Sein 100-jähriges Gründungsfest hat der Arbeiter- und Heimatverein Oehrberg gefeiert. Eigentlich zählt der Verein ja bereits 101 Lenze. Da aber im vergangenen Jahr der Bau des neuen Feuerwehrhauses noch nicht abgeschlossen war, mussten die Feierlichkeiten um ein Jahr verschoben werden, sagte Vorsitzender Egon Kessler bei der Begrüßung.
Nach dem Festgottesdienst gedachte man der Männer, die den Verein in der damals schwierigen Zeit – sowohl beruflich als auch gesellschaftlich – gegründet hatten. Von der NSDAP aufgelöst, belebten einige Oehrberger den Verein schließlich wieder.
Den festlichen Rahmen nutzte der Vorsitzende, Mitglieder für langjährige Vereinstreue auszuzeichnen. Für 60 Jahre wurden Rainer Kober und Martin Sell geehrt.
Günter Markart, Alfred Metz, Hans-Otto Metz und Ralf Schlereth sind seit 40 Jahren dabei. Ebenso Klaus Schlereth und Klaus Zimmerhackl, die jedoch verhindert waren.
Sein Versprechen, das er damals beim 90. Geburtstag des Arbeiter- und Heimatvereins Oehrberg gemacht hatte, löste stellvertretender Landrat Emil Müller ein und übernahm auch dieses Mal wieder die Schirmherrschaft. Auch Egon Kessler hielt das seinige und konnte die stolze Anzahl von nicht nur versprochenen 100, sondern sogar von 102 Mitgliedern präsentieren.
Schirmherr Emil Müller ging auf den Namen „Arbeiter- und Heimatverein “ ein, der von Leuten gegründet wurde, die damals in Frankfurt ihr Geld verdienten. Arbeit und Heimat assoziierte er mit Zusammengehörigkeit und Gemeinschaft, es gehe auch darum, gemeinsame Werte zu pflegen. Diese Grundwerte sollen im Verein in jeweils der aktuellen Zeit angepasster Form weitergeführt werden.
Die Vereine böten eine Plattform für Gleichgesinnte, die ihre Heimat wertschätzen, so Emil Müller .
„Heimat ist nicht nur eine Schöpfung des Menschen, sondern auch der Mensch ein Geschöpf der Heimat“, sagte Bürgermeister Daniel Wehner in seinen Grußworten.
Dem Lebenselixier Heimat entnehme der Mensch, was er zu innerem Wachstum, zu neuen Erkenntnissen braucht und gestalte daraus das bunte Bild seiner Welt, seiner Heimat und schließlich seiner selbst.
In der Heimat sei der Mensch verwurzelt. Die Bindung an die Kulturwerte seiner Heimat gebe dem Menschen Kraft, schöpferisch tätig zu sein. Hier ist er frei und doch gebunden an Land, Volk, Sprache, Sitte und Glaube. Die Aktiven der letzten einhundert Jahre könnte seine Ausführungen wohl bestätigen, so der Bürgermeister.
Ob sich die Gründungsväter von diesen Werten leiten ließen, wisse man nicht. Sicher aber sei, dass sie die Notwendigkeit erkannten, aus den Trümmern des Krieges die Reste an Kulturgütern zu sammeln, zu bewahren, zu pflegen und den Menschen wieder bewusst zu machen.
Egon Kessler hat für die Berichterstattung noch einen kleinen historischen Rückblick geschickt: In den 1920er Jahren war es für die Oehrberger sehr schwer, ihr tägliches Brot zu verdienen. Viele waren gezwungen, auswärts zu arbeiten und gingen ins Nachbarland Hessen, um in den Ziegeleien im Raum Frankfurt oder auf den Bauernhöfen in der Wetterau als Saisonkräfte ihr Geld zu verdienen.
Die Beschäftigung in der Fremde erforderte, dass sich die Oehrberger in eine fremde Gesellschaft einfügen und sich umstellen mussten. Aber das Verwurzeltsein in der Heimat und das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Fremde blieben, und so wurde 1923 der Katholischen Arbeiterverein Oehrberg gegründet.
Nicht gesellschafts- oder parteipolitische Interessen waren ausschlaggebend, sondern menschliche Verbundenheit, das Miteinander im Beruf bei der täglichen Arbeit und das Festhalten am überlieferten Glauben und an den Sitten der Väter. Doch 1934 löste die NSDAP den Verein auf.
Am 3. Januar 1950 fanden sich 18 Mitglieder des früheren Katholischen Arbeitervereins zusammen und gründeten den Verein erneut. Zweck war es, das Wohl der Arbeiter nach christlich-sozialen Werten zu fördern und ungerechten Arbeitsbedingungen auf gesetzlichem Weg entgegenzutreten.
Durch den wirtschaftlichen Aufschwung boten sich in den 1960er Jahren auch in der Heimat ausreichend Verdienstmöglichkeiten für die Menschen. Dadurch ließen der Zuspruch und die Aktivitäten im Verein nach.
Um dieser Tendenz entgegenzuwirken, benannte man den Verein 1993 in den Arbeiter- und Heimatverein um. Die traditionelle Verbundenheit zur Arbeiterschaft sollte damit nicht geschmälert werden. Doch ist heute die Pflege des heimatlichen Gedankens stärker in den Vordergrund getreten.