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Bad Kissingen
Post-Covid: Hilfe für infizierte Seelen
Viele Patienten entwickeln Traumata, Depressionen, Angstzustände. Was den Betroffenen zu schaffen macht und was ihnen hilft.
Sowohl die akute Covid-19-Infektion, als auch  Spätfolgen können psychische Erkrankungen bei Menschen auslösen. Häufig sind Betroffene vorbelastet.       -  Sowohl die akute Covid-19-Infektion, als auch  Spätfolgen können psychische Erkrankungen bei Menschen auslösen. Häufig sind Betroffene vorbelastet.
Foto: Fabian Sommer, dpa | Sowohl die akute Covid-19-Infektion, als auch Spätfolgen können psychische Erkrankungen bei Menschen auslösen. Häufig sind Betroffene vorbelastet.
Benedikt Borst
 |  aktualisiert: 14.09.2022 17:22 Uhr

Sie brauchen medizinische Hilfe gegen seelische Erkrankungen - gegen ihre Depressionen , Angststörungen oder Traumata. Rund 120 Patienten lassen sich aktuell in der Parkklinik Heiligenfeld in der Bismarckstraße behandeln. Darunter finden sich seit Beginn der Corona-Pandemie auch regelmäßig Menschen, die eine Covid-19-Infektion durchgemacht haben. Der akute Krankheitsverlauf oder aber die Spätfolgen (Post- bzw. Long-Covid-Syndrom) haben die Betroffenen auch seelisch - oft erneut - aus der Bahn geworfen. Menschen, die bereits eine psychische Krankengeschichte mit sich herumschleppen, seien dafür anfälliger. "Unsere Patienten sind in erster Linie Patienten , die schon eine Vorbelastung haben und dann kommt Corona noch oben drauf", sagt Dr. Hans-Peter Selmaier, Chefarzt der Parkklinik Heiligenfeld. Die Virusinfektion verstärke vorhandene Beschwerden.

Selmaier ist unter anderem Facharzt für Psychosomatische Medizin, Psychotherapie und Psychoanalyse. "Die Menschen kommen mit den typischen, psychischen Krankheitsbildern", berichtet er. Es gebe Patienten , die nach einem schweren Krankheitsverlauf und langen Wochen auf der Intensivstation traumatisiert sind. Anderen leiden unter den Spätfolgen einer Coronaerkrankung - dazu gehören Symptome wie extreme Erschöpfungszustände, körperliche Schwäche, Kurzatmigkeit, Konzentrationsprobleme, Wortfindungsstörungen und neurologische Folgen wie etwa Sehstörungen; dies könne bei Betroffenen Angstzustände oder Depressionen auslösen. Ebenfalls als belastend empfinden es viele, wenn die Menschen in ihrem Umfeld ihre Beschwerden nicht ernst nehmen, oder aber Ärzte und Therapeuten ratlos sind.

Was laut Selmaier oft dazukommt: Die seelischen Erkrankungen lösen Parallelerkrankungen aus. Wer ein Traumata erlitten hat oder an Angstzuständen leidet, wird anfälliger für Depressionen . Genauso können zusätzlich somatische, also körperliche Beschwerden auftreten. "Es gibt Patienten , die Schmerzstörungen entwickeln, oder auch somatoforme Störungen", erklärt der Chefarzt. Das meint körperliche Beschwerden, ohne dass ein organischer Defekt zugrunde liegt; dass ein Mensch mit gesundem Herzen Herzrasen bekommt zum Beispiel oder Magen- und Rückenschmerzen ohne körperliche Ursache.

Covid-Infektion als "Schuss vor den Bug"

Den Betroffenen, die sich in psychosomatische Behandlung begeben, attestiert Selmaier gute Genesungsaussichten. "Die meisten Post- und Long-Covid-Symptome sind in der Regel nach einem Jahr vorbei", sagt er. Sie müssten in dieser Zeit aber mit erheblichen Einschränkungen leben und sich darauf einstellen, dass die Genesung nur in kleinen Schritten erfolgt. Wer zu schnell zu viel wolle, riskiere Rückschläge.

Psychosomatische Symptome in Zusammenhang mit Long-Covid bessern sich oft während der stationären Behandlung relativ schnell. "Es tritt häufig innerhalb weniger Wochen eine Besserung sein", hat Selmaier beobachtet. Allein das Gefühl in Sicherheit zu sein und zur Patientengemeinschaft dazuzugehören, wirke sich positiv aus. "Ein Klinikaufenthalt wirkt auf die Patienten sehr stabilisierend", betont der Arzt. Sechs bis acht Wochen dauere in der Regel die Therapie.

Diese ist multimodal und integrativ angelegt, das heißt Ärzte und Therapeuten verschiedenen Fachrichtungen begleiten den Patienten . Es gibt Einzelgespräche und es wird in Kerngruppen gearbeitet: Heiligenfeld biete 35 Therapieansätze von kreativ- und bewegungstherapeutischen bis zu verhaltens- und traumatherapeutischen oder tiefenpsychologischen Ansätzen an. Wichtig sei es, den Patienten zunächst wieder psychisch zu stabilisieren, bevor man ihm bei der Bewältigung der Probleme helfen könne. Bei der Therapie habe man insofern Erfahrungswerte, weil die psychischen Zustände nach Corona denen anderer schwerer Viruserkrankungen ähneln (etwa nach schweren Grippen oder Pfeifferschem Drüsenfieber). Die körperlichen Beschwerden werden nach den entsprechenden medizinischen Leitlinien behandelt.

"Für manche Patienten ist die Ansteckung mit Corona ein Schuss vor den Bug", sagt der Mediziner. Manchmal begünstige der persönliche Lebenswandel - etwa durch Stress - dass einen psychische Krankheiten treffen. Die Therapie könne helfen, diesen Lebenswandel zu hinterfragen und zu ändern, so dass die Betroffenen hinterher gesünder leben als vor der Ansteckung. Selmaier: "Es gibt die Chance, an der Krankheit zu wachsen und etwas zum Positiven zu verändern. Wir nennen das posttraumatisches Wachstum." In jeder Krise steckt auch eine Chance.

Psychosomatischen Kliniken droht zeitversetzte Corona-Welle

Laut einer aktuellen Studie leidet jeder Dritte-Covid-Patient an Langzeitschäden an Nerven oder Psyche. Dennoch scheint der große, pandemiebedingte Andrang auf psychosomatische Kliniken bisher ausgeblieben zu sein, sagt Hans-Peter Selmaier, Chefarzt der Parkklinik Heiligenfeld in Bad Kissingen . Unter den 120 Patienten , die die Ärzte und Therapeuten der Parkklinik aktuell behandelt, befindet sich gerade einmal eine Handvoll mit Post- oder Long-Covid-Syndrom.

Allerdings sei die Erfassung schwierig und die Dunkelziffer mitunter hoch. Der Facharzt für innere Medizin, psychosomatische Medizin, Psychotherapie und Psychoanalyse hält es für denkbar, dass Menschen an psychischen Folgen einer Covid-Infektion leiden, sich auch behandeln lassen, ihre Beschwerden aber nicht in Verbindung mit der Erkrankung bringen. Ebenso sei es möglich, dass Betroffene mit ihren Beschwerden zunächst bei Ärzten und Kliniken anderer Fachrichtungen Hilfe suchen. Die Übergänge zwischen seelischen und körperlichen Folgen seien oft fließend.

"Covid-Patienten strömen nicht gleich in die Psychosomatik, sondern in andere Kliniken", sagt er. Der Bedarf an psychosomatischer Behandlung hat in der Pandemie zwar zugenommen, aber der Anteil an Long-Covid-Patienten ist überschaubar. Selmaier rechnet damit, dass dies sich mittelfristig ändert: "Es kann sein, dass eine zeitversetzte Welle auf die psychosomatischen Kliniken zukommt."

 
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