Wer in den vergangenen Tagen wegen des Corona-Virus-Entscheidungen über die Ausrichtung oder Absage von Veranstaltungen treffen musste, stand vor keiner leichten Aufgabe. Einerseits ging es darum, verantwortlich zu handeln und alles zu tun, was zur Vorbeugung der Ausbreitung des Virus nötig war. Andererseits war Maßhalten gefragt. Die Staatliche Realschule Bad Kissingen stand vergangene Woche bei Skikursen vor so einer Entscheidung. Dabei wurde sie am Ende von der Dynamik der sich täglich ändernden Bedingungen fast überrollt.
Wie Realschuldirektor Torsten Stein am Donnerstag auf Anfrage erläuterte, hatte die Schule angesichts der Nachrichten rund um die Ausbreitung des Corona-Virus schon einige Tage vor dem Kurs der beiden 8. Klassen, die sich am 11. März Richtung Zillertal in Tirol auf den Weg machen sollten, die besondere Situation angesprochen. In einem Elternbrief vom 1. März habe die Schule den Eltern angeboten, dass Schüler, trotz Anmeldung, nicht am Skikurs teilnehmen müssten, wenn die Eltern das wollten. Allerdings müssten Stornokosten von 100 Euro, weniger als der eigentliche Preis des Kurses, getragen werden. Diesen Hinweis habe die Schule in einem weiteren Elternbrief am 7. März wiederholt. Weil Österreich zu diesem Zeitpunkt nicht als Risikogebiet eingestuft war, und die Lage im Zillertal ruhig war, habe er darin angekündigt, dass die Klassen wie geplant am 11. März in den Skikurs fahren würden.
Einen Tag vor der Abfahrt habe er sich in der Sache noch einmal mit dem Ministerialbeauftragten für die Realschulen in Unterfranken abgestimmt, berichtet Stein. Vor dem Hintergrund einer Information des Kultusministeriums vom 28. Februar sei man da übereingekommen, die zwei Klassen sollten, wie geplant, am 11. März zum Skikurs ins Zillertal fahren.
Stornokosten von 100 Euro
In den Vorgaben des Ministeriums heißt es, die Entscheidung sei vor Ort zu treffen. Schulen müssten bei Schülerfahrten prüfen, "ob in Abstimmung mit dem jeweiligen Reiseunternehmen eine Umbuchung/Stornierung möglich ist". Bei Gebieten, für die Ein- oder Ausreise-Verbote vorlägen, "dürfte dies möglich sein". Wenn Umbuchung oder Stornierung aber nicht möglich seien, die Reise aber dennoch nicht angetreten werde, müssten die Erziehungsberechtigten die Stornokosten tragen.
Abmeldungen vom Skikurs habe es da nicht gegeben. Das habe die Schule "als klares Signal seitens der Eltern und Schüler" gewertet, den Skikurs auszurichten, heißt es in dem Elternbrief. In demselben Schreiben habe er dennoch noch einmal darauf hingewiesen, dass die Erziehungsberechtigten die Entscheidung treffen, "ob ihr Kind mit in den Skikurs fährt". Wer sich unwohl fühle bei dem Gedanken, "in der derzeitigen, zweifellos ungewöhnlichen Situation" mehrere Tage von seinem Kind getrennt zu sein, solle "die entsprechenden Schlüsse daraus ziehen". In der Folge seien die beiden Klassen am Mittwoch, 11. März, früh um 5.30 Uhr in den Skikurs gefahren.
Danach ging es Schlag auf Schlag. Am Donnerstag verdichteten sich die Hinweise, dass Ministerpräsident Markus Söder am Freitag "flächendeckende Schulschließungen" ankündigen würde. Noch am Abend desselben Tages, so Stein weiter, habe das Land Tirol außerdem beschlossen, "vorsorglich sämtliche Skigebiete mit Ablauf des Sonntags" zu schließen. Er habe deshalb mit der Skikursleitung vor Ort vereinbart, berichtet Stein, dass die beiden Klassen "nicht erst am Montag, sondern bereits am Sonntag abreisen".
Doch das war am Samstag schon wieder überholt, berichtet Stein, denn in der Nacht zum Samstag habe das Robert-Koch-Institut Tirol neu als Risikogebiet eingestuft. Darauf habe die Skikursleitung noch in der Nacht reagiert und die vorgezogene Rückfahrt der Schüler bereits für Samstag organisiert. Bereits um 12 Uhr seien die Jugendlichen im Bus gesessen. In einem Elternbrief von diesem Samstagfrüh kurz nach halb acht berichtet Stein den Erziehungsberechtigten zudem, dass "alle Schüler und Lehrer wohlauf" seien. Es zeige "niemand aus der Reisegruppe Erkältungssymptome".
Bereits in diesem Elternbrief, aber auch noch in einem späteren am selben Tag wies Stein die Familien auf die Verhaltensregeln für Rückkehrer aus Risikogebieten hin. Auch wenn keinerlei Krankheitssymptome vorlägen, müssten "unnötige Kontakte" vermieden werden. Die Betroffenen sollten möglichst zu Hause bleiben. Besonders wichtig sei: Kein Kontakt zu besonders gefährdeten Gruppen, wie etwa Hochbetagten. Das werde zwar "dringend empfohlen", eine "Zwangsquarantäne" sei es jedoch nicht. Gedacht sei die Vorgabe jeweils für eine Frist von 14 Tagen. Ein wirkliches Problem ist daraus nicht entstanden. Nach dem Wochenende waren Bayerns Schulen ohnehin geschlossen. Gleiches galt nachträglich übrigens auch für die Klassen, die vor den beiden beschriebenen im Zillertal auf Skikurs waren. Da sie sich ebenfalls innerhalb eines 14-Tage-Vorlaufs im später zum Risikogebiet erklärten Tirol aufhielten, treffen die dringenden Empfehlungen auch sie. Bei dieser vorherigen Gruppe von Schülern habe es im Kurs Symptome von Erkältungskrankheiten gegeben, schreibt Stein einmal. Einige seien deshalb sogar vorzeitig abgeholt worden. Andere waren vor Ort beim Arzt. Ein Corona-Verdacht habe sich aber bei keinem ergeben. Keiner der Ärzte , schreibt Stein, "hielt eine Testung für notwendig".
Schüler und Eltern werden die Skikurse und das aufregende Drumherum vermutlich als Abenteuer in Erinnerung behalten. Torsten Stein und die beteiligten Lehrer ganz bestimmt auch. far