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Bad Kissingen
Amtsgericht Bad Kissingen: Offizier wegen Veruntreuung im Senegal vor Gericht
Es fällt Zivilisten schwer, die internen Strukturen der Bundeswehr zu verstehen. Noch verwirrender wird es, wenn die Vorfälle im Senegal spielen. Aber genau damit muss sich das Amtsgericht befassen. 
Bei einer Ausbildung sind bei einem Marsch mit Gepäck der Infanterieschule Hammelburg drei Soldaten zusammengebrochen       -  In Hammelburg stationierte Soldaten beim Marsch mit Gepäck.
Foto: Symbolbild Stefan Sauer/ZB/dpa/Archiv | In Hammelburg stationierte Soldaten beim Marsch mit Gepäck.
Rüdiger Schwenkert
 |  aktualisiert: 21.12.2024 02:36 Uhr

Die Dimension dieses Prozesses dürfte für die Welterbestadt neu sein: Es geht um die Vereinten Nationen , das Auswärtige Amt , das Bundesverteidigungsministerium und senegalesische Firmen im Camp Moussa Dioum Bargney.

Entwicklungshilfe im Senegal

Im Mittelpunkt: Ein Offizier , der vor einigen Jahren in Hammelburg stationiert war. Von Dezember 2014 bis Anfang April 2019 war der Soldat als Leiter der Beratungsgruppe der Bundeswehr im Senegal eingesetzt. Ziel dieser kleinen Einheit war es, im Rahmen der Entwicklungshilfe Aufbauarbeit zu leisten und die Strukturen der Sicherheitsbehörden und Streitkräfte zu stabilisieren.

Anklage: Untreue und Urkundenfälschung

Am Montag musste sich der Oberstleutnant am ersten von zwei geplanten Prozesstagen vor dem Amtsgericht Bad Kissingen verantworten. Die Anklage: Untreue in Tateinheit mit Urkundenfälschung.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, während seinem Einsatz im Senegal einen Teil der vom Außen- und Verteidigungsministerium bereit gestellten Gelder für sich abgezweigt zu haben. Der Bundesrepublik Deutschland sei dadurch ein Schaden von insgesamt 48.000 Euro entstanden. 

11.872 Euro für IT der Hundeschule

Die Anklage konfrontiert den Offizier mit zwei Rechnungen aus dem Jahr 2018: über umgerechnet 11.872 Euro unter dem Buchungsnamen "IT-Infrastruktur Hundeschule" und weitere 36.160 Euro, verbucht unter "Wasser Unteroffizierschule".

Der Angeklagte habe gewusst, "dass weder die benannten Firmen existierten noch die dort beschriebenen Leistungen tatsächlich erbracht wurden", lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft.

"Geld für sich selbst verwendet"

Mit gefälschten Rechnungen sei die Verwendung der Gelder in der Buchführung verschleiert worden. Die genannten Beträge habe der Angeschuldigte "vorher in Form von Abhebungen bei der örtlichen Bank erhalten und für sich selbst verwendet". 

Zwischen November 2018 und April 2019 - der genau Zeitpunkt sei laut Staatsanwaltschaft nicht mehr genau feststellbar - soll im Senegal ein Betrag über 1554 Euro verbucht worden sein. Auf dem Dokument sei der Verwendungszweck "Beschaffung Diensthunde" angegeben.

Zwei Wochen Mietwagen genutzt

Tatsächlich soll es sich um die Rechnung einer Autovermietung handeln. Der Angeklagte habe im Oktober 2017 in Deutschland für etwa zwei Wochen einen Mietwagen genutzt und über das Camp im Senegal abgerechnet. 

In einem weiteren Fall habe der Soldat im Frühjahr 2019 die Verbuchung eines Betrages von 950 Euro genehmigt. Dabei soll es sich um die Kaskoschadenforderung eines Autovermieters handeln. Der Angeklagte habe vorher das Fahrzeug in Deutschland eigenmächtig angemietet und einen Schaden verursacht. 

1500 Euro für Probemonat

Im März 2019 habe der Offizier für einen Monat Probearbeit einer Sekretärin 1500 Euro genehmigt. Ihm sei bewusst gewesen, dass dieser Betrag den ortsüblichen Monatslohn um das Fünffache übersteigt, meint der Staatsanwalt. Die ihm anvertrauten Mittel habe der Offizier somit "nicht wirtschaftlich und sparsam verwendet".

Was wirklich passiert ist, muss nun eine Richterin am Amtsgericht Bad Kissingen klären, unterstützt von zwei Schöffen. Am Montag wurden zunächst zwei Zeugen befragt. Der erste ist ein Beamter des Bundesverteidigungsministeriums.

Kurse über kulturelle Besonderheiten

Die Vorsitzende will von ihm wissen, wie die Vorbereitung für einen solchen Beratungseinsatz abläuft. Es müssen Sprachkenntnisse im sogenannten Nato-Englisch nachgewiesen sowie Kurse über die regionalen und kulturellen Besonderheiten im Einsatzgebiet absolviert werden, sagt der Beamte. 

Dann erklärt der Zeuge , wie die notwendige Ausrüstung für Beratungsgruppen beschafft wird. Ein Teil werde zentral in Deutschland geordert. Andere Güter oder Dienstleistungen werden an Firmen vor Ort vergeben, um die Wirtschaft dieser Länder zu unterstützen. 

Drei bis fünf Projekte pro Mission

Drei bis fünf Projekte sollen während des Einsatzes innerhalb von vier Jahren abgeschlossen werden. Die Ausgaben müssen getrennt nach Projekten monatlich, quartalsmäßig und jährlich dokumentiert werden. 

Die Budgets für diese Auslandsmissionen der Bundeswehr müssen vom Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages genehmigt werden. Dieses Gremium muss auch regelmäßig über den Fortschritt der Projekte und die abgerechneten Gelder informiert werden. 

Wer ist für Budget verantwortlich?

Im weiteren Verlauf der Verhandlung wird immer wieder die Frage aufgeworfen, wer vor Ort für die korrekte Verbuchung von Rechnungen verantwortlich war. Der Zeuge erklärt: Der Leiter der Beratungsgruppe sei generell für das Budget verantwortlich. Die Verbuchung der Gelder könne er aber an einen Büroleiter delegieren. Dies sei auch im Camp Moussa Dioum Bargney der Fall gewesen. 

"Wurden die Beratungsgruppen auch buchhalterisch ausgebildet?", will der Verteidiger des Offiziers wissen. "Den korrekten Umgang mit den Haushaltsmitteln kann man in ein bis zwei Tagen erlernen", ist die Antwort.

"Keine Gründe, ihm nicht zu vertrauen"

Der Beamte war fachlicher Vorgesetzter des Beschuldigten und zweimal im Senegal vor Ort. "Haben Sie ihm vertraut?", fragt der Anwalt. "Es gab keine Hinweise auf Gründe, ihm nicht zu vertrauen."

Der nächste Zeuge war im Senegal als Projektfeldwebel eingesetzt und für die Stromerzeugung, den elektrischen Betrieb sowie die IT-Infrastruktur verantwortlich. Er erklärt dem Gericht, wie kleinere Anschaffungen mit einem sogenannten Handgeld bezahlt und abgerechnet wurden. 

Scheck für größere Beträge

Für größere Beträge habe der Büroleiter - in diesem Fall ein Hauptmann - einen Scheck ausgestellt. Dieser Offizier sei für die rechnerische Prüfung von Rechnungen und Quittungen verantwortlich gewesen. Die sachliche Prüfung - also ob das Geld für die richtigen Zwecke ausgeben wurde - habe beim Leiter gelegen. 

Der Feldwebel erinnert sich, dass zu einem nicht näher benannten Jahreswechsel Unruhe aufgekommen sei. Der Büroleiter habe die Projektfeldwebel aufgefordert, "alles nochmal zu checken, weil Geld fehlt". Als der Zeuge einige Wochen später aus seinem Urlaub zurückkehrte, "wurde diese Angelegenheit nicht mehr thematisiert".

Feldjäger unterstützt

Später musste der Feldwebel bei den Ermittlungen gegen den Büroleiter helfen. "Ich war Übersetzer für die Feldjäger und sollte seinen Dienstrechner durchsuchen", erklärt der Zeuge . Er sagt weiter, dass der Hauptmann in dieser Position hoffnungslos überfordert gewesen sei. 

Falsche Quittungen für Treibstoff

"Was wurde ihm vorgeworfen?", fragt die Richterin. Es seien hohe Treibstoffquittungen aufgetaucht, für die es keine Tankvorgänge gegeben habe. Im Zuge der Überprüfung sei aufgefallen, dass noch weitere Abrechnungen nicht stimmten. Außerdem sollen Teile der sogenannten Handgeldliste gefehlt haben. Dies konnte der Zeuge aber nicht bestätigen.

Der Anwalt des Angeklagten bohrt noch einmal nach: "Wieso braucht man einen Büroleiter, wenn der Chef jeden Bleistift genehmigen muss?" Der Zeuge antwortet: "Der Büroleiter arbeitet dem Chef zu und zeigt ihm Probleme auf." 

Verhandlung wird fortgesetzt

Die Verhandlung ist nach knapp zwei Stunden beendet. Der nächste Termin ist für Montag, 25. November, ab 9 Uhr angesetzt. Ob das Wirrwarr aus Vorschriften, Befehlen und Zuständigkeiten dann klarer wird?

 

 
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