
Beim Erzählcafé des Juliusspitals konnte Moderator Leo Pfennig eine stadtbekannte Persönlichkeit begrüßen. Rainer Kirch, pensionierter Hauptschullehrer , erzählte aus seinem Leben in Münnerstadt unter dem Titel „Wie ich beinahe zum Mürschter geworden bin“.
Er kam 1956 nach Münnerstadt als Internatsschüler im Studienseminar St. Josef, später wurde er Stadtschüler und dann Ehemann einer Münnerstädterin. Mit seinem vielfältigen Engagement in Vereinen, in der Politik und in der Öffentlichkeit gehört er zu Münnerstadts Aktivposten. Trotzdem wird er nie zu einem richtigen Mürschter, da er nicht hier geboren ist, wie ihm das Mürschter Original Heini Hochrein einmal erklärte.
Rainer Kirch entstammt einer Familie, die in Würzburg beheimatet war. Er wurde jedoch im April 1945 im Weinort Escherndorf geboren, da seine Eltern damals vor den Bomben zum Großvater geflüchtet waren. Nach dem Krieg wuchs Rainer Kirch in Würzburg auf, bis seine Eltern beschlossen, ihn nach Münnerstadt zu schicken. Im Gymnasium gefiel es ihm recht gut. Da er ein begabter Lateiner war, bekam er den Spitznamen Cäsar, unter dem er heute noch vielen bekannt ist.
Im Studienseminar hatte er Probleme mit dem Direktor P. Germanus. Ab der zwölften Klasse verließ er das Internat und nahm ein Zimmer in der Stadt. Bei einem Besuch des alten Münnerstädter Freibades lernte er seine spätere Frau Inge kennen, die er noch während seines Lehramtsstudiums in Würzburg heiratete.
Nach seinem Studium hatte er das Glück, dass er an die Volksschule in Münnerstadt versetzt wurde, zunächst zwei Jahre an die Grundschule, dann an die Hauptschule. Hier musste er auch Physikunterricht geben. Eines Tages kam es zum „Kirch’schen Selbstverbrennungsversuch“. Er erhitzte mit dem Bunsenbrenner Ethanol. Plötzlich gab es eine Stichflamme, die ihm Bart und Augenbrauen wegsengte.
„Urrot“ bis ins Jahr 2000
1969 wurde sein Interesse für Politik geweckt. Willy Brand war sein großes Vorbild. So trat Rainer Kirch 1972 dem Ortsverein der SPD bei. Er machte Wahlkampf für die SPD auch in den überwiegend schwarzen Münnerstädter Ortsteilen. Dabei wurde er vielfach angefeindet. Einmal sagte ein Ortsteilbewohner zu ihm:„Deine Frau ist mir roh lieber als du gekocht.“
1978 stellte er für die SPD eine Stadtratsliste zusammen. Dabei wurde er selbst in den Stadtrat gewählt und die Zahl der Sitze verdoppelte sich von zwei auf vier. 1984 kam er nicht mehr in den Stadtrat, blieb aber bis zum Jahre 2000 Vorsitzender beziehungsweise Mitglied des Vorstandes des SPD-Ortsvereins. Dann trat der „Urrote“ aus der SPD aus und schloss sich der neugegründeten Forums-Partei an. Er beteiligte sich aktiv am Kampf gegen den Bau der Osttrasse der A 71. Es wurde damals eine Menschenkette von Althausen bis Reichenbach gebildet, berichtet Kirch. Doch 2005 wurde die Autobahn eröffnet.
Als Erfolg der Bürgeraktion wertete Kirch den erhöhten Ausbaustandard der Autobahn auf einer Strecke von 8,5 Kilometern im Münnerstädter Wasserschutzgebiet im Tal.
Nachdem 2010 das Hallenbad geschlossen wurde, engagierte sich Kirch auch beim Kampf um den Erhalt des Bades. Trotz zweier Bürgerentscheide wurde der Abriss beschlossen.
Stadt-, Kirchen-, Museumsführer
Rainer Kirch ist bis heute auch schauspielerisch tätig, einmal als Fiedler Kaspar von der Rhön bei Heimatspielaufführungen, dann als Hans-Sachs-Spieler und bei Sommerkomödien. Seit 1978 bis heute ist er Stadt- und Kirchenführer, war zeitweise auch Museumsführer. Er beteiligt sich bei Sanierungseinsätzen im Heimatspielhaus.
Seit 2001 führt er als Nachtwächter Gäste durch das historische Städtchen. Die Grundlagen für seine Ausführungen hat er sich selbst erarbeitet. Geschichten von alten Mürschtern baut er dabei ein. 2008 begegnete ihm bei einer Nachtwächterführung eine Gruppe in braunen Kutten, die lateinische Gebete murmelte. Einige Tage später hing an seiner Tür ein Schreiben, das ihn zum Ehrenmönch ernannte. Es stellte sich heraus, dass dies ehemalige Schüler waren, die verkleidet waren und sich freuten, ihren ehemaligen Lehrer getroffen zu haben.
Zeitweise in drei Chören aktiv
Rainer Kirch ist auch ein talentierter und begeisterter Sänger. Zeitweise war er in drei Chören, beim Kirchenchor, beim Johanneschor und der Liedertafel. Die 85 Zuhörerinnen und Zuhörer lauschten aufmerksam den Erzählungen Rainer Kirchs. Das nächste Erzählcafé findet erst im Oktober statt.
Zur großen Freude des Helfervereins des Juliusspitals konnte die Leiterin des Betreuten Wohnens St. Michael, Karina Dietz , an die Vorsitzende Andrea Ziska 1000 Euro überreichen. Es ist der Erlös der Bewirtungen bei Erzählcafés.