
Seit drei Jahren leiht Youngtimer-Experte Jürgen Mohr dem Tatort-Kommissar Felix Murot einen seiner NSU Ro 80. Im jüngsten Tatort aus Wiesbaden unter dem Titel "Die Ferien des Kommissar Murot" hatte das Auto aus Oerlenbach zwar Drehpause. Trotzdem brachte die Ausstrahlung dieser Folge der Oerlenbacher Werkstatt wieder eine gewisse Aufmerksamkeit.
Ausschlaggebend dafür ist auch ein Artikel in dieser Zeitung vom Sommer 2017, der von der Filmkarriere des Autos aus dem Landkreis Bad Kissingen berichtete. Nach der Ausstrahlung des jüngsten Falles aus Wiesbaden am 22. November verzeichnete der Bericht knapp 1000 Klicks von Lesern, die offenbar mehr über den Wagen von Kommissar Murot wissen wollen.
Die Sammlerszene ist gut vernetzt. Nach dem ersten Bericht über das Engagement Mohrs vor drei Jahren bekam er zwei Ro 80 aus Hamburg zur Restaurierung angeboten und den Auftrag zur Reparatur eines Rasenmähers mit seltenem Wankelmotor.

Auch weiter bleibt Mohr mit seiner vierrädrigen Leihgabe im Gespräch. Bei zwei Verfilmungen ist sein Auto bisher dabei gewesen. Das erste Mal 2018 bei Folge 1084 unter dem Titel "Murot und das Murmeltier" und das zweite Mal 2019 bei der actiongeladenen Folge 1105 "Angriff auf Wache 08". An das erste Mal erinnert sich Mohr besonders gerne, auch weil er dabei mit Darsteller Ulrich Tukur gut ins Gespräch gekommen sei.
Nur wenig Kilometer vor den Kameras
Besonders kilometerintensiv sind die Fernsehauftritt seines Autos nicht, sagt Mohr. Hin und her transportiert wird es meist auf dem Anhänger. Fahrszenen werden oft mit stehendem Auto und einem Film auf einer Leinwand dahinter simuliert.
Für heiße Verfolgungsjagden ist der Youngtimer sowieso zu schade. Zumal Sammler den Wagen eher in gutem Zustand schätzen. Rund 30 Ro 80 hat Mohr inzwischen in seiner Werkstatt hergerichtet. Im Originalzustand galten sie schon in jungen Jahren als reparaturanfällig. Rund 12 Fahrzeuge hat der Oerlenbacher aktuell teils fahrbereit in seinem Bestand.

Gerne gewinnt er mit seinen Restaurierungen neue Wankel-Fans, um möglichst viele dieser raren Autos im Straßenbild zu erhalten. Deswegen ist er mit rund 100 Gleichgesinnten in einem Fanclub organisiert.
Das Cabriolet gibt es weltweit nur dreimal
Nicht nur die kann der Kraftfahrzeugmeister mit einem besonderen Ro 80 begeistern. Er besitzt inzwischen eines von weltweit wohl nur drei Exemplaren, die ein begeisterter Österreicher in den 1980er-Jahren zu Cabriolets umgebaut hat. Dazu musste die Karosserie umfangreich verstärkt werden.
Mit dem festen Dach gelangen immer wieder vereinzelt Ro 80 auf den Markt. Altersbedingt werden die Erstbesitzer weniger. Den Bestand in Deutschland schätzt Mohr auf gut 1000.
Autos untermauern die Exzentrik
Und warum schreiben die Fernsehmacher den Tatort-Ermittlern solche automobilen Exoten ins Drehbuch? Rolf Parr hält Tatort-Autos ebenfalls für interessant. "Sie sind dramaturgisch wichtig, weil sie Insassen auf engstem Raum Platz für dienstliche und private Gespräche bieten, zum Teil für sehr intime. Und keiner kann weglaufen“, sagt der Professor für Literatur- und Medienwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen. „Autos und Filmcharakter stabilisieren sich gegenseitig“, so Professor Parr. Und weiter: „Exzentrische Figuren benötigen exzentrische Autos, wie der Ro 80 von LKA-Ermittler Felix Murot oder der alte VW Passat von Borowski. Diese Fahrzeuge verdichten die Charakterzüge der Figuren".
Stefan Scherer untersuchte vor einigen Jahren im Zuge eines Forschungsprojektes mehr als 500 Tatort-Folgen aus den Jahren 1970 bis 2014. „Automodelle werden in der Regel der Logik von Ermittlerfiguren zugeschrieben. Das passierte aber früher stärker und häufiger als heute“, sagt der gebürtige Frammersbacher, heute Professor für Neuere deutsche Literatur- und Medienkulturwissenschaft am Institut für Germanistik des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT).
Und wenn es schon um solche Rückschlüsse geht, dann lässt sich völlig unwissenschaftlich vielleicht noch ein ganz anderer ziehen. Denn danach dürfte es die Autos aus Oerlenbach mit dem Tatort aus Wiesbaden noch lange geben. Warum? Die Metallic-Farbe, mit dem Kommissar Murot an seinem Wagen unterwegs ist, heißt Marathon-Blau, weiß Experte Jürgen Mohr. Unter diesen Vorzeichen müsste der Ro 80 doch noch für ein paar schöne Kilometer im Fokus der Filmkameras gut sein.