Schwul, lesbisch, transsexuell, intersexuell – all das, was nicht auf dem Spektrum der Heterosexualität (Frau liebt Mann, Mann liebt Frau) oder dem Spektrum der Cis-Geschlechtsidentität (Geschlechtsidentität stimmt mit zugewiesenem Geschlecht überein) liegt, lässt sich unter dem Überbegriff queer zusammenfassen.
Und queer zu sein ist auch noch heutzutage mit vielen Vorurteilen behaftet und ein sehr polarisierendes Thema. Deswegen ist es für viele queere Menschen nicht immer einfach, diese zutiefst persönlichen Eigenschaften für andere zu offenbaren – sei es in der Familie oder im Bekanntenkreis.
Anlässlich des Pride Month, der immer im Juni stattfindet und in dem explizit um die Sichtbarkeit von queere Themen gekämpft wird, haben drei queere Menschen mit dieser Zeitung gesprochen und ihre Erfahrungen geteilt.
Alexander Steinbeis' Outing mit 20
Einer davon ist Alexander Steinbeis, Intendant des Kissinger Sommers. Er hat sich mit Mitte 20 geoutet. „Zumindest für heutige Verhältnisse, relativ spät“, wie er findet. Damals lebte er in den USA, weit weg von zu Hause. „Insgesamt habe ich mein Outing als schwuler Mann sehr positiv wahrgenommen, auch wenn es am Anfang nicht einfach war.“ Seine Familie habe verständnisvoll und mit Liebe und Zuneigung reagiert. Auch im Bekanntenkreis war das Echo eine bunte Mischung, von Entspanntheit über Freude bis zu Begeisterung.
Josefine ist aktiv beim Bad Kissinger Queer-Stammtisch Rainkiss. Sie berichtet, sich mit 13 bis 14 Jahren geoutet zu haben. „Im Nachhinein war es der Moment, in dem ich angefangen habe, mich selbst mehr zu mögen. Für mich persönlich hat es mehr als ein Jahr gebraucht, bis ich einigermaßen akzeptiert habe, dass ich nicht hetero bin.“
Ihren Eltern schrieb sie einen Brief. Sie waren beinahe „erleichtert und glücklich, dass ich mich ihnen anvertraut habe.“ Auch ihre Geschwister hätten sehr positiv reagiert.
Gibt nicht nur ein Outing, sondern viele
„Doch es muss gesagt werden, dass es im Leben einer queeren Person nicht nur ein Outing gibt“, sagt sie. Da gebe es das eigene, das innere Outing, bei dem „man selbst merkt und akzeptiert, dass man queer ist.“ Dann gibt es das vor der Familie, das vor den derzeitigen Freunden „und dann jedes Mal aufs neue, wenn man eine neue Person trifft, die man näher kennenlernt.“
So geht es auch Gwendolyne, ebenfalls bei Rainkiss aktiv. Statt er oder sie wird bei Gwendolyne das Wort they verwendet. Das ist deswegen, weil they sich nicht in das binäre System von männlich und weiblich einordnet. „Ich persönlich hatte nicht dieses eine Coming-out, es sind eher immer wieder neue Coming-outs bei mir. Immer wenn ich eben neue Menschen kennenlerne und erzähle, dass ich queer bin oder es bei schon bekannten Leuten erzähle.“
Queer sein kann gefährlich werden
Manchmal werde man „von außen“ geoutet, indem es jemand anderes erzählt. Eine indirektere Art des Outings sei es, Kleidung oder Accessoires mit Regenbogenmuster zu tragen. Das führe hier und da auch zum Gespräch, in dem es zum Coming-out kommt. „Trotzdem bin ich nicht immer darauf eingestellt, mich zu outen. Vor allem bei Menschen, die man gerade erst kennenlernt und nicht einschätzen kann, wie sie zu dem Thema eingestellt sein könnten“, sagt Gwendolyne.
Generell versucht they, jedes Mal vorher abzuschätzen, wie die Person reagieren könnte und oute sich dementsprechend, oder eben nicht. Josefine sieht das auch so und ergänzt: „Auch jetzt noch ist ein Outing manchmal so, als würde man eine riesengroße Zielscheibe aufbauen, denn queer sein ist immer noch gefährlich, auch in Deutschland.“ Heißt auch, so Josefine: „Wenn sich dir eine Person als queer outet, ist es fast das größte Kompliment, das die Person dir geben kann. Sie zeigt dir, dass sie dir vertraut.“
Ein weiterer Artikel zu dem Thema erscheint am Donnerstag, 27. Juni!