Peter Koch fehlten die Worte, als er am Montag, 17. Juli, an seinen Arbeitsplatz oberhalb von Riedenberg zurückkehrte. Die hinteren Reifen seines Harvesters, einer Maschine zum „Ernten“ von Bäumen, waren zerstochen, oder besser: zerbohrt. Schwerer als der Schaden wiegt der Ausfall des Gerätes für den Forstbetrieb Bad Brückenau . Das hat mit dem Borkenkäfer zu tun.
Koch arbeitet für den Forstbetrieb Dreps, der weit entfernt, in Lichtenau-Blankenrode bei Paderborn seinen Sitz hat. Doch weil der Waldarbeiter in Bad Soden-Salmünster lebt, hat er es nicht weit bis in die Rhön, um Arbeiten für den Forstbetrieb auszuführen.
Eine kleine Pfütze und ihre Folgen
Als er an jenem Montag im Juli seine Arbeit beginnen will, entdeckt der Osthesse erst eine Pfütze unterm Tank, dann ein Rinnsal an der Felge eines der hinteren Reifen. Die Flüssigkeit entpuppt sich als Salzwasser (anders als gewöhnliche Autoreifen sind die von Harvestern nicht mit Luft, sondern damit gefüllt). Jemand muss am Wochenende zuvor den Gummi angebohrt haben – und zwar an beiden Hinterreifen, wie sich herausstellt.
Harvester extra weit weg gestellt
So etwas hat Koch in 25 Berufsjahren nicht erlebt, nur von Kollegen gehört, die von Sabotage betroffen waren. Dabei hatte er den Harvester extra weit weg von Wanderwegen, an der Grenze zum Truppenübungsplatz, abgestellt. „Ich hätte nicht in der Welt darauf getippt, dass dort überhaupt jemand vorbeikommt.“
Keine spontane Tat
Ein Irrtum. Der oder die Täter müssen einen Akkubohrer oder ähnliches mitgebracht haben. Sonst hätten sie das dicke Profil der Reifen kaum durchstoßen.
Für Peter Koch bedeutet die Sabotage zunächst jede Menge logistischen Aufwand. Den fahruntüchtigen Harvester einfach aufbocken und die Reifen abziehen, ist schwierig. Die Pneus wiegen eineinhalb bis zwei Tonnen.
Mithilfe der Kollegen von der Rücke-Kolonne gelingt es, die Maschine mit Holz zu unterlegen und die Reifen frei und entlastet zu bekommen.
Nun kommt ein regionaler Reifenhandel ins Spiel. Von dort heißt es: Die jeweils 4500 Euro teuren Reifen müssen nicht komplett ersetzt, sondern können repariert werden. Mittels Vulkanisierung werden die Löcher verschlossen.
Eine Woche Reparaturarbeiten
Dennoch: Es dauert eine ganze Woche, bis der Harvester wieder einsatzfähig ist. Tage, die dem Forstbetrieb Bad Brückenau und Leiter Michael Kutscher fehlen. Denn: Der Borkenkäfer frisst den Forstleuten die Fichten unter den Augen weg.
„Wir haben enormen Druck. Es geht darum, die Fichte mittelfristig hier zu halten“, sagt Kutscher. Ein Ziel, das er mit einem dicken Fragezeichen versieht.
Forstbetrieb unter Druck
Doch damit die Aufgabe nicht von Beginn an hoffnungslos erscheint, müssen die befallenen Stämme schnell geerntet und aus dem Wald entfernt werden – ehe der Käfer weitere Bäume befällt.
Im Grunde haben die Forstleute nur vier Wochen Zeit für diese „zwangsbedingte Entnahme“, wie Kutscher es im Fachjargon nennt. Dies sei die Zeit von der Begattung bis zum Ausflug des fertigen Insektes. Ein Harvester schafft pro Woche nach Kutschers Angaben 400 bis 450 Festmeter Holz. Fällt das Gerät in dieser Zeit aus, wirft einen das weit zurück.
Der Forstbetrieb Bad Brückenau ist für insgesamt 16.500 Hektar Wald rund um die Kurstadt und im Landkreis Rhön-Grabfeld zuständig. Neun Harvester sind derzeit verteilt auf die acht Forstreviere im Einsatz.
Die Zahlen sprechen für sich
20.000 Festmeter befallenes Holz haben die Maschinen laut dem Betriebsleiter seit Beginn des Geschäftsjahrs am 1. Juli eingebracht. Nächstes Jahr um dieselbe Zeit werden es wohl 60.000 Festmeter sein. Oder noch mehr. Das hängt laut Kutscher davon ab, wie trocken das Frühjahr 2024 wird. Das in diesem Jahr war optimal für den Borkenkäfer .
Das Ergebnis der Erntearbeit lässt sich derzeit an manchen Wegen bewundern: in Form von großen Stapeln an Fichtenstämmen. Am „Schutzheiligen“ nahe der A7 bei Volkers hat der Forstbetrieb Bad Brückenau einen solchen Lagerplatz für 4000 Festmeter eingerichtet; aber auch bei Stangenroth und sogar im Bad Kissinger Stadtgebiet gibt es welche.
500 Meter Sicherheitsabstand
Der benachbarte Forstbetrieb Hammelburg unterhält unter anderem Lagerstätten nahe Unterleichtersbach und Schwärzelbach.
Kriterium für diese Plätze ist, dass sie mindestens 500 Meter vom nächsten Fichtenbestand entfernt liegen. Weiter fliegen Borkenkäfer in der Regel nicht – was einige Experten anzweifeln.
Auf diesen Plätzen stapeln sich vor allem Stämme, in denen der Käfer noch hockt, deren Rinde sich noch nicht abgelöst hat. Wo das bereits der Fall ist, heißt es: ab ins Sägewerk. Wenn dort überhaupt Kapazitäten frei sind. Das letzte Mittel, Schädlingsvernichtung per Pestizid, möchte Kutscher im Sinne der „sauberen Waldwirtschaft“ vermeiden.
Wenig Hoffnung auf Erfolg
Bisher haben die Ermittlungen zur Harvester-Sabotage nichts erbracht. Die Polizei machte von Anfang an wenig Hoffnung auf Erfolg, sagen der Betriebsleiter und Peter Koch . Wer die Täter waren, darüber können sie nur spekulieren: Leute, die etwas gegen die Nutzung von Wald haben vielleicht. Oder zumindest gegen den Einsatz von Maschinen und das Zerfahren von Wegen. Eine spontane Tat eines möglicherweise verärgerten Wanderers schließen beide aus.
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