Auch wenn die Rakoczy-Festwagen nur einmal im Jahr zum Einsatz kommen, müssen sie trotzdem sicher sein. Deshalb kommt der TÜV regelmäßig in die Kurgärtnerei. Bei zwei Wagen signalisierte er bereits vor zwei Jahren, dass sie bald nicht mehr fahren dürfen. "Im Oktober 2017 haben wir mit den Vorbereitungen begonnen", berichtet Jürgen Sand. Der 75-Jährige hat die Wawa-Schrauber gegründet. Wawa steht für Wasserwaage, in der Gruppe sind ehemalige Handwerker vertreten.
Beim Rakoczy-Fest 2018 durften die alten Wagen von Ludwig II. und Katharina der Großen zum letzten Mal fahren. "Nach dem Fest haben wir dann richtig los gelegt", sagt Sand. Der 75-jährige Betriebswirt arbeitete zeitlebens im Anlagenbau, entsprechend strukturiert ging er die Planung an. "Sicherheit ist oberstes Gebot", stellt er klar. Zudem sollten die Wagen aber ein echter Hingucker sein und der Kurgärtnerei Arbeit ersparen. Zunächst baute Jürgen Sand Modelle. Die kamen beim Rakoczy-Verein, Kurdirektorin und Oberbürgermeister gut an.
Umklappbare Rückwand
Dann ging es an die vielen Details: Die 3,50 Meter hohe Rückwand etwa ist umklappbar, sogar extra Werkzeug haben die Wawa-Schrauber dafür entwickelt und im Wagen verstaut. Für die Gestaltung war Jürgen Sands Sohn, der in Hamburg lebende Künstler Dirk O. Sand, zuständig: Für seine Entwürfe beschäftigte er sich auch mit den historischen Persönlichkeiten, wählte passende Ornamente und Farben. Schwan und Pfau, Zinnoberrot und Coelinblau für Ludwig II. , Doppeladler und Zarenkrone, kräftige und bunte Farben für Katharina die Große . Die Firma "Lanoph Werbetechnik " übertrug die gezeichneten Entwürfe dann auf Folien.
Für die beiden Karosserien holt sich Jürgen Sand die Winkelser Firma "Wolf Metall" ins Boot. Aber auch auf seine Wawa-Schrauber ist Verlass: Reinhard Sell aus Wittershausen ist gelernter Karosseriebauer, Bruno Weigend aus Obererthal Schreinermeister und Lothar Hoffmann aus Bad Kissingen arbeitete als gewerblicher Fachlehrer. Insgesamt 910 Stunden haben sie in Aufbau und Gestaltung der beiden Wagen investiert. Dafür ist aber auch alles bis ins Letzte durchdacht: "Der Kutschbock ist schmaler, weil ja eh' immer nur einer oben sitzt und der andere unten mitläuft", nennt Jürgen Sand als Beispiel. Getränkehalter, ein farblich und in der Höhe aufs Kleid abgestimmter Griff sowie Stauraum vervollständigen die Aufbauten. Auch ans Gewicht hat er gedacht: Durch viel Aluminium blieben die Wawa-Schrauber unter 200 Kilogramm, zwei Pferde reichen leicht zum Ziehen. Zudem spare die Kurgärtnerei Zeit und Geld, denn: "Früher brauchten sie viel mehr Blumen, um die Schwachstellen zu kaschieren."
Kein TÜV für Kaiserpaar-Wagen
"Das sind jetzt zwei Prototypen, bei denen sich die Kurgärtnerei überlegen kann, ob man nach und nach alle Wagen so gestaltet", sagt Jürgen Sand. Ob er seine Wawa-Schrauber für weitere Wagen begeistern kann, lässt er offen. Dabei wäre Bedarf da, denn: Anfang Juni hat der TÜV überraschend den Wagen von Kaiserin Elisabeth I. und Kaiser Franz Josef I. aus dem Verkehr gezogen. "Das war zu kurzfristig, deshalb fährt Sisi heuer mal in einer Kutsche", sagt Organisator Thomas Lutz .
Darstellerin Nadja Keller aus Ramsthal nimmt das gelassen: "Sisi steht sowieso im Mittelpunkt, auch wenn sie keinen eigenen Wagen, sondern heuer nur eine Kutsche hat", sagt die 38-Jährige. Gelegenheit zum Probesitzen hatte sie zwar noch keine, aber das werde trotz der Reifröcke schon irgendwie gehen, und: "Der Kaiser hilft mir bestimmt", vertraut sie auf Darsteller Rolf Matthes.