Das Schicksal des Juden Leo Katzenberger steht für eines der niederträchtigsten Beispiele der verbrecherischen Nazi-Justiz. Ohne Beweise wurde der damals 68 Jahre alte Mann in Nürnberg von dem im Landkreis Main-Spessart gebürtigen Landgerichtsdirektor Oswald Rothaug zum Tode verurteilt, weil er eine Beziehung zu einer jungen Deutschen unterhalten haben soll. Die Geschichte wurde durch den Roman „Der Jude und das Mädchen“ bekannt und zweimal verfilmt. Das Treiben dieses Richters und der aufsehenerregende Prozess sind Thema eines Beitrags am Samstag im heutigen Magazinteil der Main-Post.
Die Katzenbergers waren eine alteingessene Familie in Maßbach, die ein Haus besaßen, das an der Stelle stand, wo heute der ehemalige Schleckermarkt beheimatet war. Bevor Leo Katzenberger 1912 nach Nürnberg zog, verbrachte er dort die ersten 39 Jahre seines Lebens. Hier war er 1873 am 25. November 1873 als eines von 13 Kindern seiner Eltern Louis David und Lea Katzenberger geboren worden. Allen stand ein schlimmes Schicksal bevor, wie der Maßbacher Klaus Bub recherchiert hat. Der Leiter des Heimatmuseums in Poppenlauer folgt seit Jahren den Spuren der bis zum Holocaust zahlreichen jüdischen Bewohner von Maßbach.
Die meisten aus der Familie Katzenberger wurden samt ihrer Ehemänner oder -frauen ermordet, nur David Katzenberger gelang die Flucht aus Theresienstadt. Er überlebte als einziger. Andere starben noch im Kindesalter, wobei die Familie am 17. März 1890 ein besonders harter Schicksalsschlag traf. An diesem Tag starben der damals fünfjährige Hugo und seine 15 Monate alte Schwester Elsa.
Leo Katzenberger war in Nürnberg ein angesehener Mann, nicht nur wegen seines Schuhgroßhandels mit mehreren Filialen in ganz Süddeutschland. Er war zudem von 1932 an erst stellvertretender, dann von 1939 bis 1942 Vorsitzender der jüdischen Kultusgemeinde. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, in der systematisch Synagogen und jüdisches Eigentum in Deutschland zerstört wurden, verbrachte er in Frankfurt im Untersuchungsgefängnis. Er war der Devisenschieberei verdächtigt, aber wieder freigelassen worden, wie in den Texten von Elisabeth Böhrer (Ostheim) nachzulesen ist. 1942 kam es dann zu dem berüchtigten Gerichtsverfahren wegen „Rassenschande“.
Als Leo Katzenberger am Ende des Verfahrens gegen ihn im berühmten Schwurgerichtssaal 600, wo später nicht nur Göring und Konsorten, sondern auch sein Richter Rothaug selbst verurteilt wurde, noch ein Wort von Friedrich dem Großen zitieren wollte, unterbrach ihn Rothaug barsch. Das Hetzblatt „Der Stürmer“ schrieb dazu: „Der Vorsitzende aber lässt es nicht zu, dass ein jüdischer Rassenschänder die Gestalt des großen Preußenkönigs besudelt.“ Was der Kaufmann hatte sagen wollen, war: „Nur die Gerechtigkeit erhöht ein Volk.“ Das an den Haaren herbeigezogene Todesurteil gegen Katzenberger galt sogar in Nazi-Kreisen als ungewöhnlich hart. Die Beweisführung hielt selbst der berüchtigtste NS-Jurist, Roland Freisler, für „etwas kühn“.


