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HAMMELBURG
Schießunfall: Geldstrafe für Todesschützen
Prozess Mattiza       -  Prozess im Amtsgericht Bad Kissingen über tödlichen Schießunfall bei der Bundeswehr in Hammelburg. Die Eltern des Getöteten Sven Mattiza strebten den Prozess an.
Foto: Irene Spiegel | Prozess im Amtsgericht Bad Kissingen über tödlichen Schießunfall bei der Bundeswehr in Hammelburg. Die Eltern des Getöteten Sven Mattiza strebten den Prozess an.
Redaktion
 |  aktualisiert: 22.06.2022 09:00 Uhr

(si) „Es tut mir so leid.“ Mit tränenerstickter Stimme entschuldigte sich der 23-Jährige auf der Anklagebank bei den Eltern des getöteten Sven Mattiza. Zwei Jahre nach dem Schießunfall auf dem Truppenübungsplatz Hammelburg, bei dem der 23-Jährige seinen Kameraden mit einer Pappscheibe verwechselt und erschossen hatte, musste sich der Todesschütze vor dem Jugendschöffengericht Bad Kissingen verantworten. Er wurde wegen fahrlässiger Tötung zu 1200 Euro Geldstrafe verurteilt. Für den ebenfalls angeklagten Sicherheitsoffizier der Übung gab es einen Freispruch.

    

„Wir sind enttäuscht“, lautete die erste Reaktion der Eltern des getöteten Soldaten aus Brandenburg, die als Nebenkläger auftraten und Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen wollen. Sie hatten für den Offizier einen Schuldspruch erwartet.

Blitzlichtgewitter empfing die Angeklagten im Gerichtssaal. Mit einem Lächeln ließ Feldwebel Wolfgang B. das über sich ergehen, während der inzwischen aus der Bundeswehr ausgeschiedene Todesschütze Robert H. das Gesicht in den Händen vergrub und Tränen kaum unterdrücken konnte, als er die Vorgänge vom 19. Oktober 2005 schilderte. 

 

Fotoserie
     

Es waren die letzten Tage des Jägerlehrbataillons 353 vor der Auflösung. Das Gefechtsschießen sollte noch einmal ein Höhepunkt werden. „Das macht richtig Spaß“, hatten Kameraden den damals 20-jährigen Obergefreiten Robert H. ermuntert, als dieser zum ersten Mal zu einer Gefechtsübung mit scharfer Munition beordert wurde. Tags zuvor hatte er sich beim Medizinischen Dienst vorgestellt, er wollte sich bei der Bundeswehr verpflichten. Klar, dass er da bei der Gefechtsübung glänzen wollte.

Doch der erste Vorstoß in einem Waldstück verlief nicht zur Zufriedenheit des leitenden Kompaniechefs. Die Soldaten hatten zu zögerlich auf die aufklappenden Schützenscheiben geschossen und mussten den Durchgang wiederholen. Danach ging es ins freie Feld.

In zwei Vierertrupps sollten die Soldaten versetzt vorrücken, im Wechsel von hinten sichern und von vorne auftauchende Klappscheiben beschießen. Dreimal funktionierte das, beim vierten Mal geschah das Unglück. Der Sicherheitsoffizier habe „Weg da“ gerufen, erinnert sich der Ex-Rekrut, dass der Sicherungsposten neben Mattiza wegbeordert wurde. Dass dieser Befehl erfolgte, um den in „ausgezeichneter taktischen Gefechtsposition“ verharrenden Mattiza für Lehrzwecke zu fotografieren, habe er nicht mitbekommen. „Ich dachte, die Schützenaufsicht sollte weg, weil da gleich ein neues Ziel auftaucht“, erklärt er. Robert H. feuerte seine Waffe zweimal ab. Ein Schuss traf Sven Mattiza von hinten ins Herz, er starb zwei Stunden später im Krankenhaus.

Während Robert H. noch sichtlich von dem Vorfall gezeichnet ist, lässt der Sicherheitsoffizier kaum eine Regung erkennen und ist sich auch keiner Schuld bewusst. Alle Sicherheitsvorschriften seien eingehalten worden, das Versagen eines Einzelnen könne er nicht verantworten.

Zu diesem Entschluss kam auch das Gericht. Der Sicherheitsoffizier habe durch das Wegbeordern der Schützenaufsicht nicht sorgfaltswidrig gehandelt und nicht mit einem „derartigen Fehlverhalten“ des Schützen rechnen können. Ein entscheidender Punkt war für das Gericht, dass sich die Schützenaufsicht auch nach ihrer Wegbeorderung noch in einem 30-Grad-Winkel zum Mündungsfeuer befand, in dem absolutes Schießverbot besteht.

Umgekehrt sah das Gericht eine Verletzung der Sorgfaltspflicht beim Todesschützen. Denn er hätte vor der Schussabgabe erst sein Ziel überprüfen müssen. Der Schuldvorwurf sei jedoch im unteren Bereich anzusetzen, sagte der Richter.

Noch im Gerichtssaal kündigte der Anwalt der Nebenklage an, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen. Der Freispruch für den Sicherheitsoffizier widerspreche der Einschätzung des Oberlandesgerichts (OLG) Bamberg, das auf Betreiben der Eltern des getöteten Sven Mattiza der Staatsanwaltschaft die Anklage befohlen hatte, nachdem die Ermittlungen eingestellt worden waren. Das OLG war zum Ergebnis gekommen, dass der Befehl des Sicherheitsoffiziers die verhängnisvollen Folgen der Übung ausgelöst hat. „Hätte die Schützenaufsicht ihren Platz nicht verlassen, wäre es nicht zu dieser Verwechslung gekommen“, so das OLG.

        
 
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