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HAMMELBURG
Pointen in Hochgeschwindigkeit
Tipp von Kabarettistin Anny Hartmann: „Sie sollten mehr als 67 200 Euro im Jahr verdienen, dann schaffen Sie es vielleicht auch zum Spitzenverdienst von 17,9 Millionen.“
Foto: Gerd Schaar | Tipp von Kabarettistin Anny Hartmann: „Sie sollten mehr als 67 200 Euro im Jahr verdienen, dann schaffen Sie es vielleicht auch zum Spitzenverdienst von 17,9 Millionen.“
Von unserem Mitarbeiter Gerd Schaar
 |  aktualisiert: 08.01.2016 11:05 Uhr

Kabarett vom Allerfeinsten gab es in der voll besetzten Hammelburger Markthalle. Mit ihrem zweistündigen Soloprogramm „Humor ist, wenn man trotzdem wählt“ faszinierte Anny Hartmann ihre Zuhörer so sehr, dass ihnen mitunter der Atem stockte. Der Verein kulturbunt hatte die Kabarettistin in die Saalestadt eingeladen.

Wählen konnten die Zuhörer schon am Eingang der Markthalle, nämlich unter den angebotenen verschiedenfarbig „kulturbunten“ Schokoladenkügelchen. Die Halle füllte sich bis auf den letzten Platz. „Hartmann bringt viel Hintergrundwissen und Lebenserfahrung auf die Bühne. Sie formuliert ihre Erkenntnisse auf den Punkt und trägt sie in einer Dichte vor, dass ich mich beim Zuhören sehr konzentrieren musste“, meinte Josef Bernhard bewundernd.

Das Thema Wahl passt heuer optimal angesichts der bevorstehenden Landtags- und Bundestagswahl. „Wir haben bereits uns gewählt“, meinte Martina Bay, als sie bei Hartmanns Ankündigung auf die drei großen Hs des Kabaretts hinwies: Humor, Haltung und Hirn.

Ganz besonders Letzteres, nämlich viel Hirn, kann man der kritisch-pointenreichen bis bissig-bösen Kabarettistin aus Köln zusprechen. Aus ihrem rheinischen Mund prasselte es mit verbaler Hochgeschwindigkeit auf das Publikum nieder. Schnell wechselten die gewählten Themen. Da wich die Quotenfrau am Weltfrauentag dem „super-unnötigen Vehikel SUV“ auf der männlich orientierten Chefetage aus. Hartmann entdeckte die variable Lohnuntergrenze auf dem Arbeitsmarkt und konnte sich aus der Sicht eines gering Verdienenden kein Hobby „Altersversorgung“ leisten. – „Wer hat diese Politiker gewählt?“, fragte sie sich.

Dann sollte man nach Erkenntnis von Hartmann doch lieber ein Jahresgehalt von mehr als 62 700 Euro wählen, um sich von jenen lästigen Abgaben zu befreien, die von den Bürgern mit weniger Einkommen Pflicht seien. Noch angenehmer lebe es sich mit 17,9 Millionen Euro Jahresgehalt, zeigte die gelernte Diplomvolkswirtin und ehemalige Sparkassen-Mitarbeiterin den bundesdeutschen Spitzenverdienst auf. Aber auch das Betreuungsgeld und Hartz IV gerieten in Hartmanns Blickfeld. „Die Jungs von Opel schicken wir in den Kindergarten. Die spielen doch so gern mit Autos“, schlug sie vor. Und die Senioren sollten statt in Rente zu gehen, lieber ein Praktikum ohne Lohn wählen, das sie zusammen mit ihren Enkeln absolvieren.

Auch die Kirche bekam kabarettistische Seitenstiche ab: Flaschendrehen im Konklave zur Papstwahl. Welches katholische Krankenhaus sollen Patienten in Not wählen? Missbrauchsskandale und der Zölibat waren weitere Themen.

Aber auch der weltweite Rohstoffhandel ohne Moral, Lebensmittelskandale, das erhöhte Bußgeld für Radfahrer und der Verfassungsschutz kreuzten Hartmanns Soloprogramm. In ihrer Heimatstadt Köln hatte die Kabarettistin den Karneval als „Terror auf einer anderen Ebene“ nicht gewählt.

Anny Hartmann

Die Kabarettistin Anny Hartmann wurde 1970 in Köln geboren. Ihr Studium der Volkswirtschaftslehre schloss sie 2000 mit dem Diplom ab. Nach fünf Jahren bei der Sparkasse Köln machte sie sich 2003 als Kabarettistin selbstständig. Sie schreibt auch für ihre Kollegen aus der Kabarettszene und führt dort gelegentlich Regie. Bekannt wurde Hartmann bundesweit durch Fernsehauftritte wie Nightwash, Funkhaus und Ladies Night im WDR, in Ottis Schlachthof beim BR, Comedy Hotshot und Quatsch-Comedy-Club bei Pro7 sowie durch Comedy Central und Stuttgarter Besen beim SWR. Auch in der Schweiz und in Kanada trat Hartmann schon auf.

 
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