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Bad Kissingen
Russisch-orthodoxe Christen feiern die Zarenfamilie
Vor 400 Jahren, 1613, übernahm die russische Adelsfamilie Romanow die Zarenherr- schaft. Dieses Jubiläum nutzte die russisch-orthodoxe Kirche in Bad Kissingen zum Feiern.
In Bad Kissingens russisch-orthodoxer Kirche ist in dieser Woche nicht nur der Tag des Patrons Sergius gefeiert worden.       -  In Bad Kissingens russisch-orthodoxer Kirche ist in dieser Woche nicht nur der Tag des Patrons Sergius gefeiert worden.
| In Bad Kissingens russisch-orthodoxer Kirche ist in dieser Woche nicht nur der Tag des Patrons Sergius gefeiert worden.
Angelika Luga-Braun
 |  aktualisiert: 21.08.2022 05:00 Uhr
Alles begann mit der "Panchida", einem Gedenken an die verstorbenen Vertreter der Romanow-Dynastie. Bischof Agapit zelebrierte mit den Gläubigen einen Gottesdienst. Er ist Bischof von Stuttgart, gehört zur Jurisdiktion der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland und ist Vikar der Diözese des orthodoxen Bischofs von Berlin und Deutschland, ein hoher Repräsentant also; an sich hätte sogar der höchste, Erzbischof Mark kommen sollen, hatte aber wegen bedeutender Verpflichtungen absagen müssen.

Die Präsenz hoher Geistlichkeit wertete der Priester vor Ort, Alexej Lemmer, als Zeichen dafür, dass die kleine russische Gemeinde im Kurort Bedeutung innerhalb der russisch-orthodoxen Kirche im Ausland hat. Kein Wunder also, dass auch sie die Dynastie der Romanows bis heute hoch hält, ehrt und feiert.

Ein weiterer Grund dafür liegt auch in der Tatsache, dass die Geschichte der russischen Kirche in Bad Kissingen eng verknüpft ist mit der Zarenfamilie. Die Kirche selbst ist dem Sergius von Radonesch gewidmet. Bereits 1856 plante man, Zar Alexander II. anlässlich seines Kurstadt-Besuches ein Grundstück für eine Kirche zu schenken.

Doch der Besuch kam nicht zustande. Erst die Kuraufenthalte von Zar Alexander II. und Familie 1864 und 1868 und die Schaffung der Eisenbahnlinie mit dem Anschluss Bad Kissingens 1871 lockten verstärkt Russen ins "Weltbad", sodass der Bau einer russisch-orthodoxen Kirche geboten war. "Es war die russische Mittelschicht, die hier kurte", hatte der Vorsitzende der Vladimir-Bruderschaft, Dimitrij Rahr, berichtet, "während der Hochadel schon damals Baden-Baden oder Bad Ems vorzog."

Realisierung binnen vier Jahren

1897 wurden unter Leitung von Erzpriester Alexej Maltzew (1854 bis 1915), Vorsteher der russischen Botschaftskirche in Berlin, Spenden zur Finanzierung einer Kirche gesammelt. Im selben Jahr erwarb man das Grundstück für 8000 Mark und zwei Jahre später für weitere 2400 Mark eine Erweiterung: "Die Kirche sollte ja immer gesehen werden", so Rahr. Die Grundsteinlegung erfolgte am 20. Juli 1898, die Weihe am 18. Juli 1901. Diese Kirche des Sergius von Radonesch wurde zu Ehren der Krönung Kaiser Nikolaus II. erbaut, woran eine Gedenktafel im Inneren erinnert.

Viele folgten dem Zar zur Kur

Etliche Angehörige des russischen Herrscherhauses besuchten die Kirche während ihrer Kur: 1903 und 1911 etwa Großfürst Pawel Alexandrowitsch mit seiner Frau Fürstin Palej und Sohn Fürst Wladimir Palej oder 1910 und 1913 Großfürst Georgij Michajlowitsch, 1909 und 1913 Großfürst Michail Alexandrowitsch, 1910 Großfürstin Xenia Alexandrowna mit ihrem Gatten Großfürst Alexander Michajlowitsch.

In dieser Zeit zwischen 1874 und 1914, dem Ausbruch des 1. Weltkriegs, waren 92.000 sonstige Russen in Bad Kissingen zur Kur und viele von ihnen auch Kirchenbesucher gewesen, hat Hilla Schütze, Bad Kissingens frühere Kulturreferentin, herausgefunden. Während des Krieges 1914 bis 1918 war die Kirche zu und zwangsverwaltet. Im Juni 1921 fand der erste Gottesdienst nach der Revolution statt. 1933 und 1934 weilte Großfürst Boris Wladimirowitsch in der Kurstadt, 1945 Großfürstin Kira Kirillowna mit ihrem Gatten Prinz Louis Ferdinand von Preußen (1907 bis 1994), und 1951 Fürstin Vera Konstantinowna, die langjährige Vorsitzende der Vladimir-Bruderschaft. Diese ist bis heute die Trägerin der Kirche.

1944 bis 45 war das zur Kirche gehörende Pfarrhaus überfüllt mit russischen Flüchtlingen, darunter viele Priester mit ihren Familien. Der damalige Vorsteher der Kirche, Erzpriester Alexander Bogatschew, selbst gezeichnet von Gefangenschaft und Gestapohaft, machte sich durch seine unermüdliche Hilfe für die Flüchtlinge einen Namen. Sein Grab befindet sich bis heute auf dem Parkfriedhof.

Seit Mitte der 1990er Jahre ist in der Kirche an der Salinenstraße 20 wieder eine ansehnliche Gemeinde vor allem aus Spätaussiedlern entstanden. Sie untersteht in kanonischer Hinsicht der Deutschen Diözese der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland und ist Eigentum und Vereinssitz der Bruderschaft des heiligen Fürsten Vladimir. 2009 gründeten Kissinger einen Förderverein, der die Bruderschaft beim Erhalt des Gotteshauses unterstützt, etwa mit Benefizkonzerten. Der junge Ortsgeistliche Alexej Lemmer betreut sie zusammen mit anderen Gemeinden. Immer dienstags, freitags, samstags und sonntags von 14 bis 16 Uhr ist das orthodoxe Gotteshaus für Besucher geöffnet.
Vor 400 Jahren, 1613, übernahm die russische Adelsfamilie Romanow die Zarenherr-
schaft. Dieses Jubiläum nutzte die russisch-orthodoxe Kirche in Bad Kissingen zum Feiern. von unserem Redaktionsmitglied 
Angelika Luga-Braun

Bad Kissingen — Alles begann mit der "Panchida", einem Gedenken an die verstorbenen Vertreter der Romanow-Dynastie. Bischof Agapit zelebrierte mit den Gläubigen einen Gottesdienst. Er ist Bischof von Stuttgart, gehört zur Jurisdiktion der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland und ist Vikar der Diözese des orthodoxen Bischofs von Berlin und Deutschland, ein hoher Repräsentant also; an sich hätte sogar der höchste, Erzbischof Mark kommen sollen, hatte aber wegen bedeutender Verpflichtungen absagen müssen.
Die Präsenz hoher Geistlichkeit wertete der Priester vor Ort, Alexej Lemmer, als Zeichen dafür, dass die kleine russische Gemeinde im Kurort Bedeutung innerhalb der russisch-orthodoxen Kirche im Ausland hat. Kein Wunder also, dass auch sie die Dynastie der Romanows bis heute hoch hält, ehrt und feiert.
Ein weiterer Grund dafür liegt auch in der Tatsache, dass die Geschichte der russischen Kirche in Bad Kissingen eng verknüpft ist mit der Zarenfamilie. Die Kirche selbst ist dem Sergius von Radonesch gewidmet. Bereits 1856 plante man, Zar Alexander II. anlässlich seines Kurstadt-Besuches ein Grundstück für eine Kirche zu schenken. Doch der Besuch kam nicht zustande. Erst die Kuraufenthalte von Zar Alexander II. und Familie 1864 und 1868 und die Schaffung der Eisenbahnlinie mit dem Anschluss Bad Kissingens 1871 lockten verstärkt Russen ins "Weltbad", so dass der Bau einer russisch-orthodoxen Kirche geboten war. "Es war die russische Mittelschicht, die hier kurte", hatte der Vorsitzende der Vladimir-Bruderschaft, Dimitrij Rahr, berichtet, "während der Hochadel schon damals Baden-Baden oder Bad Ems vorzog."

Realisierung binnen vier Jahren

1897 wurden unter Leitung von Erzpriester Alexej Maltzew (1854 bis 1915), Vorsteher der russischen Botschaftskirche in Berlin, Spenden zur Finanzierung einer Kirche gesammelt. Im selben Jahr erwarb man das Grundstück für 8000 Mark und zwei Jahre später für weitere 2400 Mark eine Erweiterung: "Die Kirche sollte ja immer gesehen werden", so Rahr. Die Grundsteinlegung erfolgte am 20. Juli 1898, die Weihe am 18. Juli 1901. Diese Kirche des Sergius von Radonesch wurde zu Ehren der Krönung Kaiser Nikolaus II. erbaut, woran eine Gedenktafel im Inneren erinnert.

Viele folgten dem Zar zur Kur

Etliche Angehörige des russischen Herrscherhauses besuchten die Kirche während ihrer Kur: 1903 und 1911 etwa Großfürst Pawel Alexandrowitsch mit seiner Frau Fürstin Palej und Sohn Fürst Wladimir Palej oder 1910 und 1913 Großfürst Georgij Michajlowitsch, 1909 und 1913 Großfürst Michail Alexandrowitsch, 1910 Großfürstin Xenia Alexandrowna mit ihrem Gatten Großfürst Alexander Michajlowitsch. In dieser Zeit zwischen 1874 und 1914, dem Ausbruch des 1. Weltkriegs, waren 92 000 sonstige Russen in Bad Kissingen zur Kur und viele von ihnen auch Kirchenbesucher gewesen, hat Hilla Schütze, Bad Kissingens frühere Kulturreferentin, herausgefunden. Während des Krieges 1914 bis 1918 war die Kirche zu und zwangsverwaltet. Im Juni 1921 fand der erste Gottesdienst nach der Revolution statt. 1933 und 1934 weilte Großfürst Boris Wladimirowitsch in der Kurstadt, 1945 Großfürstin Kira Kirillowna mit ihrem Gatten Prinz Louis Ferdinand von Preußen (1907 bis 1994), und 1951 Fürstin Vera Konstantinowna, die langjährige Vorsitzende der Vladimir-Bruderschaft. Diese ist bis heute die Trägerin der Kirche.
1944 bis 45 war das zur Kirche gehörende Pfarrhaus überfüllt mit russischen Flüchtlingen, darunter viele Priester mit ihren Familien. Der damalige Vorsteher der Kirche, Erzpriester Alexander Bogatschew, selbst gezeichnet von Gefangenschaft und Gestapohaft, machte sich durch seine unermüdliche Hilfe für die Flüchtlinge einen Namen. Sein Grab befindet sich bis heute auf dem Parkfriedhof.
Seit Mitte der 1990er Jahre ist in der Kirche an der Salinenstraße 20 wieder eine ansehnliche Gemeinde vor allem aus Spätaussiedlern entstanden. Sie untersteht in kanonischer Hinsicht der Deutschen Diözese der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland und ist Eigentum und Vereinssitz der Bruderschaft des heiligen Fürsten Vladimir. 2009 gründeten Kissinger einen Förderverein, der die Bruderschaft beim Erhalt des Gotteshauses unterstützt, etwa mit Benefizkonzerten. Der junge Ortsgeistliche Alexej Lemmer betreut sie zusammen mit anderen Gemeinden. Immer dienstags, freitags, samstags und sonntags von 14 bis 16 Uhr ist das orthodoxe Gotteshaus für Besucher geöffnet. Ermordung Die Dynastie der Romanows regierte Russland von 1613 bis 1917. Nach der Oktoberrevolution wurden der gestürzte Zar Nikolaus II., seine Frau Alexandra, Thronfolger Alexej und die Töchter Olga, Tatjana, Maria und Anastasia in Jekaterinburg (Ural) gefangen gehalten und in der Nacht zum 17. Juli 1918 mit vier Hausangestellten erschossen.

Legenden Wiederholt gab es danach Legenden um angebliche Überlebende des Blutbades. So erklärte eine Frau bis zu ihrem Tod 1984, Zarentochter Anastasia zu sein. Spätere DNA-Proben widerlegten das.

Heiligsprechung 1998 wurden die wieder ausgegrabenen Überreste der Romanows in der Peter-und-Paul-Kathedrale in St. Petersburg beigesetzt. Zwei Jahre später sprach die russisch-orthodoxe Kirche die ermordeten Romanows heilig. In mehreren Ländern gibt es Nachkommen der Dynastie.

Nachkommen Die in Madrid lebende Großfürstin Maria Wladimirowna Romanowa sieht sich und Sohn Georgi als alleinberechtigte Nachkommen. dpa
 
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