zurück
Bad Kissingen
Schöffen gesucht!
Als Laien-Richter bestimmen Frauen und Männer aus dem Landkreis mit über Schicksale. Die Schöffen erleben ihre Heimat von einer völlig anderen Seite.
Foto: Carmen Schmitt       -  Foto: Carmen Schmitt
| Foto: Carmen Schmitt
Carmen Schmitt
 |  aktualisiert: 19.08.2022 00:25 Uhr
"Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus", heißt es im Grundgesetz. Die ehrenamtlichen Schöffen an der Seite eines Richters vertreten das Volk direkt. Bald wird neu gewählt. Als Laien-Richter bestimmen die Frauen und Männer objektiv und unparteilich über das Urteil. Vorsätzlich oder fahrlässig? Freispruch, Gefängnis, Bewährung? Sie sind vor allem Zuhörer und Beobachter. Schöffen aus dem Landkreis erzählen, wie sie ihr Amt verändert hat.

Sie sind seine "Ersatz-Augen und -Ohren", sagt Reinhard Oberndorfer, Direktor am Amtsgericht Bad Kissingen. Er sei "sehr dankbar", die Schöffen an seiner Seite zu wissen: "Sie bekommen manches Detail mit, das mir durch die Lappen geht." Wie reagiert der Angeklagte? Gestik, Mimik - es ist manchmal gar kein juristischer Aspekt, der der Sache einen ganz neuen Dreh gibt, erklärt Reinhard Oberndorfer.

"Ich sitze am liebsten links", sagt Gudrun Kleinhenz. Die Hammelburgerin ist Schöffin in der zweiten Amtsperiode. Von ihrem Platz zwischen Richter und Anklagebank hat sie einen guten Blick und "kann gut beobachten", erzählt sie. "Diese Dame lügt!", was auch dem Richter nicht gleich auffiel, war für sie in dem Prozess damals klar. "Sie wollte dem Angeklagten eins auswischen", erzählt sie.
"Unparteilichkeit" ist die oberste Pflicht eines Schöffen - wie die eines Berufsrichters. Unabhängig richten sie sich allein nach dem Gesetz. Sie geben ihre Stimme "nach bestem Wissen und Gewissen" ab. Ist der Angeklagte schuldig? Welche Strafe verdient er? Die Stimme der Schöffen hat den gleichen Wert wie die des hauptberuflichen Richters. Darüber wie am Ende die Abstimmung verlaufen ist, was während der Beratung besprochen wurde, herrscht Verschwiegenheit - auch nachdem ein Schöffe sein Amt beendet.

"Könnte das in meiner Kommune auch passieren?", das hat sich Matthias Klement schon das eine oder andere Mal gefragt, nachdem er aus einem Prozess herausgegangen ist. Als Jugendschöffe wird der Bürgermeister von Maßbach mit Lebensgeschichten konfrontiert, die er vor seinem Ehrenamt nur aus dem Fernsehen gekannt hat, erzählt er. Drogen, Gewalt: "Ich war überrascht, was es doch bei uns im Landkreis gibt. Man meint, hier wäre heile Welt, aber das ist es nicht."
Auch Roswitha Scheuring* (*Name geändert) wurde schnell ihrer Illusion vom beschaulichen Landleben beraubt. Die Schöffin merkt, wenn jemand lügt, sagt sie. Die Leute verhaspeln sich, werden unsicher, nervös. "Ich denke, ich mache das Richtige", sagt sei. "Vielleicht öffnet man Jugendlichen die Augen, den kriminellen Weg nicht weiterzugehen."

Maßbachs Bürgermeister Klement sitzt zudem im Jugendhilfeausschuss des Kreistags. Die Eindrücke aus seinem Ehrenamt als Jugendschöffe nimmt er mit in die Kommunalpolitik - und ins Private. "Wenn man wirklich will, kann man Hilfe bekommen." Und trotzdem: "Es sind schon Sachen dabei, die einem zu denken geben." Als Familienvater ist er sensibilisiert: "Man schaut anders auf seine Kinder", sagt Klement.

Was Doris Vogel nicht so schnell losgelassen hat, waren Verkehrsunfälle, erzählt die Schöffin. "Aber es gibt auch viele gute Ausgänge." Prozesse könnten mitunter langatmig sein, meint die Schöffin. Und trotzdem: Der Umgang mit anderen oder der Blick auf Fremde: "Ich habe viel für mich gewonnen." Sie wird demnächst 70, erzählt sie, ihre Lebenserfahrung hat ihr bei manchem Urteil geholfen.

Es ist mehr als die gute Tat für die Allgemeinheit: "Man merkt, wenn die Jugendlichen ihr Leben ändern wollen. Dann geht man mit einem guten Gefühl heim", meint Klement. Gudrun Kleinhenz sagt: "Ich will helfen. Nicht nur urteilen."

Ehrenamt Wer Schöffe ist, bekleidet ein Ehrenamt. Jeder deutsche Staatsbürger ist zur Übernahme der ehrenamtlichen Tätigkeit eines Schöffen verpflichtet. Das Amt abzulehnen geht nur unter bestimmten Bedingungen. Zahnärzte oder Hebammen müssen beispielsweise die Berufung nicht annehmen. Für ihren Einsatz können Schöffen eine Entschädigung bekommen.

Vereidigung Bevor Schöffen ihren ehrenamtlichen Dienst antreten, werden sie in einer öffentlichen Sitzung vereidigt. Der Eidschwur oder das Gelöbnis ist solange gültig wie das Ehrenamt dauert.

Wie wird man Schöffe? Schöffen werden für eine Amtsperiode von fünf Jahren gewählt. Die Wahlen für die nächste Periode vom 1. Januar 2019 bis 31. Dezember 2023 werden im Laufe des Jahres 2018 stattfinden. Bis Ende März füllen die meisten Kommunen ihre Listen. Die Schöffen werden auf Vorschlag der Gemeinden beziehungsweise der Jugendhilfeausschüsse bei den Jugendämtern von einem Wahlausschuss gewählt. Wer sich für das Amt interessiert, soll sich an seine Gemeinde oder das zuständige Jugendamt wenden. Mehr Infos gibt es im Netz unter www.justiz.bayern.de .

Wer kann nicht Schöffe werden? Nicht jeder darf das Amt eines Schöffen antreten. Ausgeschlossen - zumindest für die nächsten fünf Jahre - sind Menschen, die wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden sind. Außerdem Leute, die jünger sind als 25 Jahre oder älter als 70 Jahre und Personen, die aus gesundheitlichen Gründen für das Amt nicht geeignet sind. Der Bundespräsident etwa, die Mitglieder der Bundesregierung oder einer Landesregierung dürfen nicht Schöffe werden. Das gleiche gilt für Richter und Beamte der Staatsanwaltschaft sowie Notare, Rechtsanwälte und Polizeivollzugsbeamte sowie Beamte, die jederzeit in den Ruhestand versetzt werden können.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Bad Kissingen
Amtsgericht Bamberg
Amtsgericht Bayreuth
Amtsgericht Coburg
Ehrenamtliches Engagement
Landgericht Bamberg
Landgericht Coburg
Matthias Klement
Männer
Schicksal
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top