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Bad Kissingen
Wie Post-Covid, Körper und Psyche zusammenhängen
Bei Long- und Post-Covid ist es sinnvoll, sich in Behandlung zu begeben, die sowohl körperlich als auch psychisch ansetzt. Warum, erklärt der Chefarzt der Parkklinik Heiligenfeld.
Post- und Long-Covid haben körperliche wie psychische Folgen.       -  Post- und Long-Covid haben körperliche wie psychische Folgen.
Foto: Andreas - Freepik.com | Post- und Long-Covid haben körperliche wie psychische Folgen.
Redaktion
 |  aktualisiert: 29.05.2024 17:25 Uhr

Müdigkeit, Erschöpfung, Herzrhythmusstörungen, Konzentrations- oder Merkfähigkeitsstörungen, Schmerzen, Luftnot: Das sind nur einige der Symptome von Post-Covid . Doch auch psychische Belastungen können so stark werden, dass sie behandlungsbedürftig sind.

Die Parkklinik Heiligenfeld bietet dafür ein Behandlungskonzept an. Dr. Hans-Peter Selmaier, Chefarzt der Parkklinik und stellvertretender Ärztlicher Direktor, spricht über Post-Covid und die Behandlung.

Was versteht man unter Post- und Long-Covid? Und was ist der Unterschied?

Hans-Peter Selmaier: Unabhängig von der Krankheitsschwere können an Covid-19 Erkrankte noch lange an körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen leiden. Nach aktuellen Studien sind circa zehn Prozent betroffen. Das Robert-Koch-Institut beschreibt „Long-Covid“ als gesundheitliche Beschwerden, die noch vier Wochen nach der akuten Krankheit bestehen oder neuauftreten.

„ Post-Covid-Syndrom “ seien Beschwerden, die noch nach zwölf Wochen vorhanden und nicht anderweitig erklärbar sind. Eine andere Institution unterscheidet ähnlich, bezieht bei beiden aber noch die Verschlechterung vorbestehender Grunderkrankungen mit ein.

Mit welchen Beschwerden kommen Patientinnen und Patienten in die Klinik, wenn sie die Post-Covid-Diagnose haben?

Das Krankheitsbild ist vielfältig. Die Symptomstärke kann von Tag zu Tag variieren. Dazu gehören körperliche Beschwerden, etwa der Lunge, des Kreislaufsystems und der Durchblutung, bis hin zu Angstzuständen und Depression. Hinzu kommen unklare Hautveränderungen und „brennende Missempfindungen“ in der Brust.

Die üblichen psychischen und psychosomatischen Krankheitsbilder bestehen teils in Reaktion auf Post-Covid , teils unabhängig davon. Dabei können sich die Symptome des Post-Covid-Syndroms mit denen anderer Krankheitsbilder überlappen und sind oft schlecht voneinander zu differenzieren.

Immer wieder wird darüber diskutiert: Ist Post-Covid rein psychisch?

Es wurde umfassend untersucht, inwieweit Schädigungen des Nervensystems bei Post-Covid-Patientinnen und -Patienten bestehen. 85,8 Prozent zeigten keine neurologischen Anomalien.

Vorhergehende psychische Erkrankungen sind ein Risikofaktor für ein Post-Covid-19-Syndrom.

Bei anderen Erkrankungen, etwa Multiple Sklerose, kann man im Gehirn eindeutig einen Entzündungsherd feststellen. Beim Post-Covid-Syndrom sind die Befunde meist unauffällig.

Also kann es viel mehr mit der Psyche zu tun haben als mit dem Virus?

Ja. Man weiß seit langem, dass Körper und Geist eine Einheit bilden und sich etwa übermäßiger Stress körperlich ausdrücken kann. Das bedeutet aber nicht, dass sich die Patientinnen und Patienten die Symptome nur einbilden. Post-Covid ist nicht rein psychisch.

Wir kennen Langzeitfolgen ja auch von anderen Erkrankungen (z. B. Influenza), die auch nicht rein psychisch sind. Nur: Geht es mir dauerhaft körperlich schlecht, leidet darunter langfristig auch die Psyche.

Was erleben Betroffene in einer psychosomatischen Klinik genau?

Vielen Patientinnen und Patienten hilft es schon, wenn sie die Erlebnisse ihrer Corona-Erkrankung zu teilen und besprechen. Patientinnen und Patienten kommen mit großer Angst und Verunsicherung, gerade wenn sie bereits psychische oder psychosomatischen Krankheiten hatten. Gleichzeitig sind sie damit teilweise vermeidend umgegangen.

Wir machen eine körperliche und psychische Diagnostik, deren Ergebnisse wir den Betroffenen vermitteln (aufklärendes Vorgehen). Dazu gehört auch der Austausch mit anderen Betroffenen. Das leitet eine Distanzierung von den Beschwerden ein, vermittelt Hoffnung und Zuversicht.

Wozu ist das wichtig?

Die Patientinnen und Patienten finden wieder zu sich und ihrer Mitte. Sie gewinnen wieder Zugriff zu ihren Ressourcen, während sie ihre Gesundheit fördern. Auch die Gemeinschaft und Spiritualität sind wichtig.

Patientinnen und Patienten erleben einen positiven Therapieverlauf, der auch dokumentiert wird. Können sie (Post-) Covid schlecht verarbeiten und liegt eine (posttraumatische) Belastungsreaktion oder eine Anpassungsstörung vor, so werden die Krankheitsbilder bei uns leitliniengerecht behandelt.

Was ist mit körperlichen Beschwerden? Wie werden sie mitbehandelt?

Wir wollen Beschwerden genau zuordnen und ihren Zusammenhang zu Post-Covid klären. Andere Krankheitsbilder, die eventuell durch (Post-) Covid verstärkt wurden, sollten nicht übersehen werden.

Am Anfang steht neben einer üblichen ärztlichen Eingangsuntersuchung eine spezielle Labordiagnostik und ein Elektrokardiogramm. Zur Erfassung des Zustandsbildes erfolgt ein Symptomscreening, eine Gehstreckenbestimmung und die Bestimmung des Sauerstoffpartialdrucks am Anfang und nach vier Wochen stationären Aufenthaltes. Internisten oder Kardiologen machen gegebenenfalls weitere Untersuchungen.

Wichtig ist es, Patientinnen und Patienten über Symptomzusammenhänge und Behandelbarkeit sowie Verhaltensempfehlungen gegen Angst und Verunsicherung aufzuklären. Wir möchten, dass sie Halt und Orientierung erfahren und in Zukunft Selbstüberforderung vermeiden.

Wie lange ist der Aufenthalt in der Regel bei Post-Covid in der Klinik?

Mindestens vier Wochen, um bei stärkeren Symptomen durchgreifende Veränderungen zu bewirken. Ansonsten ist die Krankheitsschwere der begleitenden Erkrankungen mitzuberücksichtigen. Unser Ziel ist nicht ausschließlich eine Symptomreduktion oder -beseitigung, sondern ein deutlich besserer Umgang mit der Krankheit und dem eigenen Leben mit mehr Selbstvertrauen und Zuversicht.

Das heißt, dass die Therapiedauer sehr von den eigenen Zielen und Veränderungswünschen abhängt. Natürlich können auch kürzere therapeutische Impulse sinnvoll sein. An die stationäre Therapie sollten idealerweise weitere ambulante Therapien ansetzen. Therapie sollte auch Sekundärprophylaxe sein, um ein Fortschreiten der Erkrankung oder ein erneutes Auftreten zu verhindern.

Welche Therapien werden als besonders hilfreich empfunden?

Traumatherapie bildet einen zentralen Teil der Behandlung. Spezifische Einzelpsychotherapie unterstützt dabei. Ansonsten gehen wir in Einzel- und Gruppentherapie eher stabilisierend und ressourcen-aktivierend oder mehr aufdeckend vor. Auch die therapeutische Gemeinschaft, die Schutz, Halt und Verbundenheit vermittelt sowie Spiritualität sind wichtig.

Vorteilhaft sind achtsamkeitsbasierte und meditative Therapieansätze (Meditation, Yoga, QiGong). In der Atmung sehen wir einen Dreh- und Angelpunkt eines effektiven Stress- und Selbstmanagements. Insgesamt erreichen wir über eine bessere Stressbewältigung eine Steigerung von Resilienz und Immunabwehr.

Für grundlegend erachten wir Selbststeuerung und die Fähigkeit, sich selbst regulieren und steuern zu können, vor allem den Umgang mit den eigenen Emotionen. Konkrete Übungen helfen, sich selbst im Gleichgewicht zu halten. Hervorzuheben sind körper- und kreativtherapeutische Angebote wie Achtsamkeitstraining oder Reittherapie.

Sanfte Sporttherapie in der Gruppe dient hierbei nicht nur der körperlichen Ertüchtigung, sondern auch dem positiven Erleben des eigenen Körpers und dem Erleben von Gemeinschaft und Verbundenheit. Die Therapie sollte insgesamt hochindividuell zusammengestellt sein und berücksichtigt alle Facetten von Erkrankung und Persönlichkeit mit Würdigung individueller Ressourcen.

Was zeichnet die stationäre Post-Covid-Therapie in einer psychosomatischen Klinik aus?

Wie bereits ausgeführt, geht es um eine Therapie, die auch Körperliches mitberücksichtigt. Dazu gibt es im ambulanten Bereich nicht genügend Therapieangebote. Auch ist das Zuhausebleiben symptomstabilisierend bis verstärkend, Distanz hingegen hilfreich.

Oft sind körperliche (somatische) Kliniken eher mit körperlichen Symptomen und Einschränkungen befasst. Ohne Miteinbeziehung der Psyche sind da schnell Grenzen erreicht. Rein psychotherapeutische Kliniken würdigen oft den körperlichen Behandlungsbedarf der Betroffenen nicht ausreichend und psychologisieren vorschnell.

In einer psychosomatischen Klinik gelingt es, beide Seiten in einem ganzheitlichen Therapieansatz gut zu verbinden. Die Therapiemöglichkeiten gerade im körper- und kreativtherapeutischen Bereich übersteigen zudem die Möglichkeiten von Rehakliniken . Die Zusammenarbeit mit dem Internisten vermehrt die Möglichkeiten in Diagnostik und Therapie erheblich. Verschiedene Aspekte können gleichzeitig berücksichtigt werden.

Das Gespräch führte Kathrin Schmitt.

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