Das eigene Baby kurz nach der Geburt abzugeben – das können sich wohl die wenigsten vorstellen. Manche Menschen sind in einer so verzweifelten Lage, dass dies der letzte Ausweg ist.
Im Landkreis Bad Kissingen gibt es keine Babyklappe , die nächstgelegene ist im Herz-Jesu-Krankenhaus Fulda. Doch es gibt andere Angebote für werdende Eltern, wenn sie ihr Baby anonym zur Adoption freigeben wollen.
Da wäre zum einen die staatlich anerkannte Beratungsstelle für Schwangerschaftsfragen am Landratsamt Bad Kissingen, die auch anonym berät. Auch niedrigschwellig und anonym sei ein Telefonat oder eine E-Mail, so die Pressestelle des Landratsamtes.
Gesetz seit 2014
Die Adoptionsvermittlungsstelle des Landkreises unterstützt ebenso, wenn Eltern ihr Kind zur Adoption frei geben wollen. Michaela Schneider-Körber, Sachbearbeiterin für Pflegekindwesen und Adoptionsvermittlung verweist auf die vertrauliche Geburt: „Hier gibt die Mutter einmalig ihre persönlichen Daten an, die dann in einem Umschlag beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben hinterlegt werden. Für das gesamte Verfahren legt sich die Mutter ein Pseudonym an“, erklärt sie.
Damit werde einerseits der Wunsch der Schwangeren auf Anonymität gewahrt, andererseits das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung. Das Gesetz zum „Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt“ gibt es seit 2014. Es ermöglicht Schwangeren, ihr Kind anonym und medizinisch sicher auf die Welt zu bringen. „Mit dem 16. Lebensjahr hat das Kind die Möglichkeit, die Identität der Mutter und seine Herkunft zu erfahren, außer: Die Kindsmutter verweigert es“, erläutert Schneider-Körber weiter.
Nächstgelegene Möglichkeit in Schweinfurt
Im Leopoldina-Krankenhaus in Schweinfurt ist eine vertrauliche wie auch eine anonyme Geburt möglich. „Aber das ist ganz selten“, sagt Ramona Kühlmann, Hebammenleitung, „es gab vielleicht eine in den letzten drei Jahren. Trotzdem sind wir darauf vorbereitet.“
Auch habe sie es in ihrer zwanzigjährigen Dienstzeit noch nie erlebt, dass ein Kind vor die Tür des Krankenhauses gelegt worden sei, berichtet Kühlmann. Auch nicht im Helios St. Elisabeth-Krankenhaus in Bad Kissingen, wie Pressesprecher Markus Höppner informiert.
Vertrauliche versus anonyme Geburt
Der Unterschied zwischen vertraulicher und anonymer Geburt liegt darin, dass bei der anonymen keinerlei Daten über die Identität der Eltern vorliegen oder erfasst werden. Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung ist somit nicht durchsetzbar.
Allerdings gibt es für die anonyme Geburt ebenso wie für die anonyme Abgabe über eine Babyklappe keine rechtliche Grundlage. Die einzige legale Möglichkeit, ein Kind vorübergehend ohne Meldung der Personendaten abzugeben, ist die vertrauliche Geburt.
Nächste Babyklappe in Fulda
Die nächstgelegene Babyklappe liegt im über sechzig Kilometer entfernten Fulda. Seit 2002 hat das Herz-Jesu-Krankenhaus in Zusammenarbeit mit dem Sozialdienst katholischer Frauen eine Babyklappe eingerichtet, „in der Hoffnung, dadurch – wenn es auch nicht wissenschaftlich bewiesen ist – Kindstötungen zu vermeiden“, erklärt Dr. Alexander Dengler, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe .
„Allerdings war dies zu einer Zeit, als es die vertrauliche Geburt noch nicht gab“, schränkt er ein. Damals war es noch verboten, Frauen für eine Geburt aufzunehmen, ohne deren Identität zu erfassen. „Wir wollten etwas anbieten, was Frauen in Not helfen könnte, überstürzte Handlungen zu vermeiden – auch wenn nicht nachgewiesen werden kann, dass Babyklappen Kindstötungen verhindern.“
Nicht selten seien die Frauen von der Schwangerschaft und der Geburt völlig überrascht und damit völlig überfordert. „Es gibt immer wieder Frauen, die wegen Bauchschmerzen in die Notaufnahme kommen und glaubhaft schildern, nichts von einer Schwangerschaft zu wissen – das geht!“
Die vertrauliche Geburt sei die wesentlich bessere Variante, so der Geburtshelfer , aber die Babyklappe sei ein allerletztes Angebot eines breitgefächerten Spektrums an Beratungen und Hilfestellungen, „das aber nur hilft, wenn sie sich selbst eingestehen, schwanger zu sein.“ Zudem gibt es auch werdende Mütter, denen das bloße Aufsuchen unterstützender Angebote nicht möglich oder eine zu große Hürde ist.
Immer ein Riesen-Aufreger
Die Babyklappe am Herz-Jesu-Krankenhaus öffnet sich über Knopfdruck, dahinter steht ein beheiztes Wärmebettchen. Durch ein akustisches Signal werden die Mitarbeiter des Krankenhauses informiert, um sich um die weitere Versorgung des Findelkindes zu kümmern. „Das ist dann immer ein Riesen-Aufreger“, erzählt Dengler.
Das kann auch Sarah Muth, Geschäftsführerin des Sozialdienstes katholischer Frauen in Fulda bestätigen. Der Verein wird als Adoptionsdienst verständigt, sobald ein Kind über die Babyklappe vom Krankenhaus aufgenommen wurde: „So ein Findelkind löst bei allen Beteiligten den Beschützerinstinkt aus. Es wird von allen Seiten betüdelt“, lächelt Sarah Muth.
„Wir vermitteln dem Säugling eine geeignete Adoptivfamilie und sorgen dafür, dass die potenziellen Eltern das Kind so schnell wie möglich kennenlernen.“ Seit 2002 gab es fünf Kinder, die über die Babyklappe in Fulda abgegeben wurden. „Es sind alles großartige Kinder, die sich gut in der neuen Familien entwickeln“, erzählt Muth. Und manchmal überlegt es sich eine Mutter auch anders und nimmt ihr Kind zurück zu sich.
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