
Reichenbach „Der Himmel beginnt nicht 10.000 Meter weiter oben. Jede DrittklässerIn weiß, dass er weniger als 0,0001 Mikrometer über der Erdoberfläche beginnt!“ Dieser Satz, zitiert von Claus und Agnes Schmitt am höchsten Punkt der diesjährigen Reichenbacher Radwallfahrt, bringt das Pilgerthema „Wir suchen Gottes Willen“ auf den Punkt. Am Rothhügel, zwischen Theinfeld und Oberlauringen gelegen, hatte der Reichenbacher Wallfahrtsführer die 93 Mitfahrenden aufmerksam gemacht auf ein Wegkreuz am beschwerlichen Aufstieg auf der einen Seite, auf ein Photovoltaikfeld auf der anderen und auf die sich leicht drehenden Windräder Richtung Haßberge und der Rhön.
65 Kilometer unterwegs
Das alte hölzerne Zeichen des Glaubens und die Technik der Moderne direkt nebeneinander, mitten in Gottes reicher Natur. Ein gewaltiges Bild, das sich den Pilgernden an dieser Stelle bot. Sie nahmen es an, in sich auf und beseelt mit auf den restlichen Weg der insgesamt 65 Kilometer langen Radwallfahrt. „Sie führte nahezu komplett durch unseren großen Pastoralen Raum“, wie Münnerstadts Stadtpfarrer Markus Reis erfreut feststellte. „Da sieht man erst, wie groß und schön er ist“, so Pater Markus.
Von Reichenbach aus war die erste Gruppe am Samstagmorgen um 9 Uhr gestartet; an der Wasseraufbereitungsanlage im Münnerstädter Tal stieß die zweite Gruppe dazu. Dieses Mal fuhren Radlerinnen und Radler aus Althausen, Burghausen, Burglauer, Burkardroth, Eltingshausen , Oerlenbach, Fridritt, Seubrigshausen, Münnerstadt, Nüdlingen, Niederwerrn, Reichenbach, Strahlungen und Windheim mit.
Claus und Agnes Schmitt schärften die Gedanken der Mitfahrenden bei acht Impulsen, so im langen Tunnel oberhalb der Talkirche Richtung Poppenlauer. „Was tun, wenn der Kontakt nach oben zu betoniert ist? Wie kann Gottes Wille da zu uns kommen?“ Oder im idyllischen Ransbachtal an der Grotte mit der Frage: Wie erkennt Elias seinen Gott? „Lassen wir die Natur hier auf uns wirken, hören wir einfach der Stille zu. Auch das ist Gottes Wille!“
In der Thundorfer Schlosskirche, die den Radfahrerinnen und Radfahrern Thomas Bretscher geschichtlich vorstellte, lag der geistliche Fokus auf der Gottesmutter Maria. Sie hat Gottes Willen vom Engel erfahren, dass sie einen König zur Welt bringen soll. „Jesus, der als Gottessohn nicht auf das Ich achtete, sondern auf das Du“, wie Claus Schmitt erklärte. Dieses „messianische Du“ nahm Michael Nöth in der Wetzhäuser Kirche, dem diesjährigen Wendepunkt der Fahrt, in den Mittelpunkt seines Streifzuges durch die Geschichte dieses nur vordergründig unscheinbaren Dorfes bei Stadtlauringen.
Im dortigen Wasserschloss waren über Jahrzehnte die Reichsritter der Truchsess-Linie beheimatet. Sie sorgten sich als Brot- und Kirchenstifter um die notleidende Bevölkerung. Und ließen die Künstlergruppe um Oskar Ballhaus und Lena Hutter bis zu ihrem Umzug 1955 ins Schloss Maßbach im Wasserschloss wohnen. Auch das jüngste Schloss Bayerns wurde vor 130 Jahren ganz in der Nähe von Crafft Freiherr Truchsess von und zu Wetzhausen für seine amerikanische Ehefrau Carla Erhart gebaut.
Der Name Schloss Craheim leite sich aus den beiden Vornamen der Besitzer ab, erzählte Nöth. Auch dieses Schloss stand nach den Kriegen lange Zeit als Lazarett, als Schule und jetzt als Bildungsstätte der Allgemeinheit zur Verfügung. Über Sulzdorf und Stadtlauringen fuhr die teilweise über 500 Meter lange Radgruppe bis nach Poppenlauer. Zehn Guides sicherten jeweils beim Überqueren der Verkehrsstraßen die Radlerinnen und Radler ab.
„Ich habe schon mehrere Radwallfahrten mitgemacht, aber so sicher wie hier habe ich mich noch nie gefühlt“, lobte eine Teilnehmerin aus Eltingshausen . Am Bauernhof von Peter Dinkel oberhalb von Poppenlauer hatten die vier emsigen Helferinnen vom Reichenbacher Gemeindeteam eine große Kaffeetafel zur Stärkung aller vorbereitet. Wie schon zur Mittagszeit im Thundorfer Schlosshof. Wo die Reichenbacherinnen von den Thundorfern unterstützt wurden, die ihr Pfarrfest vorbereiteten und die Radlerinnen und Radler mit Getränken versorgten. Die letzte Stärkung erfuhren die Wallfahrenden aber an der Münnerstädter Talkirche.
Dort spendete Pater Markus den Segen - und hatte auch das Wallfahrts-thema „Gottes Willen“ aufgenommen. „Dafür gibt es keine Bedienungsanleitung“, sagte er. „Aber dieser wunderbare Tag heute mit den Eindrücken entlang des sehr gut ausgesuchten Radwegs in der Natur und den Impulsen hat vielen eine Möglichkeit aufgezeigt, Gottes Willen zu erkennen.“ Mit einem großen Dank an die Verantwortlichen und die umsichtigen Sicherheit-Guides schickte der Pfarrer die Wallfahrenden auf die letzten Meter nach Hause. Und Gottes Wille war es wohl, dass sie dabei auch etwas abgekühlt wurden von einem leichten Regen aus einem immer noch heiteren Himmel.
