Am Klang des Ratterns hört Wilhelm Friedhof, ob die Bohrmaschine in ihrem Leben noch weitere Löcher bohren wird oder nicht. Der 63-Jährige kennt sich mit fast allem aus, das mit Strom läuft und den Alltag erleichtert. Dinge, die das nicht mehr tun, bringen Leute ins sogenannte "Repair Café" nach Nüdlingen . Hier versuchen Reparateure wie Wilhelm Friedhof, Geräte zu retten und sie vor ihrem verfrühten Ende im Müll zu bewahren. Das große Ziel des Projektes: Abfall vermeiden und Ressourcen sparen. Fast nebenbei hat die Initiative noch ganz andere Effekte.
Der sogenannten Wegwerfgesellschaft wird nachgesagt, sich nicht sonderlich mühevoll um das Schicksal defekter Geräte wie Toaster oder Radio zu bemühen. Denkste! Der Andrang beim Nüdlinger "Repair Café" beweist das Gegenteil. Wo im Handel die Reparatur oftmals teurer kommt als ein neues Produkt, gehen hier Hobby-Bastler auf Fehler-Suche. Die "Alte Schule" wird einen halben Tag lang zur Klinik für Kaputtes. Weil es so gemütlich ist und die Wartezeit überbrückt, gibt es nebenbei Käffchen und Kuchen. Eine halbe Stunde ist pro defektem Teil angesetzt. Eine Handvoll Tüftler nehmen Kaffeekocher, Wanduhren und Nähmaschinen auseinander: Ist da noch was zu machen?
Wo steckt der Fehler?
"Grundsätzlich schauen wir uns jedes Gerät an", sagt Wilhelm Friedhof. Der Fachmann braucht meist nicht lange, um herauszufinden, was dem kränkelnden Apparat fehlt. Mit der Zeit hat er außerdem gelernt, die eingebauten "Gemeinheiten" der Hersteller aufzuspüren und zu umgehen.
Vor vier Jahren startete die Kreisgruppe des Bund Naturschutz eine Kooperation mit dem Schweinfurter "Repair Cafe". Vorbild ist die Idee einer Niederländerin, die vor zehn Jahren in Amsterdam das Konzept eines "Repair Café" etablierte. In Nüdlingen schlagen die Leute zweimal im Jahr mit ihren kaputten Gegenständen auf, im Frühjahr und im Herbst. "So einen Erfolg hatte ich nicht vermutet", sagt Hannelore Rundell. Sie ist Hauptorganisatorin und von der Idee überzeugt.
Gegen das Wegwerfen
Viele wollen einfach nicht schon wieder Geld für ein neues Teil ausgeben, erzählt sie. Andere wollen sich bewusst mithilfe der Reparier-Aktion der Wegwerf-Mentalität des Handels entgegensetzen. Es steckt mehr dahinter als romantische Nostalgie. Viele hängen aber auch einfach an ihren liebgewonnenen Dingen und Haushaltshelfern. Beispiel Küchenmaschine: Mithilfe des passenden Zubehörs hat das Teil über Jahre Kniffe in der Küche erleichtert. Ist die Maschine verloren, sind es auch die dazugehörigen Einzelteile.
Produzieren für den Müll?
Neue Geräte sind oft so verschraubt, dass sich der gemeine Hobby-Handwerker schwer tut, an die Innereien zu gelangen, erklärt Wilhelm Friedhof. "Aber wir haben sie überlistet", sagt der 63-Jährige mit einem Strahlen im Gesicht. Für ihn gibt es keine Frage: "Neue Geräte sind bei Weitem nicht mehr von der Qualität wie die von früher." Er muss es wissen: 30 Jahre lang hatte er von der Waschmaschine bis zum Haartrockner sämtliche Gerätschaften in seinem Elektro-Fachhandel im Sortiment - Verkauf und Service. Heute schraubt er hobbymäßig. Manchmal steckt nur ein Kabelbruch dahinter, ein anderes Mal ist es ein Sicherungsdefekt. Ein paar Ersatzteile hat Wilhelm Friedhof immer auf Lager. Die Frauen und Männer stecken die Köpfe zusammen: In Teamarbeit wird so mancher Defekt aufgespürt. Grübeln, basteln, tüfteln: das verbindet. Ganz nebenbei werden zwischen Cappuccino und Kreuzschlitzschraubendreher soziale Bande geknüpft und Erinnerungen geweckt. Eine Rechnung bekommt niemand. Wer seinen Patienten ins "Repair Café" bringt, lässt eine Spende da. Und nimmt vielleicht etwas von Vision der Organisatorin mit.
"Mein Traum ist ein Wirtschaftssystem, das Müll gar nicht kennt. In meiner Vorstellung hat alles ein nächstes Leben", sagt Hannelore Rundell. Zum Wegwerfen zu produzieren - das ist pervers." Wenn das kaputte Teil am Ende des Tages nicht im Müll landet, sondern wieder zum Leben erweckt wurde, ist die Freude - und manchmal die Erleichterung - groß. Dann macht Wilhelm Friedhof auf dem Formular ein Kreuzchen bei "Reparatur gelungen". Die Bohrmaschine, die sich ein Mann von seinem Kumpel ausgeliehen hatte, wird in ihrem Leben noch mehr Löcher bohren.
Rettungsversuch In Nüdlingen findet das nächste Repair Café im Herbst statt: Am Samstag, 12. Oktober, kann jeder mit seinen defekten Dingen anrücken. Treffen ist in der "Alten Schule" neben der Kirche. In Hammelburg startet das nächste Repair Café am Samstag, 21. September, in der Markthalle am Buttenmarkt. bcs