Als Burkhard Ascherl vor 30 Jahren seine Stelle als Stadtkantor in Bad Kissingen antrat, war er nicht der einzige Neue. Gleichzeitig wurde die neue Schuke-Orgel für die Herz-Jesu-Stadtpfarrkirche von Weihbischof Helmut Bauer geweiht.
In all den Jahren hat Burkhard Ascherl viele festliche Gottesdienste mit der Kantorei vor allem an Weihnachten und Ostern gestaltet, hat Konzerte innerhalb des Kissinger Sommers, des Winterzaubers und des Orgelzyklus gegeben. Hinzu kamen die großen Oratorienaufführungen im Regentenbau.
Viele wissen nicht, dass Burkhard Ascherl aus Nüdlingen stammt, in den späten 1980er Jahren nur 15 Gehminuten vom Brandenburger Tor gewohnt hat und aus Liebe zur Heimat wieder zurückgekehrt ist. Zum Jubiläum sprach er mit der Zeitung.
Sie sind ja ein gebürtiger „Nüdlinger“ – welche Erinnerungen verbinden Sie mit Ihrem Heimatort?
Burkhard Ascherl: In Nüdlingen habe ich meine Kindheit und Jugend verbracht. Nach Kindergarten und Grundschule besuchte ich von 1971 an das Gymnasium in Münnerstadt. Von 1971 bis 1978 war ich bei den Nüdlinger Ministranten und sang seit 1972 im Nüdlinger Kirchenchor , später nach dem Stimmbruch auch im Gesangverein „Frohsinn“ und seit 1979 in der Kantorei Herz Jesu Bad Kissingen .
1973 begann ich bei Oberlehrer Artur Troll mit dem Klavierspiel und spielte bereits ein Jahr später meinen ersten Gottesdienst in der Nüdlinger Pfarrkirche. Während meines Studiums in Würzburg leitete ich von 1982 bis 1985 den Nüdlinger Kirchenchor und von 1984 bis 1985 auch den Chor in Bad Bocklet.
Meinen Eltern bin ich sehr dankbar, weil sie mir trotz der vielen Arbeit in der Landwirtschaft genügend Freiraum für Schule und Musikausbildung ließen und mich in meinem Bestreben, einmal Musik zu studieren, immer unterstützt haben.
Von 1981 bis 1985 haben Sie in der Hochschule für Musik in Würzburg bei Prof. Günther Kaunzinger studiert. Wie sind Sie darauf gekommen, katholische Kirchenmusik und Orgel zu studieren?
Nach erfolgreich abgelegter D-Organistenprüfung im Jahr 1977 war für mich klar, dass ich später Kirchenmusik studieren wollte. Meine Lehrer waren damals Alois Bergner (Orgel), Hans Otto Dunkelberg (Klavier) und Werner Bukowski (Liturgisches Orgelspiel).
Unmittelbar nach Absolvierung meines Wehrdienstes in Mellrichstadt im Jahr 1981 wagte ich die anspruchsvolle Aufnahmeprüfung an der Würzburger Musikhochschule und war glücklich, als ich erfuhr, dass ich bestanden hatte.
Stationen Ihres Berufslebens waren als Kantor Lohr am Main und Organist und Chorleiter an der St.-Matthias-Kirche in Berlin-Schöneberg. Wie war für Sie die Zeit in Berlin? Da haben Sie ja auch den Mauerfall direkt miterlebt.
Nach meiner Kantorentätigkeit in Lohr am Main trat ich im Oktober 1988 meine neue Stelle an der St.-Matthias-Kirche in Berlin-Schöneberg an. Zusätzlich hatte ich einen Lehrauftrag für Orgel und Theorie an der Bischöflichen Kirchenmusikschule und später auch an der Hochschule der Künste Berlin.
Berlin erlebten wir zunächst wie eine Insel, viel beschaulicher und ruhiger als nach der Wende. Bei den regelmäßigen Heimfahrten – ich wollte im Sommer 1989 noch mein Meisterklassendiplom im Fach Orgel an der Würzburger Musikhochschule ablegen – musste man an den Grenzübergängen zur Transitstrecke immer 15 bis 20 Minuten Zeit einplanen.
In den Sommermonaten drängten sich viele Berliner in den weiträumigen Parks und am Wannsee. Es war eine spannende und bewegende Zeit, den Mauerfall hautnah mitzuerleben. Von unserer Wohnung in der Nollendorf-Straße waren es gerade mal 15 Gehminuten zum Brandenburger Tor . Viele Berliner, die ich traf, hatten Tränen in den Augen und konnten es kaum glauben, dass die Mauer sie nicht mehr von Verwandten und guten Freunden im Ostteil der Stadt trennte.
Seit 1993 sind Sie Stadtkantor in Bad Kissingen . Sie sind der Nachfolger von Werner Bukowski. Wie kam es dazu?
Als im Jahr 1993 die Kantorenstelle in Bad Kissingen neu zu besetzen war, standen wir vor einer großen Entscheidung: Großstadt mit allen Vorzügen und Nachteilen oder Kleinstadt. Letztlich überwogen dann die Vorzüge der Kleinstadt und des ländlichen Raumes, die Nähe zu den Verwandten und nicht zuletzt starke Gefühle zur alten Heimat. Außerdem lockten die neue Schuke-Orgel und ein leistungsfähiger Chor.
Was gehört alles zu Ihren Aufgaben?
Das Orgelspiel bei den Gottesdiensten, die Leitung der Chorgruppen, der Unterricht von Orgelschülern und die Mitwirkung bei der diözesanen Kirchenmusikausbildung
Mit Ihrem Dienstbeginn am 1. Oktober 1993 wurde ja fast gleichzeitig die neue Schuke-Orgel für die Herz-Jesu-Stadtpfarrkirche durch Weihbischof Helmut Bauer geweiht – also auch sie feiert jetzt ihr 30-jähriges Jubiläum. Die Firma Schuke hat ja auch ihren Sitz in Berlin. Können Sie sich noch an das Einführungskonzert am 17. Oktober 1993 erinnern?
Ich kann mich sehr gut an das Einführungskonzert, die einzelnen Stücke, die ich gespielt habe, und die vielen Konzertbesucher erinnern; ebenso an den festlichen Gottesdienst zur Weihe der neuen Schuke-Orgel durch Weihbischof Helmut Bauer . Mein Vorgänger, Kreismusikdirektor Werner Bukowski, dirigierte zu seinem offiziellen Dienstende die Kantorei und ich spielte mit großer Begeisterung und Vorfreude auf meinen Dienst in Bad Kissingen die neue Orgel.
Was ist das ganz Besondere an dieser Orgel?
Das Besondere dieser Orgel ist die hervorragende Intonation durch den damaligen Intonateur der Firma Schuke Klaus Bukowski, den Bruder meines Vorgängers Werner Bukowski.
Jedes Register hat seinen ganz eigenen und unverwechselbaren Klang. Im Laufe der Jahre habe ich sehr viele Orgeln im In- und Ausland gespielt; kaum eine hat eine ähnlich charaktervolle Intonation. Auch der Prospekt, den Herr Bittcher von der Firma Schuke entworfen hat, ist überaus gut gelungen und passt ausgezeichnet in die Herz-Jesu-Kirche.
An was erinnern Sie sich ganz besonders gerne zurück in diesen 30 Jahren?
Es gibt viele schöne Erinnerungen an die festlichen Gottesdienste mit der Kantorei vor allem an Weihnachten und Ostern und innerhalb des Kissinger Sommers, an viele gelungene Konzerte innerhalb des Orgelzyklus und die großen Oratorienaufführungen im Regentenbau.
Ausgesprochen gut gelungen war in meinen Augen die Aufführung des „King Olaf“ von Edward Elgar im November 2015, an die ich mich sehr gerne erinnere.
Gab es auch einmal eine Panne?
Ja, einige Tage vor Weihnachten 2001 führten wir mit dem Orchester Musica Juventa aus Halle innerhalb des Kissinger Winterzaubers im Regentenbau das Oratorium „Der Messias“ von Georg Friedrich Händel auf. Die Hauptprobe der Chorstücke mit der Kantorei sollte bereits am Vorabend stattfinden. Am Nachmittag desselben Tages hatte aber starker und andauernder Schneefall eingesetzt. Es gab lange Staus an den Bergen des Frankenwaldes und die meisten Orchestermitglieder mussten notgedrungen in ihren Pkw auf der Autobahn übernachten.
Sie kamen erst am nächsten Vormittag in Bad Kissingen an. Wir probten den ganzen Tag die vielen Arien und Rezitative und am frühen Abend die Chorsätze. Vor allem die Orchestermitglieder waren ziemlich müde, spielten aber bei der Aufführung mit einer Begeisterung und Freude zusammen mit Solisten und Chor, dass es ein großer Erfolg wurde.
Welche Projekte stehen an?
Zunächst das Jubiläumskonzert „Musik für Geist und Seele“ am Sonntag, 1. Oktober um 19.30 Uhr in Herz-Jesu mit meiner Frau und mir an der Orgel.
Das nächste große Projekt ist ein Chor- und Orchesterkonzert am Sonntag, 29. Oktober, im Regentenbau: Im Rahmen der Städtepartnerschaft Bad Kissingen-Vernon feiern die Kantorei und der „Chorus Semper Viret“ aus Vernon ihre über 60 Jahre währende Chorfreundschaft; zudem kann die Kantorei auf ihr 75-jähriges Bestehen zurückblicken.
Zusammen mit dem Herforder Münsterchor und den Thüringer Symphonikern Saalfeld-Rudolstadt führen die etwa 200 Ausführenden Giacomo Puccinis populäre „Messa di Gloria“ und Marc Antoine Charpentiers triumphales „Te Deum“, dessen Eingangsmelodie als Eurovisionsmelodie große Berühmtheit erlangt hat, auf.
Gerade ist vieles im Bistum Würzburg im „Umbau“. Betrifft das auch Ihre Stelle als Kirchenmusiker?
Es sind Überlegungen im Gange, dass ich künftig auch im Pastoralen Raum einzelne Aufgaben übernehmen soll.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Kirchenmusik – konkret auch in der Pfarrei Herz Jesu?
Ich wünsche mir vor allen Dingen, dass die Chorarbeit in den unterschiedlichen Chorgruppen wächst und gedeiht und dass es gelingt, über die Kinder- und Jugendchorgruppen den Kontakt zur jüngeren Bevölkerung nicht zu verlieren und die junge Generation dieses tolle Bildungsangebot auch immer mehr erkennt und nutzt.
Und welche Musik hören Sie privat?
Am liebsten höre ich Orchesterkonzerte und Opernaufführungen.
Das Jubiläumskonzert
Das Konzert unter dem Motto „Musik für Geist und Seele“ innerhalb des 35. Bad Kissinger Orgelzyklus am Sonntag, 1. Oktober um 19. 30 Uhr in der Herz-Jesu-Stadtpfarrkirche steht ganz im Zeichen eines Doppeljubiläums: 30 Jahre Schuke-Orgel in Herz Jesu und 30-jähriges Dienstjubiläum von Stadtkantor Burkhard Ascherl in Bad Kissingen.
Ausführende des Konzerts sind Brigitte Ascherl (Sopran) und Burkhard Ascherl (Orgel).
Zur Aufführung gelangen Vokal- und Orgelwerke englischer und französischer Komponisten, die sich durch ihre eingängige Melodik und ausdrucksstarke Harmonik auszeichnen: Bob Chilcott (Be thou my vision, Irish Blessing), Simon Lole (O God of mercy), Robert Lowry (How can I keep from singing), Naji Hakim (Magnificat), Henry Mulet (Tu es petra), Alfred Hollins (A song of sunshine), César Franck (Choral a-Moll), Charles-Marie Widor (Allegro der 6. Symphonie) u. a.
Karten gibt an der Abendkasse ab 19 Uhr.
Warum Burkhard Ascherl in der Figur des italienischen Komponisten und Musikers Gioachino Rossini schlüpft: