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Bad Kissingen
Senta Berger & Kent Nagano: Herbert Back ist der Chauffeur der Stars beim Kissinger Sommer
Herbert Back ist Schreiner beim Servicebetrieb der Stadt Bad Kissingen. Fürs Festival schlüpft er seit 28 Jahre in eine andere Rolle - und kommt den Stars wirklich nah. Nur mit einem kann er nicht.
Herbert Back ist eigentlich Schreiner. Im Kissinger Sommer wird er zum Chauffeur der Stars.       -  Herbert Back ist eigentlich Schreiner. Im Kissinger Sommer wird er zum Chauffeur der Stars.
Foto: Julia Milberger | Herbert Back ist eigentlich Schreiner. Im Kissinger Sommer wird er zum Chauffeur der Stars.
Susanne Will
 |  aktualisiert: 26.07.2024 02:45 Uhr

Der Kissinger Sommer ist für viele Menschen das Highlight im Jahr. Was sie sehen und hören: Die Champions League der Klassik, eingebettet in ein vierwöchiges Festival, das den Macherinnen und Machern in diesen Tagen alles abverlangt – und zwar vor wie hinter der Bühne. Ohne Menschen, die in diesen vier Wochen alles andere hintenanstellen, könnte der Kissinger Sommer nicht funktionieren. In einer losen Serie stellen wir einige dieser Menschen vor. Heute: Herbert Back, 58, Schreiner und vier Wochen im Jahr der Chauffeur der Stars. Was ihn ausmacht: Er findet für alles eine Lösung. Und er lacht gerne, gerne auch über sich.

Herr Back, Ihr Alltag ist ein gänzlich anderer.

Ja, absolut. Ich bin Schreiner beim Servicebetrieb der Stadt Bad Kissingen , also dem früheren Bauhof.

Wie kamen Sie dazu, den staubigen Arbeitsoverall auszuziehen, um Größen wie den Dirigenten Kent Nagano zu chauffieren?

Das war 1997, da wurde ich gefragt, ob ich für den Kissinger Sommer ein paar Leute von A nach B fahren kann. Damals wusste ich gar nicht, was der Kissinger Sommer ist.

Sie lachen jetzt.

Ja, rückblickend ist das schon komisch, jetzt, wo ich all diese tollen Menschen kennenlernen durfte. Kent Nagano ist nach wie vor mein Lieblings-Gast. Und er freut sich auch immer, wenn ich ihn fahre.

Zurück ins Jahr 1997.

Ja, Damals war noch Oberbürgermeister Christian Zoll am Werk. Ich wurde in den Sitzungssaal gerufen, so verstaubt, wie ich war, ich kam direkt von der Arbeit. Ich hab mich vorgestellt, dann wurden mir ein paar Fragen gestellt und dann wurde ich wieder fortgeschickt. Und am nächsten Tag hatte ich den Job. Jetzt mache ich ihn im 28. Jahr und diese vier Wochen sind für mich das Highlight im Jahr.

Wen hatten Sie denn schon alles auf dem Beifahrersitz?

Einer der ersten war Boris Pergamenschikow, ein Cellist. Bei dieser Fahrt ist mir der Gaszug vom Gaspedal gerissen. Meine Güte, war ich fertig! Ich dachte, das ist jetzt meine letzte Fahrt. Aber ich bin ja Handwerker. Ich habe einfach meinen Schnürsenkel aus meinem Schuh gefummelt und habe mit dem einen Gaszug gebastelt. Mit dem Schuhbendel sind wir bis nach Bad Kissingen gekommen.

Und wie hat Pergamenschikow reagiert?

Der war die Ruhe selbst. Ich durfte ihn noch ein paar Mal fahren, leider ist er früh verstorben. Zu Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen habe ich auch eine schöne Geschichte.

Raus damit!

Er ist der Urenkel des damaligen Kaisers gewesen, auch er ist leider schon neun Jahre tot. Der musste zurück in sein Haus nach Berlin Grunewald. Er hat sich auf dem Beifahrersitz hingelegt und ist sofort eingeschlafen. Die Straßen waren alle frei, ich konnte gut durchfahren. Ich weckte ihn erst, als wir vor seinem Haus standen. Als er realisierte, wie schnell wir angekommen waren, sagte er: „Ich bedanke mich für den guten Flug.“ Jedoch: Seine Haushälterin hat mit der baldigen Ankunft nicht gerechnet, das Frühstück war noch nicht fertig. So haben wir dann später gemeinsam gefrühstückt. Da erfährt man viel von den Menschen, besonders bei ihm war das so.

Haben Sie Geheimnisse erfahren?

Nicht wirklich, aber tiefe Einblicke ins Leben dieses Menschen. Denn da kam uns ein Zufall zur Hilfe: Bei einem früheren Treffen erzählte er mir, dass er Aschach und das Schloss kennt. Der Prinz kennt Aschach, mein Dorf! Und zwar deshalb, weil er als Kind während des Krieges ins Schloss gebracht wurde. Als er mir das erzählte, sind ihm die Tränen gekommen. Es versteht sich von selbst, dass ich mit ihm hoch zum Schloss gegangen bin. Wir sind im Schlossgarten spazieren gewesen, er hatte wahnsinnig viele Erinnerungen an seine Zeit dort. Seine Schwester Kira habe ich auch mal gefahren. Eine sehr, sehr nette Frau. Leider war sie schon schwer krank, als ich sie das letzte Mal gefahren habe. Und sie wusste, dass ich es wusste: Es wird unsere letzte Fahrt sein. Wir haben uns fest umarmt, als wir uns verabschiedet haben.

Beeindruckend, wie nah man Menschen kommen kann, wenn man mit ihnen Auto fährt. 

Absolut. Es ist ja ein kleiner Raum, in dem wir unterwegs sind. Da menschelt es. Nach wie vor ist Kent Nagano , der Dirigent, mein Lieblingsfahrgast. Und ich glaube, ich bin auch sein Lieblingsfahrer.

Woran machen Sie das fest?

Ich habe Kent Nagano in Fulda abgeholt. Am Bahnsteig schaute er sich plötzlich um, dreht sich um, suchte – und der Zug fuhr los, allerdings mit seiner Tasche. Und da war alles, wirklich alles drin, was er benötigte, um am Abend zu dirigieren. Ich habe ihn erst mal beruhigt und gesagt, das schaffen wir schon. Ich bin zum Bahnpersonal, habe ihm alles erklärt und gebeten, dass sie die Tasche beim nächsten Stopp, das war Frankfurt, im Bahnhof sichern. Dann habe ich Kent Nagano nach Bad Kissingen gefahren und bin sofort weiter nach Frankfurt, habe die Tasche geholt, zurück nach Bad Kissingen – und Kent Nagano konnte auftreten.

Das war aber Spitz auf Knopf!

Und wie! In Frankfurt war ausgerechnet ein Marathon und viele Straßen waren gesperrt. Ich habe mehr geschwitzt als die Läufer, aber ich war rechtzeitig in Bad Kissingen – und immer, wenn ich Kent Nagano wiedersehe, strahlt er.

Es klingt, als ob Sie nur tolle Momente hatten.

Zu 99,9 Prozent – ja. Menahem Pressler, ein Pianist, war auch so ein toller Mensch. Schon sehr alt, aber ein wunderbarer Mann. Er war mit allem zufrieden und für alles sehr dankbar. Leider war seine Begleiterin das absolute Gegenteil, eine Diva, wie sie im Buche steht.

Legen Sie sich eine Strategie zurecht, um Ihren Fahrgästen ein gutes Gefühl zu geben oder um das Eis zu brechen?

Klar. Du kennst die Eigenheiten der Künstler. Lawrence Foster, ein Dirigent, liebt Federkissen. Da besorge ich schnell aus dem Hotel ein Kissen für die Fahrt, dann ist der glücklich. Tatsächlich hole ich vor manchen Fahrten eine Spezialität, nämlich was frisch Gebackenes vom Öschicher Bäck. Dann duftet das ganze Auto nach frischen Croissants oder Brezeln – das wirkt oft Wunder!

Beim Schauspieler Klaus Maria Brandauer war es anders. Den habe ich empfangen mit den Worten: Grüß Gott, eigentlich wollte ich Sie nie fahren – Sie haben immer so unsympathische Rollen! Da musste er lachen und das Eis war gebrochen. Außerdem bin ich ja Fan von ihm, nachdem er in „Die Auslöschung“ einen an Alzheimer erkrankten Mann gespielt hat. Brandauer habe ich öfter gefahren. Und unsere Unterhaltungen werden immer intimer, ich weiß viel von ihm, was ich niemals irgendjemandem erzählen würde.

Bei Senta Berger , der Schauspielerin, war es auch interessant. Ich habe ein Holzhaus, sie auch – und ich konnte ihr gute Tipps gegen Holzwürmer geben, ich als Schreiner bin ja vom Fach.

Wie viele Kilometer haben Sie denn schon auf dem Tacho?

300.000 Kilometer bin ich jetzt für den Kissinger Sommer gefahren. Und jede Fahrt ist eine gute Fahrt, ich freue mich auf jeden Kilometer. Und die Gäste auch.

Gibt es einen Künstler, eine Künstlerin, mit dem oder der Sie wirklich Schwierigkeiten hatten?

Ja. Tatsächlich. Einen. Wenn ich den im Fernsehen sehe, muss ich umschalten. Aber ich sage keinen Namen.

Sie sagten vorhin, dass diese vier Wochen Ihre schönsten im Jahr sind - bemerkenswert, denn es ist ja auch wirklich viel Stress.

So empfinde ich das nicht. Bei manchen Künstlern entwickelt sich auch eine Beziehung außerhalb des Festivals. So haben meine Frau und meine Tochter mal auf die vierjährige Tochter einer Musikerin aufgepasst. Sie waren Kindermädchen und haben das absolut genossen, ihr den Wildpark Klaushof zu zeigen. Ich bin für solche Begegnungen absolut dankbar.

Apropos: Ich möchte mich ganz herzlich beim Service-Betrieb bedanken, dass ich für diese Zeit freigestellt werde. Und beim Kissinger Sommer-Team: Hier gilt die Maxime „Einer für alle, alle für einen“, es ist ein derartiger Zusammenhalt, gerade, wenn es zugeht wie in einem Irrenhaus. Plötzlich fliegt ein Flugzeug nicht, ein Zug kommt nicht an, ein Künstler fällt aus – und immer, immer, immer kriegen wir es mit vereinten Kräften hin. Das ist großartig. Und noch großartiger ist, dass mir meine Familie die Freiheit gibt, das alles erleben zu dürfen. Danke!

Klaus Schlereth ist der andere Chauffeur im Kissinger Sommer.       -  Klaus Schlereth ist der andere Chauffeur im Kissinger Sommer.
Foto: Julia Milberger | Klaus Schlereth ist der andere Chauffeur im Kissinger Sommer.

 

 

 

 
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  • Norbert Vollmann
    Schon lange kein Interview mehr so gelesen wie dieses!!!
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