
Die Bühne im Kurtheater schien in ein Genre zu führen, das man mit den britischen Inseln schon lange verbindet: da stand ein etwas heruntergekommenes Schloss, das nur auf düstere Vorkommnisse zu warten schien. Im Laufe der Handlung wurde klar, dass es von einem Wald umgeben war, aus dem furchteinflößende Tierlaute kamen. Der englische Erfolgsdramatiker Alan Ayckbourn greift in seinem Stück „Falsche Schlange“ zu den Klischees, die das Horrorgenre bereithält.
Das erstaunt bei einem Autor, der in seinen fast hundert Stücken beinahe durchgehend auf dem Boden der nachprüfbaren Tatsachen blieb und sich der Darstellung des manchmal skurrilen, manchmal befremdlichen, meist aber ziemlich realistischen Zusammenlebens der Menschen auf den britischen Inseln widmete. Dafür wurde er nicht nur von der Queen geadelt, sondern hatte auch einen festen Platz in den deutschen Theatern gefunden.
Und ständig lauert die Unsicherheit
Nun also ein Psycho-Thriller mit dem ominösen Originaltitel „Snake in the Grass“, der sich auf ein Zitat von Vergil bezieht „Kalt lauert die Schlange im Grase.“ Das trifft die Absicht des Autors, der in seinem Stück eine ständig lauernde Unsicherheit aufrechterhalten will, die Zuschauer im Unklaren lassen will, von welcher der drei Frauen die größte Gefahr ausgeht.
Die beiden Schwestern führt diese Unsicherheit zusammen, nachdem sie einander ein ganzes Leben gemieden haben. Annabel, die Ältere, hatte sich für Jahrzehnte nach Australien abgesetzt und Miriam, die Jüngere, mit dem unberechenbaren Vater alleingelassen. Beide sind scharf auf das offenbar ansehnliche Erbe des Vaters , doch hat der sie ausgetrickst und hat eine dritte Bewerberin, seine Krankenschwester Alice Moody bedacht. Die wurde von Miriam entlassen, um sie aus dem Weg zu schaffen, doch sie kommt zurück und fordert ihren Anteil.
Geräusche und Lichteffekte
Der Zuschauer wird einen ganzen Theaterabend lang über den Ausgang des Machtkampfes im Unklaren gelassen, was von einer ganzen Menge mysteriöser Geräusche und Lichteffekte aus dem Krimigenre begleitet wird.
Die Theatertournee Thespiskarren, die seit Jahrzehnten beim Theaterring bekannt ist, hat der aus dem Fernsehen sehr populären Darstellerin der Annabel, Gerit Kling , nicht nur diese Rolle, sondern auch die Regie übertragen. Bei ihr hatte man den Eindruck, dass sie diese Position einmal ausnutzen wollte, um mit den Klischees zu spielen, die solch ein mysteriöser Thriller zu bieten hat.
Dabei scheute sie nicht zurück vor slapstickhaften Übertreibungen und manchmal etwas albern wirkenden Effekten, die man aus anderen Stücken zum Fürchtenmachen kennt. Ton (Stefan Traute) und Licht (James Nieland/ Kristaps Michaelis) benutzten Donner und Blitz immer wieder. Und aus dem Garten hinter dem Tennisplatz kamen Tierschreie, die wohl das Blut gefrieren lassen sollten.
Traumatisierte Schwestern
Dabei ging etwas beinahe unter, das das Gruselstück auch für uns Heutige interessant macht. In dem Stück geht es um eine dysfunktionale Familie, in der die beiden Schwestern durch die seelische Grausamkeit ihres Vaters in ihrer Kindheit und Jugend, die das Stück erst langsam enthüllt, zu den eiskalt agierenden Egoisten geworden sind. Gerit Kling als Annabel Chester und Mackie Heilmann als ihre jüngere Schwester Miriam Chester spielten plausibel diese beiden traumatisierten Frauen.
Als absolute Gegensätze gecastet – Gerit Kling als smarte, aber ruinierte Geschäftsfrau aus dem fernen Australien und Mackie Heilmann als vom Leben vergessenes pummeliges Mauerblümchen, das nie herauskam aus dem Dunstkreis des Schlosses und ihres Vaters und im Gegensatz zu ihrer Schwester auch unfähig zum Finden eines Partners war, erschienen beide als die Opfer, zu denen ihr Vater sie gemacht hat.
Das machte es sehr plausibel, dass es letztendlich die Krankenschwester ist, die die Oberhand behält. Astrid Rashed spielte die Rolle mit der Ruhe der eiskalten Strippenzieherin. Nicht sonderlich passend im schottischen Geistergarten lieferte sie wie ein Zitat aus anderen Gruselfilmen auch den durch den Garten geisternden Mönch, der Geige spielend durch den Garten schleicht.
Der Abend war zum Teil amüsant, gelegentlich überzogen, machte aber dem Publikum Vergnügen, sodass dieses am Ende lange und heftig applaudierte.
Gerhild Ahnert ist ehrenamtliche Intendantin des Theaterrings

