
Der 15. Mai ging in die Geschichte Kissingens ein: Vor genau 100 Jahren weihte Prinzregent Ludwig den Regentenbau ein. Manches Dokument aus jener Zeit ist überliefert und ruht im Stadtarchiv.
Schade, dass die Maurer und Handwerker, die an der Errichtung des Regentenbaus beteiligt waren, keine Tagebücher geführt haben oder zumindest ein paar Notizen hinterlassen haben. So manche Episode wäre uns überliefert, die Rückschlüsse auf Tagesabläufe, Bauweise, technische Hilfsmittel, Sachverstand und Umgang miteinander zuließen. Nur wenig ist überliefert, und das auch nur aus mündlichen Erzählungen.
So weiß Altoberbürgermeister Georg Straus noch einiges zu berichten, was sein Vater ihm erzählt hat. Der sei zwar beim Regentenbau nicht beteiligt gewesen, so Straus, aber nach der Sonntagskirche verabredete sich eine Gruppe von Handwerkern entweder zum Stammtisch oder zu einem Rundgang durch die Stadt. Dazu habe auch Wendelin Schäfer, der dienstälteste Polier der Firma Schick, gehört. Und da sei dann vieles beredet worden.
So schilderten die Handwerker einen Vorfall, der sich im Foyer des Regentenbaus ereignete. Auf die Decke sollte der Kunstmaler Julius Möslein ein Gemälde aufbringen. Zuvor wurde die Kuppel mit Gipshaar Mörtel ausgedrückt. Der Bauleiter befürchtete aber, dass sich der Gips nachteilig auf die Deckenmalerei auswirken könnte und ließ deshalb den Rohputz mit Schlämmkreide tünchen, darauf ließ er dann reinen Kalkmörtel auftragen.
Die Handwerker hätten sich dagegen verwehrt, erzählt Straus. Und begründeten dies damit, dass Kalkputz auf Gips sich lösen werde. Aber die Bedenken seien beiseite geschoben worden. Und dann passierte es: Während der Mittagszeit sei ein großes Stück von dem aufgetragenen Putz runtergekommen und hätte sogar das Gerüst durchschlagen. Da Mittagspause war, sei niemand zu Schaden gekommen.
Der Mörtel sei daraufhin ganz abgenommen worden, der Untergrund wurde angeraut und dann verputzt. Seither habe es keine nennenswerten Risse gegeben, was Georg Straus mit den Worten kommentiert: „Damals war tüchtiges Handwerk zugang.“
Kupferbleche gegen Wasser
Das Interessanteste damals für die Kissinger Handwerker sei wohl die neue Bautechnik, nämlich der Betonbau gewesen, meint Georg Straus. Noch heute ist er voller Respekt für die enormen Leistungen der Handwerker, nicht nur wegen der sehr kurzen Bauzeit von 22 Monaten, sondern auch wegen der Qualität der abgelieferten Arbeit.
Dennoch gelangten auch die damaligen Handwerker zu neuen Erkenntnissen. So habe niemand damit gerechnet, dass sich im Beton aufsteigendes Wasser verbreitet. Doch das wurde durch Grund- und Hochwasser in den 20er Jahren offensichtlich, erzählt Straus. Deshalb habe man die so genannte Mauersäge eingesetzt.
An bestimmten Stellen sei über dem Fundament ein Schnitt durchs ganze Gemäuer gemacht worden. In diese Schnitte wurden dann über dem Fundament in die Grundmauer von innen nach außen unter anderem Kupferbleche eingeschoben, was das Aufsteigen des Wassers verhinderte.
Deckenabsturz im Kurgartencafé
Jahrzehnte später gab es dann doch mal ein kleines Unglück. Das war 1978 im Kurgartencafé, erinnert sich Straus. Ein Teil der Decke war eingestürzt. Und das, als gerade Tanznachmittag war. Doch das war ein Glück, erzählt der damalige Kurdirektor Walter Rundler. Die Leute saßen nicht an ihren Tischen, sondern waren auf der Tanzfläche. Es habe eine leicht verletzte Person gegeben, die im Krankenhaus behandelt und bald wieder entlassen wurde, so Rundler.
Georg Straus, damals Bürgermeister in Kissingen, kam der Bitte des Kurdirektors nach und begutachtete als Handwerker die Unglücksstelle. Es sei ein Mörtelstück in ungewöhnlicher Stärke gewesen, erinnert sich Straus. Er habe empfohlen, ohne Störung der Saison die Decke wieder herzurichten.
Dann sei ein Statiker hinzugezogen worden, beschreibt Straus den Werdegang weiter. Es wurde ein Stück Beton ausgeschnitten, um es im Labor zu prüfen. Das Ergebnis: Man habe es nicht prüfen können, weil es so fest war.
Der Schaden sei aber nicht auf den Beton zurückzuführen gewesen, so Straus, sondern der Putz war an dieser Stelle mit dem Beton nicht gut verbunden. Die Decke sei dann mit Lattenrost und Gipsplatte versehen worden, nachdem festgestellt worden war, dass die Decke die neue Schalung trägt.