
Früher hießen sie "Bundesgrenzschützer", heute würde man sie zur Bundespolizei zählen. Mehrere Hundertschaften zogen am 11. Oktober vor 60 Jahren auf das Gelände in der Heglerstraße in der Nähe der Bahn in die neu errichteten Unterkünfte in Oerlenbach ein.
Dort ist seit 24 Jahren das Aus- und Fortbildungszentrum (AFZ) Oerlenbach . Hier wird der Nachwuchs der Bundespolizei im mittleren und auch gehobenen Polizeivollzugsdienst ausgebildet. Auch erfahrene Polizeikräfte erhalten dort Fortbildungen.
Geschichte der Bundespolizei
"Eine der ersten Unterrichtsstunden, die angehende Polizisten in Einsatzführung bekommen, ist die Geschichte der Bundespolizei", sagt Thorsten Krug von der Öffentlichkeitsarbeit des AFZ. Die heutigen Polizeianwärter sollen etwas über die Geschichte der Organisation wissen, zu der sie gehören.
Wildflecken, Coburg, dann Oerlenbach
Wer waren die Männer, die damals am 11. Oktober 1962 auf das Gelände in Oerlenbach einzogen? Genau genommen, muss man dafür nicht nur 60 Jahre zurückschauen, sondern 71 Jahre. Denn die Männer der Abteilung "Süd III" waren schon zweimal "umgezogen", bevor sie nach Oerlenbach kamen.
Zuvor hatten sie von Wildflecken aus gearbeitet. Hier war die Abteilung des Grenzschutzes ursprünglich angesiedelt. In den frühen 50er Jahren herrschte Raumnot. "Viele Kasernen waren 1951 noch von den Amerikanern, von den Briten oder von den Franzosen besetzt", erklärt Erwin Ritter, der die Polizeianwärter beim Polizeitraining an den Waffen ausbildet. Er ist gleichzeitig auch Traditionsbeauftragter, kennt sich also mit der Geschichte des AFZ gut aus.
"Nachdem in Coburg Unterkunftsmöglichkeiten frei wurden, hat man sukzessive die Hundertschaften von Wildflecken nach Coburg verlegt", erzählt er. Aber: "Es waren lange Wege, die Einheiten sind von Coburg angefahren bis in die Hochrhön und wieder zurück." Das brauchte viel Zeit und verursachte Kosten.
Bomben und Sprengkörper lagen noch rum
1958 gab es die ersten Besprechungen über den Standort in Oerlenbach . Einfach einziehen konnten die Grenzschützer dort nicht. Zwar gehörte die Liegenschaft dem Bund, aber "wo sich heute die Räumlichkeiten des AFZ befinden, war früher in der Zeit des Nationalsozialismus ein Luft- und Waffentanklager", erklärt Oliver Hagen, der in der Polizeiausbildung für den Bereich "Gesellschaftswissenschaften und Sprachen" zuständig ist.
Auf dem Gelände des Luftwaffenlagers begann man 1959 nach Bomben und Sprengkörpern zu suchen. "Man hat einiges gefunden", sagt Ritter. "Selbst beim AFZ-Anbau gab es hier noch 50 Kilo Bomben von den Amerikanern."
Es fehlte an Wohnraum
Die Bomben waren nicht das einzige Problem, das gelöst werden musste: "Die Männer hatten sich darauf eingestellt, in Coburg zu bleiben. Sie sind dann mit Sack und Pack nach Oerlenbach umgezogen", berichtet Ritter. "Die Gebäude waren noch nicht richtig fertig, es gab zwar eine Wanne, aber der Wasseranschluss fehlte."
Und die Unterbringung der Familien machte Probleme. "Es kamen einige Hundertschaften nach Oerlenbach , die ihre Familien mitgebracht haben." Für diese hätten zusätzliche Mehrfamilienhäuser gebaut werden müssen.
"Konfessionelle Meinungsverschiedenheiten"
Auch beim Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung hätte es gewisse "konfessionelle Meinungsverschiedenheiten" gegeben. Die aus Coburg kommenden Polizisten seien in der Masse tendenziell evangelisch gewesen. "Als sie hier ins Katholische kamen, da gab es zum Anfang Berührungsängste. Die sind erst im Laufe der Zeit abgebaut worden", sagt Hagen.

Werkstätten, Unterkünfte, Trainingsplätze und ein Schwimmbad wurden errichtet. Der erste Kostenvoranschlag lag bei 17,5 Millionen DM für die Errichtung des Standorts. "Es gab gewisse Deals, dafür, dass der Bundesgrenzschutz nach Oerlenbach kam", sagt Ritter. "Die Infrastruktur hat enormen Aufschwung genommen."
Ganz andere Ausrüstung
Die Aufgabe der Männer aus der Abteilung "Süd III" war die Überwachung des nordbayerischen Grenzraumes. "Ihre Aufgabe war es zunächst einmal einen polizeilichen Puffer zu bilden, bevor die Alliierten dazu kamen oder bis eine Bundeswehr aufgebaut wurde", sagt Ritter. Die Ausstattung sei damals entsprechend eine ganz andere gewesen. "Wir hatten Handgranaten, Panzer und Waffenabwehrgranaten."

Um die Aus- und Fortbildung der Grenzschützer zu ermöglichen, mussten weitere Areale hergerichtet werden. 1964 wurde eine Schießanlage fertig. 1967 wurde das Areal der Munitionsanstalt in Rottershausen zur Nutzung an den Bundesgrenzschutz übergeben. In Oerlenbach sei die erste Garnitur an Munition und Sprengstoff gelagert gewesen, die zweite sei in Rottershausen gelagert worden. "Im Ernstfall hätte man diese zur Grenzsicherung rausgenommen", sagt Ritter.