
SPD und Grüne zeigen sich schockiert über das Abstimmungsverhalten der Unionsparteien zum Antrag des "Zustrombegrenzungsgesetzes". Mit den Stimmen der AfD hat der Antrag von Union-Fraktionschef Friedrich Merz eine Mehrheit bekommen. Sabine Dittmar aus Maßbach ist Parlamentarische Staatssekretärin und Gesundheitspolitische Sprecherin der SPD . Sie hat auf der Regierungsbank während der Debatte und der Abstimmung gesessen.
Frau Dittmar, wie geht es Ihnen seit der Abstimmung gestern?
Ich habe eine sehr schlechte Nacht hinter mir. Alle in der SPD waren wie paralysiert. Ich glaube, dass das ein Tag war, der in unsere Geschichte eingehen wird, leider nicht im guten. Ich saß auf der Regierungsbank, als das Ergebnis verlesen wurde. Die AfD feixte ob des Ergebnisses, die Union machte den Eindruck, dass sie mit dem Erfolg auch nicht recht umzugehen wussten – ich sah nur bedröppelte Gesichter. Mir ist die Sprache weggeblieben, ich war fassungslos und kam lange nicht zur Ruhe. Dass es zu einem solchen Tabubruch kommen konnte, will mir noch nicht in den Kopf.
Dabei haben sich sogar die Kirchen im Vorfeld positioniert und gewarnt, dass die Demokratie massiv Schaden nimmt, wenn das politische Versprechen aufgegeben wird, keine Abstimmungen herbeizuführen, in der die Stimmen der AfD ausschlaggebend sind.
Ich bin ein nicht aktives Kirchenmitglied, aber die Werte der Kirche decken sich mit meinen persönlichen Werten. Ich war gestern beiden Kirchen sehr dankbar, dass sie sich so positioniert haben. Und Hut ab vor Kanzlerin a.D. Angela Merkel , dass sie die Parteiräson nicht eingehalten hat und Friedrich Merz öffentlich scharf für sein Vorgehen kritisiert hat. Und ich sage auch, dass die geschätzten Kolleginnen der Union, die nicht an der Abstimmung teilgenommen haben, obwohl sie anwesend waren, es hätten verhindern können, wenn sie mit Nein gestimmt hätten.
Was fürchten Sie jetzt für die deutsche Politik?
Ich habe Sorgen. Wenn du den Rechten die Tür nur einen Spalt aufmachst, dann kriegst du die Tür nicht mehr zu. Die Geister, die Merz gestern gerufen hat, kriegt er nicht mehr los.
Ist es richtig, was Dorothee Bär sagt: Wäre die SPD vollständig gewesen, wäre der Antrag nicht durchgegangen? Sieben SPD-Abgeordnete hätten gefehlt. Wenn die dagegen gestimmt hätten, wäre der Antrag verloren worden.
Das ist eine Unverschämtheit. Eine meiner Kolleginnen musste gestern beispielsweise ihren Vater beerdigen, ein Kollege wurde Vater und war bei seiner Familie. Zu erwarten, dass die SPD mit der Union einem rechtswidrigen Antrag zustimmt, so dass es auf die Stimmen der AfD nicht angekommen wäre, ist an Zynismus nicht zu überbieten. Wenn Frau Bär aber darauf spekuliert hat, dass der Antrag verloren geht, hätte sie selbst in ihrer Fraktion mit dafür sorgen müssen, dass dieser gar nicht erst gestellt wird.
Fassen Sie doch noch mal bitte die Gründe zusammen, weshalb Sie nicht mit der Union stimmen?
Die SPD wird das Grundrecht auf Asyl nicht antasten. Der Antrag der Union ist weder mit dem Grundgesetz, noch mit EU-Gesetzen zu vereinbaren. Wenn es da heißt, dass es eine sofortige Abschiebehaft für alle Ausreisepflichtigen geben wird, dann heißt das auch für die Geduldeten, dass sie in eine Zelle müssen. Da wird beispielsweise die Gastronomie aufschreien, sind es doch gerade die Geduldeten, die dort in Mini-Jobs tätig sind. Und was, wenn die Herkunftsstaaten die Bürger nicht zurücknehmen? Es ist alles unausgegoren, was da drin steht. Was machen wir denn mit den Kindern? Auch ins Gefängnis? Die Union hat uns den Antrag zugemailt mit Bitte um Prüfung und Zustimmung. Da war ja nicht mal eine Debatte vorgesehen. In der hätten wir vieles klären müssen. So funktioniert Politik nicht.
Ein Beispiel?
Dass die Bundespolizei künftig Haftbefehle beantragen können soll. So etwas zeigt von absoluter Unkenntnis unseres Rechtsstaates. Den beantragt immer noch der Staatsanwalt, wird von einem Richter ausgestellt und von der Polizei ausgeführt. Worauf wir uns verständigen könnten: dass die Bundespolizei mehr Befugnisse erhalten soll.
Unions-Fraktionsvorsitzender Friedrich Merz beruft sich auf einen Notstand. Sehen Sie den als gegeben?
Nein, wir haben keinen Notstand in Deutschland. Natürlich muss vieles schneller gehen. Wären bei den letzten Anschlägen von allen zuständig Beteiligten die geltenden Gesetze konsequent angewandt worden, wären die Verbrechen zu verhindern gewesen– diese Fehler müssen aufgearbeitet werden.
Was in der Debatte unter den Tisch fällt: Nach der Tat von Aschaffenburg reagierte Merz mit dem Antrag. Jedoch: Die Täter von Aschaffenburg und Magdeburg sind psychisch krank.
Wir können davon ausgehen, dass viele Flüchtlinge, die zu uns kommen, von ihrer Flucht oder von den Fluchtursachen traumatisiert sind. Diese Menschen brauchen nicht nur ein paar Tabletten. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass diese Menschen psychiatrisch betreut werden; dass sie Betreuer erhalten; dass die Polizei in ihren Kontrollen nicht nachlässt. Unsere Integrationsmaßnahmen mussten wir gerade gegenüber der christlichen Partei hart erkämpfen. Dort heißt es: Sprachkurse, Integrationsmaßnahmen begünstigen nur den Pull-Effekt, also dass Deutschland zu einem begehrten Einreiseland werde.
Die Maßnahmen, die die Ampel in den vergangenen Monaten unternommen hat, tragen bereits Früchte.
Stimmt. Die Abschiebungen haben um über 20 Prozent zugenommen und es wurden 30 Prozent weniger Asylanträge gestellt. Aber um irreguläre Migration besser in den Griff zu bekommen, braucht jede Politik Zeit.
SPD-Fraktionsvorsitzender Rolf Mützenich sagt, die Lebensader der Demokratie sei beschädigt worden, er fürchtet deren Durchtrennung: „Verzichten Sie auf den Gesetzentwurf morgen. Er wird das, was gestern passiert ist, noch viel stärker öffnen.“
Das wäre das einzig Kluge.
Meinen Sie, er lässt sich umstimmen?
Ich glaube nicht. Vielleicht hilft Merkels öffentliche Schelte, das werden wir sehen. Bislang allerdings sehe ich keine Änderung der Tagesordnung. Aber es wäre ein gutes, ein kluges Signal. Denn man muss ja in irgendeiner Form nach der Wahl auch Koalitionen mit anderen demokratischen Parteien finden – da sollte man vorher überlegen, wie man agiert.
Wir haben doch die Not, dass nix mehr voran geht!
Gegenfrage: Warum stimmt denn die SPD nicht auch zu?
Im ZDF zeigte man gestern, dass 65% der Wähler hinter Merz und seinen Vorschlägen steht. Dann ist doch SPD, Grüne etc. eine "Verhinderungsgruppe", oder?
Was sollen die Tränen? Warum ist die SPD dagegen? Warum kann der Bundestag nicht auch "EINSTIMMIG" entscheiden wie es in jeder Gemeinde ist?
Scholz wird nie mehr Kanzler...kann sich wahrscheinlich nächster Jahr gar nicht mehr daran erinnern..
Und die SPD??? Erreichen sie bald die 5%??
Ganz nach Trump Manier: "Ich werde im Fall meiner Wahl zum Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland am ersten Tag meiner Amtszeit das Bundesinnenministerium im Wege der Richtlinienkompetenz..."
Ob man es für richtig hält, oder nicht. Nein, er konnte nicht abwarten, er wollte noch ein paar Stimmen am rechten Rand abgreifen.
Herr Heil: SPD, gemacht hat sie nix. ???
Da sind sie aber nicht ganz auf dem Laufenden.