Die Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) nahm die Reihe ihrer öffentlichen Vorträge wieder auf. Ulrich Feldmann, Leiter der Sektion Bad Kissingen und Oberstleutnant a.D., gewann als Referentin für das Thema "Die Vereinten Nationen UN - verzichtbar - UN-reformierbar? Dr. Manuela Scheuermann, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Europa-Forschung und Internationale Beziehungen der Universität Würzburg .
Der 1920 gegründete Völkerbund scheiterte. Er konnte den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nicht verhindern. 1946 wurde der Völkerbund still und unspektakulär aufgelöst und im selben Jahr die Vereinten Nationen ins Leben gerufen.
Die Vereinten Nationen konnten nicht alle kriegerischen Auseinandersetzungen der Völker seit ihrem Bestehen verhindern. Der Jugoslawien-Konflikt, der Krieg in Somalia, Bürgerkriege im Sudan, die noch immer anhaltenden Auseinandersetzungen im Nahen Osten, der Irak-Krieg, um einige wenige Kriege zu nennen.
Zu differenziert sind die Interessen vor allem die der Großmächte, die mit einem ganz anderen Anspruch auftreten als kleine oder mittelgroße Staaten. Dennoch sind die UN ein Gremium von 193 Mitgliedstaaten, die dort zusammenkommen, die ihre Interessen im besten Falle so ausbalancieren, dass es zu keinem bewaffneten Konflikt der Parteien kommt, sondern eine friedliche Lösung gefunden wird.
Gewichte stark verschoben
Manuela Scheuermann stellte sich der Frage, sollen nach Jahrzehnten des Ringens für ein friedliches Miteinander der Völker die Strukturen der UN heute geändert werden? Die UN bekamen ihre Prägung als internationales Forum für alle Nationen und Völker nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese Zeit liegt 75 Jahre zurück.
Zu recht wies Manuela Scheuermann darauf hin, dass sich von 1946 bis heute die Gewichte in der Welt stark verschoben haben. Aus Schwellenländern wurden Globalplayer. Auf den Weltmärkten sind sie heute Konkurrenten für die ehemals führenden Industrienationen . Kolonialvölker wurden in die Selbstständigkeit entlassen. Die Bevölkerungszahlen wuchsen vor allem in Afrika, Süd- und Ostasien. Neue Atommächte betraten die internationale Bühne und sind allein durch den Besitz von Atomwaffen ein politisches Schwergewicht.
Ziele unangetastet lassen
Die Ziele der UN sollen nach Meinung der Referentin unangetastet bleiben. Frieden und Sicherheit in der Welt zu erhalten, steht dabei an erster Stelle. Die Menschenrechte dürfen nicht aufgegeben werden. Humanitäre Hilfe sei von der Staatengemeinschaft zu leisten, wobei alles gut Gedachte und Geplante auch zu organisieren sei. Diese Aufgabe bewältige die UN mit ihrer praktischen Erfahrung vor Ort. Neue Entwicklungen sind regional und weltweit in ihrer Wechselwirkung zu beobachten, zu bewerten und öffentlich zu benennen. Das vornehmste Recht, das Völkerrecht hochzuhalten, ist der Grundpfeiler.
Stärkere Staaten dürfen ihre Macht nicht zur Unterdrückung anderer, schwächerer Staaten einsetzen. Die UN gehen dabei operativ vor, so Scheuermann. Das heißt, bereits im Vorfeld werden gefährliche Entwicklungen erkannt und mit den Möglichkeiten der UN angegangen. UN-Beobachter an allen Brennpunkten spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie sind das Frühwarnsystem der UN.
Friedenssicherheit durch Diplomatie und Einsatz ihrer Friedenstruppe ist nach Auffassung von Manuela Scheuermann nicht alles. Sie nennt die Bekämpfung des Hungers und die Verbesserung der Gesundheit der Weltbevölkerung , die Stellung der Frauen und die verbesserten Bildungschancen als Ziele der UN. Die UN-Unterorganisationen bringen die in Jahren gewonnene Erfahrung effektiv in die unterschiedlichsten geografischen, kulturellen, klimatischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten ein. Die UN sind Mahner und schärft das Gewissen der Völker.
Kann nie zu Ende gebracht werden
Damit haben sich die UN Aufgaben auf die Fahne geschrieben, die nie zu Ende gebracht werden können. Die Probleme, die zu lösen sind, entstehen immer wieder neu. Notlagen müssen energisch, zeitnah und zeitgleich an verschiedenen Orten angepackt und Hilfen bereitgestellt werden. Man denke an die Not in Flüchtlingslagern.
Die Dauerkrise der UN ist überwiegend auf ständige Anpassungen an den Wandel zu verstehen. Die Vereinten Nationen sind den Systemen ausgeliefert, weil sie selbst im Mittelpunkt eines Systems stehen, nämlich des Systems UN. So eine These, die Scheuermann vertrat. Die Vereinten Nationen befinden sich ständig in einem Kontinuum von Krise und Reform. Das System ist immer defizitär. Diese Aussagen treffen die Realität. Aufgaben die sich stellen, sind nach besten Kräften anzupacken. Guter Wille und die Tat. Begleitet von der Einsicht, es ist nicht alles leistbar. Was zum Besseren gebracht werden kann, das verdient Zustimmung und die Bereitstellung der Mittel aus Überzeugung, den Menschen in Not Hilfe zu bringen.
Die Rolle Deutschlands
Auch auf die Rolle Deutschlands ging Scheuermann ein: "Wir sind keine Militärmacht , wir sind eine Zivilmacht, eine Handelsmacht, eine Mittelmacht. Wir sind nolens volens, anerkannte Führungsmacht in der Europäischen Union ." Damit beschrieb sie die internationale Anerkennung, die Deutschland im Konzert der 193 Staaten geniest, die den Vereinten Nationen angehören. Deutschland leistet einen wesentlichen Beitrag zur Finanzierung der Vereinten Nationen . Allein 4000 ständige Mitarbeiter sind für ihre Leistung zu vergüten.
Aus der Sicht der Referentin hat die Bundesrepublik die Rolle eines "Vorzeigestaates" übernommen. Deutsche Diplomatie ist in New York effektiv.
Das Fazit der Referentin: Die in der UN-Charta formulierten Ziele sind ein hoher Anspruch. Sie sind nicht anzutasten. Unterhalb der Schwelle jedoch müssen Reformen angepackt und vorangebracht werden, um den vielschichtigen Veränderungen in der Welt gerecht zu werden. Gerade wegen der bisherigen Erfolge der UN müssen die Strukturen nachgeschärft werden. Entwicklungen müssen erkannt, bewertet und effektiv umgesetzt werden. Die beeindruckenden Erfolge der UN machen deutlich, dieses Gremium der Weltgemeinschaft ist unverzichtbar. Dieter Galm