Anlass für die "offene Kabarettbühne" war das zehnjährige Jubiläum der Sommerakademie, an der 60 Kabarettisten, Comedians und Liedermacher regelmäßig teilnehmen und in Workshops am Auftritt feilen oder Neues über Vermarktungsstrategien lernen.
Steffen Hörtler, Stiftungsdirektor des Heiligenhofs, zeigte sich erfreut über die Teilnehmer und Motivator Michael Ihringer als bestens organisierte Truppe, die die Seminarräume für vier Tage mit Humor und Satire, aber auch mit Philosophischem und Politischem füllte. Die Fortbildungsveranstaltung für junge und etablierte Künstler dient unter anderem auch als Netzwerk-Plattform. Dabei wird unter der Regie vom "Förderverein Kabarett und Chanson e. V." nicht nur an den Auftritten gefeilt, sondern zum Beispiel auch die Moderation eines Abends geübt. Was man dabei lernt, zeigten die Moderatoren Gisi Paulus und Bernd Waldeck beziehungsweise Silvia Ziolkowski und Andreas Möbius etwa mit einer Applaus-Choreographie, die das Brot des Künstlers auf einer Skala von normal bis frenetisch simulierte.
Mit Julia Miller-Lissner am Klavier begann der abwechslungsreiche Abend. Die junge Dame mit toller Stimme und guter Ausstrahlung präsentierte Humorvolles mit Tiefgang aus ihrem eigenen Leben mit dem wenig überraschenden Fazit: "Mein Karma kann mich mal!" Mario Rembold beschäftigte sich als studierter Biologie mit der Blumenwiese als "unerschöpfliche Apotheke" und entlarvte die Homöapathie als eine Anwendung ohne Nebenwirkungen - "Klar, weil sie ja auch keine Wirkungen hat!" Mit Christoph Biermann stand ein Senior im Rampenlicht der kleinen Bühne, der im Stile von Reinhard Mey sich mit Facebook und der Freundschaftsanfrage der eigenen Ehefrau auseinandersetzte und die Dinge bedauerte, die im Laufe der Zeit verschwinden und die alle mit "K" anfangen: Kino, Kirche, Kaufhaus, Kneipe.
Einen Erfahrungsbericht aus der Kindernotfallaufnahme präsentierte die Kinderärztin Sandra Niggemann. Humorvoll bis unglaublich waren die Anekdoten zum Fieberzäpfen bis zum komatösen Jugendlichen, der durch den Handy-Klingelton wiederbelebt wurde. Die Reise durch die Notfallnacht endete mit dem Ratschlag: "Im Notfall: die Mutter beruhigen!" Die erste Hälfte des Abends endete mit Sabine Kuhnert, die mit ihrer körperbetonten Percussion, einer tollen Stimme und zwei philosophischen Lieder die zahlreichen Gäste zu Begeisterungsstürmen hinriss.
Im zweiten Teil standen zwei Nachwuchstalente auf der Bühne: Julia Steinigeweg möchte als Stand-up-Comedian die Leute begeistern und Oliver Eichelhardt möchte mit "Jupp, dem Wutbürger" überzeugen. Die 21-jährige Steinigeweg unterhielt mit Geschichten aus dem eigenen Leben, wogegen der nur wenig ältere Eichelhardt als "militanter Pazifist" unter anderem für die Abschaffung von Zebrastreifen vor Seniorenheimen warb. Das Lampenfieber war bei beiden spürbar, doch die tolle Resonanz der Gäste half über so manche Hürde hinweg. Für beide wird es noch ein anstrengender Weg werden, aus knapp zehn Minuten ein abendfüllendes Programm zu gestalten.
Dagegen waren Kordula Völker und Rainer Markus Wimmer zwei erfahrene Bühnenprofis, die nicht nur eine Botschaft hatten, sondern auch musikalisch überzeugen. Die eine vertrat die Randgruppe "feministische Seniorin", die mit einem Geburtstagslied im ironischem Unterton zum den körperlichen Gebrechen und einem Hochzeitslied für "Alice (Weidel) und Sarah" begeisterte, der andere spielte sich mit vertonten Gedichten von Michael Ende in die Herzen der Besucher. Diese bedankten sich mit herzlichen Applaus für den gelungenen und abwechslungsreichen Abend, der mit der Michael-Ende-Ballade "Ende der Vorstellung" zu Ende ging.