (rechts) organisierte diesen Erlebt-Erzählt-Beitrag.  Foto: W. Ehling       -  Ein Streifzug in die Vergangenheit lies 'die gute alte Zeit' aufleben. Authentische Zeitzeugen waren (von links) Helmut Leidner, Josef Halbritter und Marianne Ehling. Altbürgermeister Ernst Stross (rechts) organisierte diesen Erlebt-Erzählt-Beitrag.  Foto: W. Ehling
| Ein Streifzug in die Vergangenheit lies "die gute alte Zeit" aufleben. Authentische Zeitzeugen waren (von links) Helmut Leidner, Josef Halbritter und Marianne Ehling.
Winfried Ehling
 |  aktualisiert: 20.08.2022 03:50 Uhr
Jugend-Erlebnisse aus Alt-Hammelburg gaben drei "Ur-Einwohner", Marianne Ehling, Helmut Leidner und Josef Halbritter, in der Serie "Erlebt - Erzählt" in der Stadtbücherei wider. Bibliotheksleiterin Karin Wengerter und Alt-Bürgermeister Ernst Stross, Initiatoren dieser Veranstaltungen, begrüßten dazu mehr als 50 Zuhörer im ausgebuchten Lese-Raum.
Die "Boadschul" der 30er und 40er Jahre, Vorreiter des Städtischen Freibads, diente seinerzeit als Areal um das Schwimmen zu erlernen. Gelegen zwischen den südlichen Stadtrand, der Saaleinsel und dem Gelände des heutigen Musikerheims, wurde sie von Lehrer Julius Seufert begründet, der mit Unterstützung emigrierter Hammelburger und Bürgermeister Karl Michelbach, diese "Bade- und Schwimmanstalt" initiierte, informierte Marianne Ehling.
Gemessen an heutigen Maßstäben an Einfachheit nicht zu überbieten, war sie eine Liegewiese mit Sammel-Umkleideräumen - einfache Baracken-Häuschen mit "a paar Häcklich und Bänklich, in denen man immer seine Schuhe suchte". Natürlich gab es auch eine Aufpasserin, Frau Rösser, "die mit scharfen Augen, flinken Händen und einer durchdringenden Stimme" hier Regie führte.
"Doch es war eine gute Frau. Wenn jemand mal kein Geld für den Eintritt hatte, drückte sie schon mal ein Auge zu. In ihrem Kassenhäuschen gab es Pflaster und Jod für kleine Verletzungen, sehr trockene Kekse, Limo und Eis-Ersatz, nämlich Brausewürfel, später Frigeo-Tütchen", erinnerte sich die Referentin.
"Schwimmbüchsen" - ausgediente, zugeschweißte Bonbonbehälter mit Haken und "Press-Bendel" als Halter "waren nur etwas für die Mädchen", so die Altstädterin, die von ihrem Vater, dem Maler Fritz Ringelmann, eine weiß-lackierte Schwimmbüchse bekam, der die Tochter damit ins Wasser schubste, damit sie das Schwimmen lerne, "wobei ich viel Saalewasser schluckte", bekannte sie. Die Buben aalten sich derweil in ausgedienten Autoschläuche, die sie als Schwimmreifen nutzten.
Klein-Marianne lernte das Schwimmen und konnte bis zur "Lühbrücke" - dem damaligen Waschgelände der Hammelburger Frauen am heutigen Wohnmobil-Stellplatz - und später sogar bis zum "Eisernen Steg" in Richtung Pfaffenhausen schwimmen. "Ich wurde eine richtige Wasserratte", bekannte sie -die es in natura übrigens auch in der Saale gab. Ob der vielen Schnaken erhielt die Stadt ihren Spitznamen und hieß im Volksmund "Bad Schnakenbad".
Davon konnte auch Helmut Leidner ein Lied singen, der mit seiner Familie an der Peripherie der "Boadschul", am so genannten Freihof, wohnte. Mittels digitalisierten Schwarz-Weiß-Fotos aus dem eigenen Fundus und dem von Hobby-Heimatarchivar Josef Kirchner, schilderte er seine Jugend zwischen dem einstigen Schlachthof und der "Gäuls-Saal" (heute Stadtmuseum).


Selbstgenähter Bikini

"Aus alten Benzinkanistern bastelten wir uns Floße und ruderten auf der Saale umher. Wir hatten sogar einen eigenen Hafen", schilderte "Lucky" Leidner, der natürlich auch die Badschule kannte und sie häufig aufsuchte. "S'wor nit nur wechem schwimme, natürlich hom die Bube ach weng nach die Mädlich geäucht", grinste er amüsiert. Wie zum Beispiel Marianne, die mit dem von der Mutter selbstgenähten "Bikini", umher stolzierte, der nur drei Zentimeter am Bauchnabel und dann die Knie freigab.
"Die Sool war sauber", ist Überzeugung von "Sepp" Halbritter - auch "wenn uns ab und zu ä krepierts Säule entgeche komme is", räumt er ein. Der Kumpel von Helmut Leidner sagte dann nur: "Helmut, schiebs weiter nach Diebich no." Später waren es die Golfbälle der "Amis" vom Kissinger Golfplatz, die die Buben aus der Saale fischten. Halbritter sah damals drei Badeplätze in Stadtnähe, die "Boadschul", die "Drei-Saal" und den "Pfaffenhäuser Steg". "Als wir schwimmen konnten, sind wir in Badehose und barfuß zur Dreisool gelaufe und hom uns Schilffloße gebastelt un sin die Sool nunnergeschwomme. In Pfaffenhause hom se uns aber mit Stee beworfe und gschriee: Macht euch hemm ihr Waddelich, ihr hobt in Paffenhause niers verlurn." Die Wässerung nach der Heuernte war für die Kinder von damals ein Paradies. "In die Gräbelich worn Aale, die mir gfange hom. Die worn ober so glitschich, dass se mir dauernd entwischt sind", bedauert er.


Schöne Zeit

Halbritter, der nach 15 Jahren Ausbildung wieder in seine Heimatstadt zurückkam, fand keine "Boadschul" mehr. Inzwischen hatte sich eine Bürgervereinigung zum Bau des Schwimmbads gegründet, der "Sepp" beitrat. Doch "es gab keine schönere Zeit wie damals", bekennt er noch heute. "Wir haben uns mit dem beschäftigt, was die Natur hergab." Für die authentische Wiedergabe der "guten, alten Zeit" gab es rauschenden Beifall und einen Bocksbeutel von Karin Wengerter.








 
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Kommentare
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  • E. B.
    Da haben Sie vollkommen Recht. Ich habe mich beim Lesen des Artikels auch gewundert. Wurde denn nicht mal nachgefragt, wie es in der Nazizeit war?
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  • P. K.
    Zur Historie der Hammelburger Badschule gehört auch, dass Juden 1934 der Besuch der Badschule verboten wurde. Wer von der "schönen alten Zeit" erzählt, der sollte die ganze historische Wahrheit berichten und nicht nur einen Teil davon. Die Badschule war ab Frühsommer 1933 Treffpunkt der HJ, des BdM und des Jungvolkes. Jüdische Kinder und Jugendliche hätten es nicht mehr wagen können, in die Badschule zu gehen. Sie wären von der HJ hinausgeprügelt worden. Die Judenkinder der Stadt mussten ab 1933 heiße Sommertage im Innenhof der Synagoge verbringen. Es war der einzige Ort in der Stadt, wo sie vor den tätlichen und verbalen Angriffen der aufgehetzten Nazi-Jugend geschützt waren. Schöne alte Zeiten? Judenfreie Badschule ab 1934, judenfreies Hammelburg ab 1939. Man könnte von der Stadtbibliothek Hammelburg, eine städtische Einrichtung, die mit öffentlichen Mitteln in sechsstelliger Höhe Jahr für Jahr bezuschusst wird, erwarten, dass sie mit der Historie der NS-Zeit anders, ehrlicher umgeht
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