Was sich neckt, das liebt sich. Für Paare mag das ja stimmen. Aber für benachbarte Orte gilt es nicht immer. Da lohnt es sich schon, von Fall zu Fall genauer hinzusehen, ob es noch ums Necken geht. Oder schon ums Spotten.
Sprachwissenschaftler des Unterfränkischen Dialektinstituts an der Universität Würzburg haben jetzt in einem Büchlein zahlreiche Ortsnecknamen aus der gesamten Region zusammengetragen. „Dreidörfer Narrn stehn auf drei Sparrn“ heißt das Buch und es vereint über 500 mundartliche Ortsnecknamen aus ganz Unterfranken. Der Landkreis Bad Kissingen ist gut darin vertreten.
Die Autoren haben sich übrigens beim Gegenstand ihrer Untersuchungen gezielt für eine freundlichere Ausdrucksweise entschieden. Statt die aus ihrer Sicht „negativ wirkende Bezeichnung Spottname“ zu verwenden, sprechen sie in ihrem Büchlein lieber von Necknamen. Das betone stärker „freundliche und humorvolle Nebenbedeutungen“, heißt es zur Begründung.
Im Falle des Namens für die Kissinger kann man wohl mit ziemlicher Bestimmtheit sagen, die Nachbarn wollen spotten. Bekanntlich gelten die Kurstädter in den Orten um das einstige Weltbad herum als eingebildet und hochnäsig. Vielleicht werden sie deshalb besonders ordinär als „Rakotzybrunzer“ verhöhnt. Also genau genommen sogar zweimal in einem Wort.
Die Titulierung der Kissinger ist ein typisches Beispiel für die Systematik, die die Sprachforscher bei den unterfränkischen Ortsnecknamen entdeckt haben. „Am häufigsten werden den Nachbarn bestimmte Handlungen zugewiesen“, heißt es im Buch. Und weiter: „Knapp ein Drittel der Necknamen, die eine Handlung benennen, spotten mit der Notdurft.“
Alleine stehen die Kissinger mit ihrem drastischen Namen im Landkreis nicht. Die Einwohner von Eltingshausen werden laut Buch Hochseicher genannt, jene von Euerdorf Bachbrunzer.
Es geht aber auch milder. Für Menschen aus dem Bad Kissinger Stadtteil Albertshausen listet das Buch die Bezeichnung Gelbbäuche auf. Zu jenen gleich nebenan, in Poppenroth, sagt der Nachbar Herzelein. Wie herzig!
Eher unverfänglich hört sich auch der Name für die Kleinwenkheimer an: Bischöfe. Fridritt, ebenfalls ein Stadtteil von Münnerstadt, kommt nicht so glimpflich davon. Dessen Einwohner werden nach Angaben der Dialektforscher despektierlich Herrgottsdiebe genannt. Maßbacher heißen in Poppenlauer Boxer und Poppenläurer, die ihren Ort manchmal selbst Poppenlustig nennen, in Maßbach offenbar Macher.
Beispiele für die bei der Bildung von Ortsnecknamen ebenfalls beliebten unsinnigen Handlungen liefern im Landkreis die Münnerstädter Nägelsieder und die Reiterswiesener sowie die Feuerthaler Linsenspitzer. Weithin bekannt sind darüber hinaus die Nüdlinger Schnitthepper. Bei einer Schnitthappe handelte es sich nach den Angaben im Buch um ein Weinbergsmesser.
Gern herangezogen wird bei der Bildung von Ortsnecknamen auch der Bezug zu Tieren. Premicher werden demnach Frösch genannt, Stangenröther Heuochsen und Zeitlofser Talhasen. Stralsbacher zieht es als Hügellerchen nach Auffassung ihrer Nachbarn offenbar ebenso in luftige Höhen wie die ganz harmlos Spirken geheißenen Rottershäuser.
In ihrem Buch gingen die Dialektforscher auch der Frage nach, wie die Unterfranken zu ihren Ortsnecknamen stehen. Das Ergebnis: Manche wissen gar nicht, wie sie von anderen bezeichnet werden. In einem Teil der Befragungsorte, heißt es im Buch, sei kein Neckname für den eigenen Ort genannt worden, wohl aber für die Nachbarorte. Manchmal aber griffen Verspottete ihre Necknamen sogar auf, schreiben die Sprachwissenschaftler. In solchen Fällen dienten die Bezeichnungen quasi als „Markenzeichen der Identifikation mit dem Heimatort“.
Besonders beliebt ist das im Fasching. Erinnert sei nur an zwei von etlichen Beispielen aus dem Bäderlandkreis: die Rannunger Güker und die Fuschter Euls.
Dreidörfer Narrn stehn auf drei Sparrn, Monika Fritz-Scheuplein, Almut König, Sabine Krämer-Neubert und Norbert Richard Wolf (Hrsg.), Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg, 2012. Foto: Farkas/Montage Glöckler