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Bad Kissingen
Qualität statt Masse ist beim Schnaps wichtiger denn je
Das Schnapsbrennen hat im Landkreis Bad Kissingen eine lange Tradition. Wie sich die Abschaffung des Branntweinmonopols auswirkt, ist noch offen.
Mit hochwertigen Edelbränden will Andreas Lutz die Jahrhunderte alte Brennertradition in seiner Familie in die Zukunft führen.Heike Beudert       -  Mit hochwertigen Edelbränden will Andreas Lutz die Jahrhunderte alte Brennertradition in seiner Familie in die Zukunft führen.Heike Beudert
| Mit hochwertigen Edelbränden will Andreas Lutz die Jahrhunderte alte Brennertradition in seiner Familie in die Zukunft führen.Heike Beudert
Heike Beudert
 |  aktualisiert: 19.08.2022 01:05 Uhr
Das staatliche Branntweinmonopol machte das Schnapsbrennen mehr als 100 Jahre lang zu einer zwar nicht üppigen, aber doch zuverlässigen Einnahmequelle für Kleinbrenner. Eine festgesetzte Alkoholmenge mussten die Brenner an den Staat als Steuer abfinden. Die steuerfreie Überausbeute konnten die Brenner entweder selbst vermarkten oder ebenfalls an die Monopolverwaltung zum Einheitspreis abgeben. Seit Jahresbeginn ist das Branntweinmonopol aber abgeschafft. Kleinbrenner müssen auf ihren Alkohol Steuern bezahlen. Wer seinen Schnaps nicht selbst vermarktet, muss sich Händler suchen, die ihn aufkaufen.


Lange Tradition

Andreas Lutz setzt im Wartmannsrother Ortsteil Windheim eine bis ins Jahr 1750 nachweisbare Familientradition als Brenner fort. Momentan findet der 28-jährige die Änderung weder gut, noch schlecht, sondern "einfach anders". Seine Genussbrennerei gehört allerdings zu den Destilllerien, die das Erzeugen von Edelbränden als wirtschaftliches Standbein sehen und professioneller betreiben als viele Gelegenheitsbrenner. Der Wegfall des Branntweinmonopols erfordert mehr Eigeninitiative in der Selbstvermarktung, da sind sich die Experten im Brennerfach einig. Das bedeutet aber auch, dass die Qualität des Produkts in den Vordergrund rückt. Karlheinz Federlein, der im Münnerstädter Stadtteil Althausen seit vielen Jahren Edelbrände erzeugt, sieht die Zukunft der Kleinbrenner deshalb in der Qualität und nicht in der Masse. Die Direktvermarktung sei die Nische.
Er hat wie Andreas Lutz eine Produktpalette verschiedener hausgemachter Brände und Liköre. Vermarktet werden die Produkte im eigenen Hofladen oder auf Märkten und mittlerweile auch im Internet. "Ohne Online-Shop geht es heute nicht mehr", findet der 28-jährige Windheimer.
Probleme könnten die Brenner durch die neue Gesetzeslage bekommen, die die gesamte Menge über das Monopol abgesetzt hätten. Beim Monopol habe es keine Rolle gespielt, wie die Ware war, erklärt Andreas Lutz.
Früher habe der Erzeuger mehr Sicherheit gehabt, findet Federlein. "Es war kein so schlechtes System". Jetzt sei man als Kleinbrenner dem Kräftespiel des Marktes ausgesetzt. Die deutschen Kleinbrenner seien den Großbrennereien in Italien und Frankreich immer schon ein Dorn im Auge gewesen, glaubt der Althäuser Brenner.
"Aufhören werden diejenigen, die sich innerlich schon vorher verabschiedet haben", glaubt Hubert Fröhlich, der Vorsitzende des Fränkischen Klein- und Obstbrennerverbandes. Wer nur noch halbherzig gebrannt habe, der werde jetzt kaum mehr weiter machen, ist sich Fröhlich fast sicher. "Das alte System war bequemer", findet der Vorsitzende des Kleinbrennerverbandes. Einige, die jetzt kalkulieren, werden merken, dass es sich nicht mehr wirklich rentiert. Das betrifft seiner Meinung nach vor allem ältere Brenner, die keinen Nachfolger haben oder solche, die investieren müssten. Was das für die im Landkreis existierenden rund 600 Brennrechte heißt, kann aber niemand abschätzen.
Karlheinz Federlein erinnert aber auch an die sogenannten Stoffbesitzer. Diese haben Streuobstwiesen, aber kein Brennrecht. Sie dürfen ein Kontingent von 50 Litern Alkohol in Lohnbrennereien erzeugen lassen. Die Erlöse, die sie über das Monopol erzielen konnten, waren gleichzeitig Anreiz, die Streuobstwiesen zu pflegen, meint Federlein. Er weiß nicht, ob alle Stoffbesitzer unter den neuen Bedingungen brennen lassen. Die Frage sei, ob wertvolle Streuobstwiesen künftig noch gepflegt werden.
Michael Geier, der Leiter der bayerischen Verwaltungsstelle im Biosphärenreservat hat weniger Bedenken, dass der Wegfall des Monopols sich negativ auf die Brennerei-Tradition und damit auf die typischen Landschaftsbilder auswirken wird. Geier setzt auf die jungen Brenner. "Da haben wir in der Rhön beste Voraussetzungen". Abfindungsbrennereien gab es bislang nur in privilegierten Gebieten Süddeutschlands, jetzt können Lizenzen überall beantragt werden. Dies biete Chancen für die thüringische und hessische Rhön, Gebiete ohne Brennertradition. Das kann sich auch Hubert Fröhlich vorstellen. Eine Brennerei passe überall dort dazu, wo ein Landwirt bereits stark auf die Selbstvermarktung setzt.
Zusätzliche Konkurrenz fürchtet Andreas Lutz durch diese Öffnung eigentlich nicht, da die Einrichtung einer neuen Brennerei eine hohe Investition erfordert. Zudem müssen für eine Brenn-Lizenz auch künftig bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden, wie beispielsweise das eigene Obstland. Aber solche Quereinsteiger wird es geben, ist sich Fröhlich sicher, sei es durch Idealisten oder durch betuchte Rentner, die sich einen Luxus-Spielplatz gönnen.
 
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