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Münnerstadt
Regenauers Blick ins fränkische Seelen-Land
Der Nürnberger Kabarettist macht die Rechnung auf: 25 Gramm Hirn langen dem Frangn - und für den Rest gibt es die "Deppen-App"
Der Nürnberger Kabarettist Bernd Regenauer auf der Bühne in Münnerstadt. Foto: Hartmut Hessel       -  Der Nürnberger Kabarettist Bernd Regenauer auf der Bühne in Münnerstadt. Foto: Hartmut Hessel
| Der Nürnberger Kabarettist Bernd Regenauer auf der Bühne in Münnerstadt. Foto: Hartmut Hessel
Hartmut Hessel
 |  aktualisiert: 17.08.2022 01:50 Uhr

Der Edelfranke kommt an seinen Eigenheiten nicht vorbei. Und wenn der noch Bernd Regenauer heißt, dreht er sich um sich selbst, baut sich seine eigenen Hindernisse und kotzt es dann in einem Dialekt raus, der nach des Kabarettisten Aussage "von Gott persönlich" übernommen wurde. Wenn das die Sprache des Himmels sein soll, die mit verschluckten Endungen und Einwortsätzen den fränkischen Alltag berauscht, dann tut Bernd Regenauer recht mit seinem Programm, "das fränkische Seelen-Land" zu erklären, es darzustellen und dann ständig um Vergebung zu bitten.

Die Alte Aula war sehr gut gefüllt, um jemanden zu erleben, der als Nürnberger Gewächs schon ganz schön weit rumgekommen ist. Auch natürlich in die Fränkische Schweiz, wo man sich wünscht, endlich mal den Horizont zu sehen, anstatt immer mit dem Brett vor dem Kopf herum zu gehen. Dort, wo Erwins Metzgerei mit Gasthof zu finden ist und er sich - "äußerst geschmackvoll mit Rezept" - in der Räucherkammer das Leben aushängt. Dort in dem Landstrich, wo Orte mit sehr anzüglichen und doppeldeutigen Namen verborgen sind, zum Beispiel Kotzenhammer, "die könnten sich Speyer als Partnerstadt " nehmen.

Einmal bissig, immer bissig

Bernd Regenauer steht seit über 40 Jahren auf der Bühne, er hat mehrere Auszeichnungen gewonnen, darunter den Deutschen Kabarettpreis. Zu Beginn seiner Karriere, wurde er auch mit Auftritten in Münnerstadt regional bekannt und immer mehr gefeiert. Eine Hymne "Ich bin ä Nembercher" ist zu dieser Zeit entstanden und als Vinyl veröffentlicht worden. Sein Heimatgefühl hat sich bis heute nur dadurch geändert, dass die Musik durch die Sprache ersetzt wurde, die aber schon immer bissig war.

Egal in welches Thema der Franke zwangsläufig hineinrutscht, wie Pandemie , digitale oder gesundheitliche Gesellschaft - fränkisch zu analysieren ist ein Alleinstellungsmerkmal dieses Nürnberger Schandmauls. Dabei wären Befürchtungen, den Dialekt nicht zu verstehen, bei Bernd Regenauer völlig fehl am Platze, denn der Slang wird präzise artikuliert, die Inhalte jedoch mit den schon benannten Verkürzungen und Verdrehungen rausgehauen. Das macht es leicht, die Lachtränen laufen zu lassen, im Extremfall - und den gab's reichlich - wurden die Ärmel dabei feucht.

"Franken war schon immer ein Risikogebiet ", Regenauer beschreibt seine Auftritte in anderem deutschen Gebieten und dessen Coronaregeln und freut sich, dass er in "Mürscht" (er kann's noch) im Saal, dank G3 wieder Gesichter sehen kann.

Und er findet die digitale Katastrophe besonders unter den Franken verbreitet, weil deren sprichwörtliche Langsamkeit ständig mit den Netzgeschwindigkeiten kollidiert. Selbst wenn man einen besonders schnellen Mac anschafft, ist der nach zwei Jahren schon verbraucht, denn: "Ein Mac-Jahr sind 50 Helmut-Schmidt-Jahre!" Köstlich in diesem Zusammenhang die holprigen Berechnungen zur genutzten Hirngröße des Menschen, der ständig zwei Kilogramm Bakterien mit sich rumschleppt, was bei 60 Prozent Wasser und einem Kilogramm Gehirn völlig unverhältnismäßig sei. Effektiv arbeiten - nach dieser Rechnung - dann aber nur 25 Gramm der Hirnmasse.

Sinnvolle "Deppen-App"

Der Kabarettist verfängt sich in Situationen, deren Beschreibung und die pointierte Auflösung bei Zuhörern das pure Loslachen provoziert. Er empfiehlt beispielsweise als Errungenschaft die "Deppen-App" als Spielplatz für Besserwisser und Querdenker. Mit Alexa unterhält sich der gemeine Franke stundenlang, um dann einen Anruf von Amazon zu bekommen, "dass der Horchdienst mit den Nerven am Ende ist".

Am liebsten fällt ja der Franke auf, indem er nicht auffällt. Das ist genauso weiblich, wie alle Bühnenaussagen auch für Frauen gelten. Doch gegendert wird hier betont wenig. So erkennt Bernd Regenauer seinen Hausarzt in der Nürnberger Fußgängerzone, der mit Hut und Blockflöte sich noch was dazu verdienen muss - Grund sind die Halsabschneider von der Krankenkasse. Über die Oberpfalz weiß er von Deutschkursen für Syrer in Tirschenreuth, deren sprachlicher Erfolg für Restdeutschland zumindest zweifelhaft ist. Regenauer macht sich im Namen aller Fränkinnen und Franken Sorgen, dass die Abholzungen in Brasilien und das Gesamtgewicht aller US-Amerikaner zu einer einseitigen Geschwindigkeitsvermehrung der Erdumdrehung führen könnte. Das hätte Folgen für die Langsamkeit seiner Landsleute.

Kalauer über Kalauer, ein Feuerwerk von Eigensinn und Nabelschau aus fränkischer Sicht. Dem Grantler auf der Bühne konnte niemand böse sein, weil sich hinter dieser Fassade ein mitleidsvoller Ober-Franke, aus Mittelfranken in Unterfranken in Münnerstadt präsentierte, der in seinen Spitzfindigkeiten stets Auswege aufzeigt.

 
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