
Es gibt Ereignisse, die eine ganze Generation prägen. So können wahrscheinlich die meisten Deutschen auch noch nach 17 Jahren den Refrain des Songs „54, 74, 90, 2006“ der Sportfreunde Stiller aus dem Jahr 2006 textsicher mitsingen. Versetzt er uns doch als inoffizielle Hymne der Fußballweltmeisterschaft 2006 zurück in das sogenannte Sommermärchen, das sich tief in unser kollektives Gedächtnis gebrannt hat.
Doch wir wurden als Zeitzeugen nicht nur von diesem Ereignis geprägt. Der Fall der Berliner Mauer, der Anschlag auf das World Trade Center und nicht zuletzt die Corona-Pandemie sind Weltereignisse, die uns alle betreffen, die jeder Einzelne dennoch individuell anders wahrnimmt.
Mit diesem individuellen Erleben historischer Ereignisse der jüngsten Geschichte beschäftigten sich am Frobenius-Gymnasium Hammelburg die Schülerinnen und Schüler des P-Seminars mit dem Titel „Zeitzeugen im persönlichen Umfeld“. Zielsetzung dieses Seminars war es, Geschichte über den schulischen Unterricht hinaus unmittelbar erlebbar zu machen, und zwar über einen persönlichen Zugang. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten die Aufgabe, in ihrem persönlichen Umfeld Zeitzeugen zu suchen und mit diesen ein Interview zu einem Ereignis der jüngeren Geschichte zu führen. Orientierung gab Seminarleiter Philipp Hemmerich.
So kamen dann insgesamt fünf Projekte zusammen. Die Themen lauteten „Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg“, „Die 68er-Bewegung im ländlichen Raum“, „Der Fall der Berliner Mauer und die deutsche Wiedervereinigung“, „Die WM von 2006 in Deutschland“ sowie „Der Anschlag vom 11. September 2001 auf das World Trade Center“. Die Schülerinnen und Schüler entscheiden sich für eine Umsetzung in Form von Podcasts beziehungsweise Videos.
Allerdings gestaltete sich das Finden von geeigneten Zeitzeugen zum Teil recht schwierig. Manche Projektgruppen wussten schon bei Auswahl ihres P-Seminars, mit welchen Zeitzeugen sie aus ihrem persönlichen Umfeld zusammenarbeiten wollten. So konnte beispielsweise das Erleben von Flucht und Vertreibung des Großvaters einer Schülerin nach dem Zweiten Weltkrieg zugleich als Familienvermächtnis festgehalten werden. Andere Gruppen fanden im Laufe der Projektarbeit schließlich mit Hilfe von Familie und Freundeskreis geeignete Interviewpartner.
Bevor es jedoch an die Aufzeichnung der Interviews ging, wurden die Schülerinnen und Schüler technisch von Mediendesigner Daniel Augustin fit gemacht. Friedrich Schäfer, Experte auf dem Gebiet der Oral History, vermittelte ihnen zudem die methodischen Grundlagen für Interviews mit Zeitzeugen. Ebenso mussten Fragen zum Datenschutz geklärt werden, insbesondere wenn Interviewpartner anonym bleiben wollten. Im vergangenen Dezember veröffentlichten die junge Leute auf der Homepage des Frobenius-Gymnasiums Hammelburg ihre Interwiews.
Abgesehen davon, dass sie technisch und methodisch dazugelernt haben, habe die Arbeit mit den Zeitzeugen bei den jungen Leuten einen tiefen Eindruck hinterlassen, heißt es in einer Pressemitteilung des Gymnasiums. Es ist das eine, über den Anschlag auf das World Trade Center zu lesen; es ist aber etwas ganz anderes, von den Erfahrungen einer Amerikanerin zu hören, die auf dem Rückflug in die USA war und am Tag des Anschlags aufgrund der Sperrung des amerikanischen Luftraums ohne Handyverbindung zu Familie und Freunden und verlässlichen Informationen am Flughafen Frankfurt strandete.
Alle Podcasts und Videos des P-Seminars „Zeitzeugen im persönlichen Umfeld“ sind auf der Homepage des Frobenius-Gymnasiums Hammelburg zu finden. (sh)