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Sulzthal
Samen tauschen für mehr Artenvielfalt
Tomaten gibt es nicht nur in rot: Lena Halbig will mit ihrem "Samentauschkästla" alte Sorten erhalten und für mehr Vielfalt im Garten sorgen. Zudem soll ein Bewusstsein fürs Artensterben geschaffen werden.
Lena Halbig recht Bienenweide-Samen in die Erde. Sie zieht das Saatgut teils selbst und bietet es in ihrem 'Kästla' zum Tausch an.  Foto: Ronald Rinklef       -  Lena Halbig recht Bienenweide-Samen in die Erde. Sie zieht das Saatgut teils selbst und bietet es in ihrem 'Kästla' zum Tausch an.  Foto: Ronald Rinklef
| Lena Halbig recht Bienenweide-Samen in die Erde. Sie zieht das Saatgut teils selbst und bietet es in ihrem "Kästla" zum Tausch an. Foto: Ronald Rinklef
Markus Klein
 |  aktualisiert: 17.08.2022 08:40 Uhr

In der angenehm warmen Sonne gräbt Lena Halbig die Erde in dem 25 Quadratmeter großen Garten nahe Gaustadt um, den sie zusammen mit einer Freundin gepachtet hat. Denn der kleine Balkon ihrer Innenstadt-Wohnung geriet in der vergangenen Saison mit alleine zwölf Paprika- und sechs Tomatenpflanzen an seine Grenzen.

Die Förderlehrerin mit dem Grünen Daumen sät eine Bienenweide-Samenmischung aus und recht sie in die weiche Erde. Später sollen unter anderem drei verschiedene Kürbis-Sorten, zwei Sorten Karotten und unterschiedliche Bohnen dazukommen. Einen genauen Plan hat die 28-Jährige noch nicht. "Richtig schön bunt soll es werden", ist das vorrangige Ziel. Nicht nur in ihrem, sondern in möglichst vielen Gärten . Und so kam sie vor zwei Jahren auf ihre nachhaltige Idee: das Samentauschkästla.

Oft bleibt was übrig

Dabei handelt es sich um einen liebevoll gestalteten Karton mit fünf Fächern für verschiedenes Saatgut, der seit Montag die nun dritte Saison im Unverpackt-Laden in Bamberg und in einer Bäckerei in Halbigs Heimatort Sulzthal steht. "Oft gibt es nur große Packungen Saatgut und es bleibt etwas übrig", weiß die Hobbygärtnerin. Wer also zu viel hat, der steckt sie ins Kästla. Wer Samen benötigt, bedient sich einfach.

"Lena hat uns angeschrieben und wir fanden die Idee richtig cool", sagt Theres Gerischer, die den Unverpackt-Laden mit ihrer Schwester betreibt. "Das Kästla wird auch richtig gut angenommen. Es haben vergangene Woche schon Leute gefragt, wann es wieder da ist." Eine Frau habe sogar ihre Telefonnummer hinterlassen und um Rückruf gebeten, sobald es wieder Samen zum Tauschen gibt.

Buntes Gemüse

Halbig will mit ihrer Idee aber nicht nur den Tausch ermöglichen, sondern auch etwas für die Umwelt tun - nämlich alte Sorten und die Artenvielfalt erhalten. Denn die seien bedroht: "Es gibt zum Beispiel Tomaten und Karotten in ganz vielen Farben. Aber im Supermarkt sieht man meist nur die rote Tomate und die orangene Karotte." Auch etwa Bamberger Hörnla und Bamberger Rettich schaffen es nur selten ins Lebensmittelregal. Und auch die lila Buschbohne, die Halbig in ihrem Garten pflanzen will, ist eine alte Sorte, die kaum noch verbreitet ist.

Grund sei die Agrarindustrie : Die setzt vor allem auf "F1-Hybride". Diese Samen entstehen durch Inzucht. Aus den Samen der daraus gewachsenen Pflanzen kann keine neue entstehen. Sie können nur durch bestimmte Züchter weitervermehrt werden - was einen jährlichen Nachkauf für die Bauern unumgänglich macht.

Arten gehen verloren

"Die Hybride haben schon auch Vorteile: Die Pflanzen wachsen schneller und sind ertragreicher", erklärt Halbig. "Aber wenn viele Kleinbauern nur wenige Sorten bei wenigen großen Agrarkonzernen kaufen können, gehen immer mehr Arten verloren. Das kann man zumindest kritisch hinterfragen."

Ganz anders verhält es sich beim sogenannten samenfesten Saatgut. Aus Pflanzen, die daraus entstehen, lassen sich wieder neue Samen ziehen. Vielfalt im Garten kann zudem gegen Schädlinge helfen: "Der Mehltau-Pilz ist zum Beispiel ein weit verbreiteter Schädling bei Gurken", so Halbig. Basilikum, Schnittlauch oder andere stark riechende Kräuter würden den Befall aber ein wenig abhalten. Auch Mais, Kürbis und Bohnen zusammen zu pflanzen, biete sich an: "Der Kürbis bedeckt den Boden und sorgt damit für weniger Unkraut. Der Mais dient als Stützhilfe, an dem die Bohnen wachsen können."

Mit ihrem Samentauschkästla will Halbig einen kleinen Beitrag zum Schutz der Arten leisten: "Wenn viele Gärtner in der Region samenfestes Saatgut nutzen und tauschen, wäre schon ein kleiner Schritt getan." Das Kästla soll für die nötige Aufmerksamkeit sorgen: "Wenn es einfach da steht, läuft man vielleicht zehn Mal vorbei. Aber irgendwann schaut man es sich vielleicht auch mal näher an", so ihr Gedanke.

Vielfalt erleben

Halbig hatte schon als kleines Kind ihr eigenes Beet im Garten der Eltern in Sulzthal . Beim Beackern half ihr vor allem ihr Opa. "Ich habe alles wild durcheinander gesät. Aber irgendwie ist immer etwas gewachsen", erzählt Halbig. Trotz ihres Umzugs nach Bamberg ist sie beim Gärtnern geblieben und hat sich dabei immer mehr informiert.

Früher hat sie die Samen meist im Supermarkt oder Garten-Center gekauft. Nun vermehrt sie diese teilweise selbst, "bei Blumen oder Paprika ist das relativ leicht". Sie kauft aber auch noch samenfestes Saatgut zu. "Bei Karotten oder Radieschen wüsste ich auch gar nicht, wie man das selber macht", gesteht sie. Man lernt nie aus.

Zudem gebe es durchaus unterstützenswerte Saatguthersteller. Den Garten bei Gaustadt beackert sie in dieser Saison zum ersten Mal. Gemeinsam mit ihrer Freundin - und auch deren sechsjährigem Sohn, der Halbigs Patenkind ist. "So kann er eine Vielfalt erleben, die mir erst nach vielen Jahren bewusst geworden ist."

 
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