Damit hätte Walter Hartmann (86) nicht gerechnet: Er fand eine bisher im Landkreis Bad Kissingen nicht beheimatete Pflanze, den Krähenfuß-Wegerich. Die Pflanze gedeiht an der Autobahnraststätte Rhön. „Direkt am Parkplatz, auf der Seite auf der die Lastwagen stehen. Es ist der Erstfund“, verkündet er.
Eine sogenannte Salzpflanze
Der Krähenfuß-Wegerich zählt zu den Pflanzen, die sich von hohen Salzkonzentrationen im Boden nicht beeinträchtigen lassen. Salzpflanzen sind normalerweise in Küstennähe anzutreffen, beispielsweise an der Nord- und Ostsee.
Inzwischen sind Salzpflanzen nahezu an allen Straßenrändern zu finden. „Das ist eine Folge der Salzstreuung im Winter“, schlussfolgert Hartmann. „In der Zeit, als Spikes-Rreifen noch erlaubt waren und Salzstreuung nicht üblich war, gab es keine Salzpflanzen aus nördlichen Breiten bei uns."
Hartmann ist Pflanzenexperte
Walter Hartmann ist ein Experte auf diesem Gebiet, da er seit den 1970er Jahren die Pflanzenwelt im Landkreis genau beobachtet. Zahlreiche Exkursionen hat er für die Kreisgruppe des Bund Naturschutz organisiert. In seinem Arbeitszimmer stapeln sich Ordner, die die Aufzeichnungen dieser Exkursionen enthalten. Es sind genau 5.046 Belege über die Flora im Landkreis.
Im Profil kommt der Samen
Überraschenderweise seien die salzliebenden Pflanzen oft nur in einem Abstand von zehn bis dreißig Zentimetern vom Straßenrand zu finden. Dies sei der Bereich, in den der Schneepflug den salzhaltigen Schnee schiebt oder in den das Tauwasser abfließt.
Auf den angrenzenden Wiesen oder Feldern seien diese Pflanzen oft nicht anzutreffen. „Interessant ist, dass sich an Einfahrten und Einmündungen mehr dieser Salzpflanzen finden.“ Hartmann erklärt sich das Phänomen so: „Die Fahrzeuge transportieren die Samen der Pflanzen im Profil ihrer Reifen.
Auf Parkplätzen oder an Einmündungen, wo Fahrzeuge zum Stehen kommen, gelangen das Tauwasser und damit auch die Samen auf den Boden. Auf diese Weise verbreiten sich die Pflanzen.“
Eher unscheinbare Gräser
Viele dieser salzliebenden Pflanzen fallen nicht besonders auf. Sie sind oft unscheinbar, ähneln Gräsern und werden beim Vorbeifahren kaum wahrgenommen. Doch wer sich mit Interesse an Botanik auf die Suche mache, werde schnell fündig.
Hartmann hält mittlerweile bei den verschiedenen Exkursionen gezielt Ausschau nach Salzpflanzen und konnte feststellen, dass ihr Vorkommen im Laufe der Jahre zugenommen habe. Einige Pflanzen, wie das schmalblättrige Greiskraut, haben sich besonders stark verbreitet.
„Das gab es früher überhaupt nicht, heute findet man es entlang der Autobahn. Wenn etwas entlang der Autobahn gelb blüht, handelt es sich meist um das Greiskraut.“ Viele Salzpflanzen sind entlang der Straßen im Landkreis längst heimisch geworden.
Exot auch an der Saline entdeckt
Hartmann konnte aber auch beobachten, dass Pflanzen, die an salzige Standorte angepasst sind, wieder verschwanden, beispielsweise der Strand-Dreizack. „Die Samen des Strand-Dreizacks kamen wohl mit Vögeln aus dem Norden zu uns in den Landkreis, an die Gradier-Anlage der Saline“, erklärt er.
Diese Pflanze wurde erstmals von Dr. Balling, dem königlich-bayerischen Hofrat und Badearzt, in der Schrift "Die Heilquellen und Bäder zu Kissingen" aus dem Jahr 1860 erwähnt.
Auch Max Bottler, königlicher Reallehrer der Chemie und Naturgeschichte in Kissingen, erwähnte den Strand-Dreizack in einer Schrift über die salzhaltigen Wiesen an den Gradierbau bei Kissingen im Jahr 1882.
Der Abriss war ihr Ende
Der botanische Arbeitskreis im Bund Naturschutz Bad Kissingen konnte das Vorhandensein dieser Pflanze am Gradierbau bis Ende der 1990er Jahre nachweisen. „Im Jahr 1996 wurde sie nicht mehr gefunden. Der Abriss des letzten halben Teils des Gradierbaus hat wahrscheinlich ebenfalls dazu beigetragen, dass sie verschwunden ist.“
Keine Gefahr für heimische Pflanzen
Laut Hartmann stellen die salzliebenden Pflanzen keine Gefahr für die einheimische Flora dar. „Sie konkurrieren nicht wie die Lupine oder das drüsige Springkraut“, betont er.
Die Salzpflanzen erobern nicht die gesamte Landschaft, sondern existieren lediglich in der Nähe von Straßen, die im Winter gesalzen werden. Hartmann verschweigt dabei nicht, dass das Salz nicht immer vorteilhaft für heimische Pflanzen ist. Diese können dann am Straßenrand nicht mehr gedeihen.
Den Neuankömmling im Landkreis, den Krähenfuß-Wegerich zu entdecken, war für Walter Hartmann eine Überraschung und Freude. „Das ist schon etwas Besonders, wenn man eine neue Pflanze entdeckt.“