„Ein dreifaches Jubiläum feiert der diesjährige Bad Kissinger Orgelzyklus“, so Burkard Ascherl in seiner Anmoderation beim Eröffnungskonzert in der Stadtpfarrkirche. Die Schuke-Orgel, Burkard Ascherl selbst und der Orgelzyklus kommen zusammen auf „95 Jubeljahre“ und jubiläumsgerecht hat sich Ascherl für ein Programm entschieden, das „Orgelhits aus vier Jahrhunderten“ repräsentierte.
Im Jahr 1988 wurde der Bad Kissinger Orgelzyklus von Regionalkantor Peter Rottmann ins Leben gerufen. Stadtkantor Burkard Ascherl übernahm die Konzertreihe im Jahr 1993 mit seinem Start in Bad Kissingen und im gleichen Jahr wurde die Schuke-Orgel des Berliner Instrumentenbauers in der Herz-Jesu-Stadtpfarrkirche ihrer Bestimmung übergeben – so entstehen die „95 Jubeljahre“, die im Jahr 2023 mit zehn Konzerten gefeiert werden.
Schöpferische Kraft spürbar
Getreu dem Motto „Orgelhits“ begann Ascherl mit dem bekannten Stück „Toccata und Fuge d-Moll“ (BWV 565) als frühes Werk von Johann Sebastian Bach , in der er mit viel Phantasie und spürbar schöpferischer Kraft den kirchlichen Zeitgeist des 18. Jahrhunderts widerspiegelte.
Fließende Akkorde, musikalische Sinuswellen und variantenreiche Übergänge zeigten, warum dieses Stück in unterschiedlichen Genres verwendet wird – und Ascherl trug mit seiner Virtuosität und seinem akzentuierten Spiel zum Hörgenuss bei, gleichzeitig nahm er Rücksicht auf die „Überakustik“ des hohen Kirchenschiffs.
Gleiches galt auch für Georg Friedrich Händels „Hornpipe“ aus der „Wassermusik“, das Ascherl für die Orgel bearbeitet hat. Gleich geblieben ist der musikalische Charakter des Stücks, das mit einer melodiösen Farbenpracht und einem harmonischen Miteinander begeistert und die „Hornpipes“ über die Orgelpfeifen hörbar werden lässt.
Auch bei der „Kirchen-Sonate C-Dur“ von Wolfgang Amadeus Mozart (KV 336) legte der Stadtkantor Hand an, denn die Streicher mussten den vielfältigen Möglichkeiten der Schuke-Orgel weichen. So entstand ein eingängiges Instrumentalstück , mit dem Ascherl eine feierlich-fröhliche Klangfülle in der Herz-Jesu-Kirche entstehen ließ, die mit verspielten Sequenzen und überlagerten Melodien den Raum erfüllten.
Eine musikalische Erzählung
Als musikalische Erzählung präsentierte sich das „Allegro vivace“ aus der 5. Orgelsinfonie von Charles-Marie Widor . Den anfangs getragenen, erhaben klingenden Orgeltönen folgten schnelle Klangwechsel mit vielseitiger Harmonik, variantenreichen Rhythmen und einem fulminanten, fast schon apokalyptischen Finale.
Im Gegensatz dazu präsentierte Burkard Ascherl mit dem Stück „O Jerusalem“ eine moderne Orgelsymphonie von Daniel E. Gawthrop, die mit fließenden Klangfolgen und harmonischen Klangfarben einen bildhaften Charakter erhielt. Die vier Sätze Allegro, Largo, Giocoso und Finale der 2005 entstandenen Komposition waren im Programm mit Bibeltexten hinterlegt, die die musikalische Dramaturgie intensivierte. Mit einem fast schon transzendenten Klangbild überzeugte der zweite Satz, während im dritten Satz die fröhlich-spielerischen Elemente überwogen und abgerundete Melodien mit harmonischen Übergängen für Hörgenuss sorgten.
Die moderne Klangsprache des vierten Satzes war schon musicaltauglich und begeisterte durch einen dramatischen Spannungsbogen mit jubilierendem Finale. Entspannung war bei Antonin Dvoráks „Humoreske“ angesagt: Die leichte Kost mit der bekannten Melodienfolge und dem verspielten Zwischenstück war trotzdem gehalt- und genussvoll.
Als breit angelegtes, volltönendes Orgelwerk präsentierte Ascherl „Carillon de Westminster“ aus den „Pieces de fantaisie“ von Louis Vierne. Die Glocken von Big Ben hallten ebenso durch das Kirchenschiff wie das rauschhafte Finale, das die Herz-Jesu-Kirche erst einmal in einer unwirklichen Stille zurückließ, bevor die gut 60 begeisterten Gäste mit stehendem Applaus dem Stadtkantor ihre Anerkennung für einen gelungenen Einstieg in den 35. Bad Kissinger Orgelzyklus zollten.