Der Mutterkonzern wankt, für den Standort Hammelburg mit aktuell 155 Beschäftigten gibt es allerdings Entwarnung: Die Saurer Technologies GmbH & Co. KG sei "durch eine Mithaftung von Schulden innerhalb der Saurer-Gruppe in eine wirtschaftliche Schieflage geraten", teilte die Beratungsgesellschaft Falkensteg mit. Die Geschäftsführung des Textilmaschinenbauers und Komponentenherstellers hat laut Pressemitteilung ein gerichtliches Sanierungsverfahren beim Amtsgericht Krefeld eingeleitet. "Wir haben in Hammelburg eine ausgezeichnete Auftragslage, und die Auftragsbücher sind bis in die ersten Monate des nächsten Jahres voll", betont jedoch Jörg Spahlinger, Geschäftsleiter am Standort Hammelburg .
"Auch darüber hinaus konnten wir schon viele Aufträge gewinnen. Deshalb produzieren wir derzeit in drei Schichten und Kurzarbeit ist bei uns kein Thema", ergänzt Spahlinger auf Nachfrage dieser Redaktion. Die Arbeitsplätze der 155 Beschäftigten in Hammelburg seien sicher. Das zeigt auch ein Blick auf die Investitionen in den Standort: 2019 wurde eine neue Schleifmaschine aufgebaut, im Herbst 2020 meldete Saurer für Hammelburg trotz Corona-Pandemie eine weitere Investition von rund 800 000 Euro. An diesen Plänen ändere sich auch nichts, betont Spahlinger. Auch die Ausbildung laufe unverändert weiter, im Herbst würden neue Mitarbeiter kommen. "Ich bin besonders stolz auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserem Werk, die trotz der Nachricht über die Eigenverwaltung hochmotiviert sind und den weiteren Weg mitgehen wollen", freut sich Spahlinger.
Das Amtsgericht Krefeld habe dem Antrag für ein Eigenverwaltungsverfahren sofort stattgegeben, heißt es von der Beratungsfirma Falkensteg. "Die wirtschaftliche Krise ist nur durch einen externen Umstand ausgelöst worden", erklärt Geschäftsführer Alexander Wenger den Antragsgrund. "Die Saurer Technologies hat ihre Hausaufgaben bei der Transformation bereits hervorragend umgesetzt. Wir sind kein Restrukturierungsfall, sondern gut für die Zukunft aufgestellt", ergänzt Geschäftsführer Christof Böddeker. Der Geschäftsbetrieb, die Produktion und Lieferung an die Kunden laufen laut der Presse-Mitteilung uneingeschränkt weiter. Die Geschäftsführung bleibe im Eigenverwaltungsverfahren im Amt und gestalte die finanzielle Sanierung maßgeblich mit.
Die rund 590 Mitarbeitenden an den Standorten in Krefeld (185 Mitarbeitende), Münster (195), Hammelburg (155) und Kempten im Allgäu (55) seien über das Verfahren ausführlich informiert worden. "Für maximal drei Monate übernimmt nun die Agentur für Arbeit über das Insolvenzgeld die Löhne und Gehälter", teilt das Unternehmen mit. Danach trage das Unternehmen wieder selbst die Zahlungen an die Mitarbeitenden. Ein Arbeitsplatzabbau unternehmensweit sei nicht vorgesehen.
In dem Eigenverwaltungsverfahren werde Saurer Technologies von der Unternehmensberatung Falkensteg aus Düsseldorf begleitet. Weiterhin unterstütze Tillmann Peeters als Generalbevollmächtigter die Geschäftsführung. "Wir werden die bisherigen Maßnahmen forcieren und auf die Gruppensituation abstimmen. Ich gehe von einer erfolgreichen Umsetzung des Verfahrens aus", erklärt Peeters. Darüber hinaus übernehme ein Team um Rechtsanwältin Sandra Pfister, Partnerin der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek, die rechtliche Beratung in der Eigenverwaltung.
Saurer Technologies nutze das Eigenverwaltungsverfahren, um die externen Krisengründe zu beseitigen. Der Sachwalter prüfe die wirtschaftliche Lage des Unternehmens und stelle sicher, dass den Gläubigern im Verfahren keine Nachteile entstehen. Das Amtsgericht Krefeld bestellte Dr. Jan-Philipp Hoos von der Kanzlei White & Case als vorläufigen Sachwalter.
In Krefeld entwickelt, produziert und vertreibt Saurer Technologies Zwirnmaschinen und Zwirnsysteme für Stapelfaser-, Teppich- und Glasfilament-Garne. Das Unternehmen ist aus dem Zwirnmaschinen-Hersteller Allma sowie Volkmann hervorgegangen und gehört seit 1990 zur Schweizer Saurer-Gruppe, einem der weltgrößten Textilmaschinenkonzerne. Am Standort Münster werden elastomere Produkte für Spinnmaschinen entwickelt und hergestellt. Hammelburg ist auf die Entwicklung und Fertigung von Komponenten für Chemiefaseranlagen spezialisiert.
Neben den rund 90 Mitarbeitern in der Fertigung setzt das Hammelburger Werk auf eine Entwicklungsabteilung mit rund einem Dutzend Beschäftigten, die Prototypen bauen und individuelle Lösungen für Kunden entwickeln. Mit Produkten wie extrem platzsparenden Lagern oder Walzen mit einer Außenrolle aus Carbon zur Verarbeitung von Folien besetze das Saurer-Werk eine Marktnische. Wichtigstes Produkt bleiben aber so genannten Friktionsscheiben mit dem Markennamen "Temco" zur Behandlung von Fasern: Sieben Millionen davon werden jährlich in Hammelburg produziert.
Zur Info
Saurer Werk Hammelburg
Geschichte In den 1970er Jahren hatte das damalige FAG-Werk Hammelburg bis zu 750 Mitarbeiter . Spanische Gastarbeiter waren auf dem Werksgelände in Holz-Baracken untergebracht. 1990 wurde die "Temco-Textilkomponenten" gegründet, die Ende der 1990er Jahre mehrfach verkauft wurde. 2005 meldete der Betrieb Insolvenz an, von 168 Mitarbeitern blieben nur 65 übrig. 2006 ging das Werk bereits an eine Gruppe mit dem Namen "Saurer", 2007 weiter an " Oerlikon ". Seit 2013 gehört das ehemalige FAG-Werk nun zur "Saurer"-Gruppe.
Mutterkonzern Die Saurer Gruppe ist nach eigenen Angaben "ein führendes, weltweit agierendes Technologieunternehmen mit Fokus auf Maschinen und Komponenten zur Garnherstellung". Sie gehört zur chinesischen Jinsheng-Gruppe und besteht aus zwei Segmenten: "Spinning Solutions" bietet automatisierte Lösungen für die Faser-Verarbeitung vom Ballen zum Garn an. "Saurer Technologies" hat sich auf Zwirn- und Sticklösungen sowie Engineering- und Polymerlösungen spezialisiert. Nach Firmenangaben hat das Unternehmen einen Jahresumsatz von mehr als 1,1 Milliarden Euro und beschäftigt rund 4700 Mitarbeiter an Standorten in Europa, Asien und Amerika. Weitere Infos unter www.saurer.com . rr