Im Falle einer Verurteilung wegen unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln hätte dem Angeklagten eine Freiheitsstrafe gedroht, weshalb er sich nicht vor dem Amtsgericht, sondern vor dem Schöffengericht zu verantworten hatte. Doch nach 90-minütiger Verhandlung wurde der heute 22-jährige Handwerker zwar nicht freigesprochen, allerdings wurde die Verhandlung ausgesetzt, da außer Verdachtsmomenten und Indizien dem Bad Kissinger Schöffengericht keine urteilsfähigen Beweise vorgelegt werden konnten.
Schwerwiegende Vorwürfe
Die Staatsanwaltschaft hatte schwerwiegende Vorwürfe erhoben: Der Angeklagte habe in zwei Fällen mit Marihuana gehandelt, um hieraus Gewinne zu erzielen. So soll er im Herbst 2021 über sein Handy bei einem anderen strafrechtlich Verfolgten mindestens 125 Gramm Marihuana im Wert von 1000 Euro bestellt, zwei Tage später auch empfangen und bezahlt haben. Im April 2022 soll er, so die Anklage weiter, wiederum 125 Gramm bestellt, empfangen und bezahlt haben.
In beiden Fällen habe das Marihuana einen Wirkstoffgehalt von mindestens zehn Prozent der Droge Tetrahydrocannabinol (THC) gehabt. Bei einer nachfolgenden Durchsuchung seiner Wohnung fand die Polizei knapp 20 Gramm Marihuana sowie für dessen Genuss benötigte Utensilien, die der Angeklagte dort „willentlich und wissentlich“ aufbewahrt hatte. Zusätzlich wurden in seinem Jugendzimmer in der Wohnung der Eltern weitere 0,2 Gramm Amphetamine gefunden mit einem Wirkstoffgehalt von zehn Prozent Amphetaminbase. Der Angeklagte wurde deshalb des unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen in Tatmehrheit mit dem Besitz von Betäubungsmitteln beschuldigt.
Angeklagter äußerte sich nicht
Der 22-Jährige wollte sich auf Anraten seines Verteidigers nicht zu den Vorwürfen äußern, so dass das Schöffengericht allein auf die Vernehmung der beiden Zeugen angewiesen war. Doch gleich der erste Zeuge, ein Cousin des Beschuldigten , nahm aufgrund des engen Verwandtschaftsverhältnisses von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Blieb dem Gericht allein die Aussage des Polizeibeamten , der den Vorgang bearbeitet hatte. Dieser schilderte den Fahndungsverlauf und trug die einzelnen Positionen der ausgewerteten Handy-Chats vor, auf denen die Anklage beruhte.
Lediglich Handy-Chats
Hier hakte der Verteidiger gleich nach: „Gibt es Nachweise, dass es tatsächlich zur Übergabe und Bezahlung der Bestellungen gekommen ist?“ Diese Frage musste der Beamte verneinen: Es gab lediglich die Handy-Chats, die entsprechende Schlussfolgerungen ermöglichten, aber keine konkreten Nachweise, dass es tatsächlich zur Abnahme gekommen ist. Zudem gab es keine Nachweise über eine tatsächliche Weitergabe des Marihuanas an bestimmte Personen, so dass auch der Handel unbestätigt blieb.
Der Verteidiger setzte nach: Das Jugendzimmer in der Wohnung der Eltern sei vollständig ausgeräumt gewesen, und der Vater habe ausgesagt, das in dieser Wohnung gefundene Amphetamin gehöre ihm selbst. Das Gegenteil konnte nicht bezeugt werden. Weiteren Zweifel an der Schuld seines Mandanten begründete der Verteidiger damit, dass die Polizei nicht überprüft hatte, ob der Angeklagte allein oder mit anderen Personen in seiner Wohnung lebte, und das dort gefundene Marihuana nicht gutachterlich hatte untersuchen lassen.
So könne es statt des verbotenen THC-Produkts durchaus auch ein frei erhältliches Cannabidiol-Produkt (CBD) gewesen sein, dessen gesetzlich erlaubte Grenze bei nur 0,2 Prozent THC liegt. Auch diesem Vorhalt konnte der Polizeibeamte nicht widersprechen. Im nachfolgenden Gespräch mit Staatsanwalt und Richterin wiederholte der Verteidiger seine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der von der Staatsanwaltschaft gegen seinen Mandanten erhobenen Vorwürfe: „Die Anklage ist von anderen Voraussetzungen ausgegangen.“ Der Staatsanwalt wollte allerdings nicht gleich aufgeben, zumal man sich nur auf diese beiden juristisch schwerwiegenderen Fälle beschränkt habe und andere Punkte habe fallen lassen: „Die Anklage ist eine Art Friedensangebot, um den Fall für den Angeklagten gut über die Bühne zu bringen. Dass die Sachen bei ihm gefunden wurden, ist doch klar.“ Doch der Verteidiger beharrte auf seiner Strategie: Freispruch oder Aussetzung des Verfahrens.
„Entwicklung unauffällig“
Die Mitarbeiterin der Jugendgerichtshilfe stellte dem 22-Jährigen ein gutes Zeugnis aus: Seine Entwicklung sei unauffällig gewesen, die Ausbildung habe er erfolgreich absolviert, er habe ein festes Arbeitsverhältnis und konkrete berufliche Pläne. „Entwicklungshemmende Faktoren sind nicht erkennbar.“ Da der Angeklagte zum Tatzeitpunkt 20 Jahre alt war, empfahl sie die Anwendung des Erwachsenenstrafrechts.
Doch dazu kam es nicht mehr: Nach nochmaliger Diskussion der Juristen, in deren Verlauf der Verteidiger noch einmal das Fehlen stichhaltiger Beweise beanstandete, schloss die Richterin die Beweisaufnahme und setzte das Verfahren aus. Der Angeklagte durfte das Gericht ungestraft verlassen.
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Main Post lesen soll bilden , zumindest aber nicht verwirren. Deswegen der Hinweis : Das Schöffengericht gehört selbstverständlich auch zum Amtsgericht, wohin denn sonst ??