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Bad Kissingen
Rasante Flucht vor der Polizei
Ein 36-Jähriger lieferte sich eine waghalsige Verfolgungsfahrt mit einer Streife. Der Angeklagte stand jetzt aber nicht zum ersten Mal vor Gericht.
Auf der Flucht: ein Autofahrer muss jetzt ins Gefängnis.       -  Auf der Flucht: ein Autofahrer muss jetzt ins Gefängnis.
Foto: Symbolbild Frank Rumpenhorst/dpa | Auf der Flucht: ein Autofahrer muss jetzt ins Gefängnis.
Sigismund von Dobschütz
 |  aktualisiert: 31.05.2024 03:07 Uhr

Wegen einer langen Liste einzelner Straftaten, die von vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs über Fahrerflucht und Sachbeschädigung bis Nötigung reichte, stand ein bereits seit 2008 mehrfach einschlägig vorbestrafter Mann erneut vor dem Bad Kissinger Amtsgericht. Es ging dabei um eine Autofahrt des 36-jährigen Handwerkers im April auf der Flucht vor der Polizei . Zur Verhandlung wurde er aus der Justizvollzugsanstalt Würzburg vorgeführt, wo er nicht nur wegen dieses Vorgangs, sondern auch wegen zwei anderer Haftbefehle einsitzt.

Mit 120 km/h durch den Ort

Anfang April hatte der Angeklagte seine Lebensgefährtin zum Arzt gefahren, obwohl er keinen Führerschein hatte. Bereits im Monat zuvor war er beim Fahren ohne Führerschein erwischt worden. Auch dies war nicht das erste Mal: Schon oft war er wegen vergleichbarer Delikte zu Geld- und Freiheitsstrafen verurteilt worden, weshalb damals zwei Haftbefehle zur Vollstreckung noch offen waren. Dies war dem Angeklagten bewusst, weshalb er im April bei Sichtung eines Polizeifahrzeugs mit seinem Pkw sofort mit hoher Geschwindigkeit durch die engen Straßen seines Wohnorts entfloh. Die Polizisten setzten dem Fluchtfahrzeug nach, das – so die Aussage eines Polizisten – innerorts mit bis zu 120 Stundenkilometern unterwegs war.

Anderen Pkw gerammt

Auf der Flucht rammte der Angeklagte einen anderen Pkw, an dem ein Schaden von 7200 Euro entstand, gefährdete mehrmals Fußgänger und überholte an anderer Stelle ohne Rücksicht auf den Gegenverkehr ein Fahrzeug, als ihm eine Autofahrerin entgegen kam. Diese konnte zum Glück schnell in eine offene Einfahrt hineinfahren, so dass kein Schaden entstand und es beim Schreck blieb: „Ich habe hinterher richtig geschlottert.“

Zwischendurch hatte der Angeklagte seine Lebensgefährtin, die es im Auto mit der Angst bekommen hatte, aussteigen lassen. In diesem Moment glaubten die verfolgenden Polizisten, der Fahrer habe aufgegeben. Doch er beschleunigte erneut und verließ die Stadt. „Außerorts erreichte er Spitzengeschwindigkeiten bis 190 Stundenkilometer“, sagte ein anderer Polizist vor Gericht aus, der zur Unterstützung seiner Kollegen alarmiert worden war und wegen seines schnelleren Einsatzwagens diese nun abgelöst hatte. An der Staatsgrenze nach Hessen wurde die Verfolgung schließlich nach einer halben Stunde abgebrochen, „um keine weiteren Verkehrsteilnehmer zu gefährden“. Das ebenfalls beschädigte Fahrzeug des Angeklagten konnte später in Hessen sichergestellt werden.

Erinnerungslücken

„Ich kann mich an nichts mehr erinnern“, gab der 36-Jährige vor Gericht vor, legte allerdings ein Geständnis ab und entschuldigte sich für seine Tat. Das Absetzen seiner Freundin sei der letzte Moment, an den er sich erinnern könne. Erst zwei Tage später sei er in Schweinfurt auf einer Sitzbank wieder zur Besinnung gekommen und habe einen Anwalt gesucht, seinen jetzigen Verteidiger, in dessen Begleitung er sich der Polizei gestellt habe. Diese Erinnerungslücke war auch der Grund, weshalb der Verteidiger die Hinzuziehung einer medizinischen Sachverständigen beantragt hatte.

Diese kam nach Prozessbeobachtung und längerem Gespräch mit dem Angeklagten im Verhandlungssaal allerdings zu negativem Ergebnis: „Ich habe keine Anhaltspunkte für irgendwelche Erkrankung gefunden, die eine zweitägige Erinnerungslücke begründet hätte bei gleichzeitiger Beibehaltung der motorischen Fähigkeiten“, die der Angeklagte auf seiner Fluchtfahrt gezeigt hatte.

Keine verminderte Schuldfähigkeit

Die Staatsanwältin sah nach Anhörung der „glaubhaften Zeugen“ ihre Vorwürfe bestätigt und konnte nach Aussage der Sachverständigen auch keine verminderte Schuldfähigkeit erkennen. Positiv sei zwar das Geständnis des Angeklagten und seine Reue zu werten, doch zu seinen Lasten sprachen seine Vorstrafen seit 2008, darunter auch wiederholt wegen Fahrens ohne Führerschein. Negativ zu werten sei auch die hohe Zahl der Verkehrsgefährdungen auf seiner Flucht und der dabei angerichtete Schaden. Deshalb beantragte sie eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten, wobei sie das Fahren ohne Führerschein im März gleich in ihre Strafbemessung eingeschlossen hatte.

Bewährung ausgeschlossen

Der Verteidiger, der sich angesichts seiner aussichtslosen Position in der Verhandlung weitestgehend zurückgehalten hatte, bat das Gericht lediglich um eine mildere Strafe mit der Möglichkeit für den Angeklagten, „nach Verbüßung der Haft draußen wieder Fuß fassen zu können“.

Nach zweistündiger Verhandlung schloss sich die Richterin dem Urteil der Staatsanwältin an und verurteilte den 36-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Die Möglichkeit einer Bewährung war für sie ausgeschlossen: „Wir kennen uns ja schon lange, und Sie haben mir immer versprochen, sich ab jetzt ändern zu wollen.“

Nur weil ihm der Haftantritt gedroht habe, sei der Angeklagte „ohne Rücksicht auf Verluste“ und in einer „menschenverachtenden Fahrweise“ durch die engen Gassen seiner Stadt gerast. Sogar die Polizei habe schließlich die Verfolgung abgebrochen, um nicht noch mehr Menschen unnötig zu gefährden.  „Wer so fährt, muss aber hochkonzentriert sein.“ Deshalb sei keine verminderte Schuldfähigkeit gegeben. „Ob Sie allerdings die Tragweite Ihres Handelns erkannt haben, das weiß ich immer noch nicht.“

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