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Aschach bei Bad Kissingen
Schloss Aschach: Wo sich die Schätze türmen
Wenn Historiker zu Detektiven werden: Im Depot der Museen Schloss Aschach gehen Fachleute auf Spurensuche.
Christiane Landgraf weiß, welche Trachten für die Unterfranken typisch sind. Wer in die Schatzkammer des Depots will, muss sich an bestimmte Regeln halten. Foto: Carmen Schmitt       -  Christiane Landgraf weiß, welche Trachten für die Unterfranken typisch sind. Wer in die Schatzkammer des Depots will, muss sich an bestimmte Regeln halten. Foto: Carmen Schmitt
| Christiane Landgraf weiß, welche Trachten für die Unterfranken typisch sind. Wer in die Schatzkammer des Depots will, muss sich an bestimmte Regeln halten. Foto: Carmen Schmitt
Carmen Schmitt
 |  aktualisiert: 18.08.2022 18:20 Uhr

" Volkskunde " steht hinter der vier. Der Aufzug stoppt. Alle Böden sind weiß. Keines der Fenster in diesem Gebäude wird jemals geöffnet. Wer in das Türmchen unterhalb des Aschacher Schlosses rein darf, hat helle Handschuhe einstecken. Tausende kulturhistorische Schätze schlummern hier. Um herauszufinden, welche das genau sind, gehen Fachleute auf Schnitzeljagd.

Für die einen ist es nur eine leere olle Bierflasche. Simon Hörnig greift vorsichtig unter den Bügelverschluss. Seine weißen Handschuh-Hände drehen die grüne Flasche, kippen den Hals. "Brauerei Aschach" steht da.

Hinter jedem Teil steckt eine Geschichte, sagt Anna Vatteroth, die auch aus dem Auszug gestiegen ist. Was war früher? Die leere Bierflasche dokumentiert Wirtschaftszusammenhänge: Arbeitsplätze, Zulieferer ... 50 000 Objekte lagern im Depot der Museen Schloss Aschach. Gemälde, Möbel, Keramik, Gerätschaften und Utensilien, Kleidung - auf sechs Ebenen bewahrt die Schatzkammer unterfränkische Historie. Christiane Landgraf hat die volkskundliche Sammlung mit aufgebaut.

Ihr großer Stolz ist die Abteilung im dritten Stock des Depot-Turms: "Textil". Christiane Landgraf ist Bezirkstrachtenberaterin und weiß genau, welcher Trachten-Stil aus welcher Ecke Unterfrankens stammt. In riesigen grauen Schubladen liegen die bunten Schürzen , Mieder und Kleider geordnet nebeneinander. Röcke werden gerollt, Metallapplikationen dürfen nicht aufeinander liegen. Die 59-Jährige hat es auf besondere Stücke abgesehen. In den Schränken lagert mehr Festtagskleidung als Alltagskluft. "Uns fehlen Arbeitsklamotten von Männern. Die sind aufgetragen worden."

Sterbebild verrät Details

Um Aufschluss über Zeit und Ort zu bekommen, freut sich Christiane Landgraf, wenn zu einer Tracht das Sterbebild der Großmutter passt. Kollege Simon Hörnig braucht für seine Spurensuche mitunter eine gute Portion Phantasie.

Vor allem, wenn es um Küchengeräte aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts geht, erzählt er. Oder bei landwirtschaftlichen Geräten. Für ihn dreht sich bei seiner Detektiv-Arbeit vieles um Identität und Verwurzelung. Von Zeitzeugen bekommt er Hinweise und Hintergrundinformationen. Ziel ist es, die Inventar-Liste zu vervollständigen. Sein Arbeitsplatz scheint sicher. 18 000 Exemplare im Depot haben noch keinen Eintrag. Ein neuer Fall für Simon Hörnig: Um die Geschichte eines Teils zu erforschen, recherchiert der 29-Jährige in der Fachliteratur, beim Antiquitäten-Händler, in Firmenchroniken und Festschriften, bei Ebay oder er befragt Gutachter.

Im Depot ruht so manches Einzelstück, das auf seinen großen Auftritt in einem der Aschacher Schloss-Museen wartet. Andere Teile werden verliehen: Umso wichtiger, dass die Stücke genau beschrieben sind. Dazu eine Foto-Aufnahme des Stückes. Freilich perfekt ausgeleuchtet. Das große Dokumentieren soll am Ende auch darüber entscheiden, welche Sammlungen ausgebaut und welche womöglich an andere Museen abgegeben werden, erklärt Christiane Landgraf.

Hände waschen, feste Schuhe, keine Taschen: Menschen, die ins Depot wollen, müssen sich an Regeln halten. Auch neue Teile dürfen nicht so einfach in den Depot-Turm. Neuankömmlinge bleiben die ersten Wochen im Quarantäneraum. Klar: bei Holzmöbeln wichtig wegen dem Wurm. Krabbeltierchen würden aber ohnehin nicht lange unentdeckt bleiben auf dem weißen Fußboden.

Aus dem Keller ins Gemäuer

Bevor die Sammlungen in dem Gebäude untergebracht wurden, das 2006 an der Saale gebaut wurde, lagerten einige Stücke im Keller des Schlosses. "Konservatorisch bedenklich", attestiert Christiane Landgraf. In dem neuen Gemäuer ist die Luftfeuchtigkeit geregelt: höchstens 65 Prozent.

Wo sich tausende Schulbücher aus Unterfranken türmen, ist das Reich von Anna Vatteroth. Die Wirtschafts- und Sozialhistorikerin untersucht gerade, was sich im Rechenunterricht über die Jahre verändert hat. Nebenbei erfährt sie, wie sich die Erziehungsstile im Lehrerkollegium gewandelt haben. Fast nebenbei lässt sich aus der überholten Literatur für Schüler und Lehrer die große Weltpolitik herauslesen, erklärt sie. Als Historikerin will sie herausfinden: "Wie sind wir da hingekommen, wo wir heute sind?"

Groß oder klein, jedes Teil das das Depot bewahrt, ist ein Stückchen Geschichte. In den Museen werden sie für die Besucher zum Leben erweckt. Das soll eine Verbindung schaffen, erklärt Anna Vatteroth. "Wir wollen Bilder im Kopf entstehen lassen."

Eintreten und stöbern

Offen Das Volkskundemuseum und das Schulmuseum der Museen Schloss Aschach sind vom 1. April bis zum 31. Oktober dienstags bis samstags von 14 bis 17 Uhr und an Sonn- und Feiertagen zwischen 11 und 17 Uhr geöffnet. Montag ist Ruhetag. Das Graf-Luxburg-Museum macht 2020 wieder auf. Dieser Teil der Museen Schloss Aschach wird gerade umgebaut. Die Sonderausstellung in der Museumsscheune "Wenn die Alten erzählen" handelt von Dialekt und Lebensart in Unterfranken. Die ist noch bis Sonntag, 9. September, zu den gleichen Öffnungszeiten zu sehen.

 
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