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Bad Kissingen
Richterin setzt dem Angeklagten ein deutliches Zeichen
18-Jähriger wird nach dem Jugendstrafrecht wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung zu sechs Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Nimmt der Angeklagte das Urteil an?
Um vorsätzliche Körperverletzung und Bedrohung geht es in einem Gerichtsprozess gegen einen 18-Jährigen. Symbolfoto: Christopher Schulz       -  Um vorsätzliche Körperverletzung und Bedrohung geht es in einem Gerichtsprozess gegen einen 18-Jährigen. Symbolfoto: Christopher Schulz
| Um vorsätzliche Körperverletzung und Bedrohung geht es in einem Gerichtsprozess gegen einen 18-Jährigen. Symbolfoto: Christopher Schulz
Sigismund von Dobschütz
 |  aktualisiert: 17.12.2022 03:02 Uhr

Eigentlich hätte der 18-jährige Angeklagte als Heranwachsender schon nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden können. Doch wegen deutlicher Hemmnisse in der Persönlichkeitsentwicklung waren sich Staatsanwältin, Jugendamtsvertreterin und Richterin einig, dass Jugendstrafrecht angewandt werden sollte. Dennoch setzte die Richterin dem wegen ähnlicher Vergehen mehrfach vorbestraften Angeklagten mit ihrem Urteil von sechs Monaten auf zweijährige Bewährung ein deutliches Zeichen: "Wenn ab heute eine weitere Straftat hinzukommt, dann rappelt's. Dann wird die Strafe aufgestockt und die Bewährung entfällt."

Nur eine Woche, nachdem der heute 18-Jährige gerade wegen Körperverletzung zu Jugendarrest verurteilt worden war, weitete sich im Elternhaus ein Streit mit der Mutter, den der jüngere Bruder zu schlichten versuchte, zu einer Prügelei zwischen den Brüdern aus. Der Angeklagte biss dem Bruder in den Finger und soll ihn mit einem Küchenmesser bedroht haben. Auch er selbst erlitt Verletzungen an den Lippen und am Hinterkopf. Den Biss in den Finger gab der Angeklagte vor Gericht zu, nicht aber die Bedrohung mit dem Messer. Vielmehr habe er sich selbst das Messer an den Hals gehalten.

Wegen möglichen Selbstmordversuchs wurde der Angeklagte damals sofort in die geschlossene Abteilung der Psychiatrie in Werneck eingewiesen, wo er nach drei Tagen in die offene Abteilung verlegt wurde und nach weiteren vier Tagen nach Hause entlassen wurde. Im Übrigen konnte der als Zeuge geladene Polizist nur die nach der Tat aufgenommenen Aussagen der Familie vor Gericht wiederholen. Der ebenfalls als Zeuge anwesende Bruder des Angeklagten nutzte sein Zeugnisverweigerungsrecht.

Verurteilung zu einer Jugendstrafe

Nach Befragung des Angeklagten und Verlesung eines früheren Urteils, in dem der Ausbildungs- und berufliche Werdegang des Angeklagten mit Abbruch zweier Ausbildungen und Arbeitslosigkeit beschrieben wurde, sowie der Aussage der Mitarbeiterin des Jugendamts kam es zur Urteilsfindung. Die Vertreterin des Jugendamts verwies auf familiäre Probleme und die diagnostizierte ADHS-Erkrankung. Ob ein Ausbildungsabschluss jemals nachgeholt werden könne, sei fraglich. Momentan scheint sich die Situation des Angeklagten gebessert zu haben: Er hat eine feste Anstellung als Hilfsarbeiter und will die Schulden bei seiner Mutter und zur Begleichung von Ordnungsstrafen in Gesamthöhe von fast 5000 Euro abzahlen. Sie empfahl dem Gericht, mit Verurteilung zu einer Jugendstrafe "ein deutliches Zeichen" zu setzen, diese aber zu Bewährung mit Unterstützung eines Bewährungshelfers auszusetzen.

Aus der Haft gelernt

Die Staatsanwältin sah den Vorwurf der vorsätzlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung als bestätigt. Die Erfahrung in der Haft habe der Angeklagte erst nach dieser jetzt verhandelten Tat machen können. Nach Abwägung aller positiven und negativen Aspekte forderte sie die Verurteilung zu zwei Wochenendarresten, die dem 18-Jährigen "Zeit zum Nachdenken" geben sollen.

In seinem letzten Wort vor dem Urteilsspruch wurde der Angeklagte kleinlaut: "Ich habe Schiss, da noch einmal reinzugehen." Die Haft - "Das Schlimmste, was ich je hatte." - habe ihm gut getan; er habe daraus gelernt. Schon nach seinem Aufenthalt in der Psychiatrie in Werneck "war ich nicht mehr so, wie ich früher war". Das hätten ihm seine Eltern bestätigt.

Nach knapp einstündiger Verhandlung sprach die Richterin den Angeklagten schuldig in beiden Punkten der Anklage und verurteilte ihn nach Jugendstrafrecht zu sechs Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. Die Bewährungszeit unter Aufsicht eines Bewährungshelfers wurde auf zwei Jahre festgesetzt. Zusätzlich erhielt der Angeklagte eine Geldauflage in Höhe von 1000 Euro, zahlbar in Monatsraten von 50 Euro an die Staatskasse.

Keine Straftat oder Ordnungswidrigkeit leisten

"Was machen wir nur mit Ihnen?", begann die Richterin ihre Begründung. Der Arrest aus der letzten Verurteilung habe ihn wohl beeindruckt. "Das glaube ich Ihnen." Seitdem sei der 18-Jährige deutlich gereift, weshalb sie die Strafe zur Bewährung ausgesetzt habe. "Ich glaube nicht, dass ein weiterer Arrest Sie maßgeblich beeindruckt." Doch der Angeklagte dürfe sich nicht täuschen. "Bei sechs Monaten Jugendstrafe ist noch Luft nach oben." Deshalb dürfe sich der Angeklagte ab sofort keine weitere Straftat oder Ordnungswidrigkeit leisten. Dies gelte auch für die Bewährungsauflagen: "Wenn Sie sich nicht beim Bewährungshelfer melden oder abtauchen, dann gibt's richtig Ärger", warnte die Richterin den Angeklagten vorsorglich. "Dann kommen Sie in Haft, schneller als Sie denken." Der Angeklagte nahm das Urteil sofort an.

 
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