
Seit zehn Jahren lädt der Förderverein Kabarett und Chanson (Darmstadt) alljährlich im Sommer zur Kabarett-Akademie in die Bad Kissinger Bildungsstätte Heiligenhof. Jeweils von Mittwoch bis Sonntag bieten Profis der deutschen Kleinkunstszene in elf Workshops Gelegenheit zur Aus- und Weiterbildung . Wie in jedem Jahr zeigten auch diesmal einige vom Veranstalter ausgewählte Teilnehmer am Samstag in öffentlicher Veranstaltung Ausschnitte aus ihren Bühnenprogrammen.
Moderiert wurde der zweistündige Abend, der in abwechslungsreicher Folge kurze Einblicke in die Vielseitigkeit der Kleinkunst vom Lied über den Wortbeitrag bis zur Travestie-Show ermöglichte, vom Berliner Kabarettisten Tilman Lucke. Statt vollständiger Sätze beschränkte er sich auf Halbsätze und Stichworte, die dem Publikum umso mehr Freiraum zu eigenem Mit- und Nachdenken boten. Sein Witz bestand nicht im Gesagten, sondern eher im Weglassen. Immerhin verriet er, dass er schon seit 2005 Kabarett mache, "also genau so lange wie Angela Merkel".
Obergrenze für Weißwürste
In dem aus zwölf Nummern bestehenden Programm wurden mal Gedichte rezitiert, mal wurde zur Gitarre gesungen oder im witzigen Wortbeitrag auf höchst emotionale Momente aus Jugendzeiten zurückgeblickt. Natürlich gab es auch Beispiele aktuellen politischen Kabaretts wie den Auftritt des schwäbischen Studentenpfarrers Stephan Schwarz (49) aus Ulm. Er beklagte sich über die bayerischen Wirtschaftsflüchtlingen aus dem benachbarten Neu-Ulm, die man doch wieder über die Donau, "die Grenze zwischen Deutschland und Bayern", abschieben solle. Schwarz, der deutlich machte, dass "die Bayern kulturell anders" sind, da sie keinen Trollinger mögen, forderte eine Obergrenze für bayerische Weißwürste auf schwäbischen Speisekarten und vor allem eine Obergrenze für bayerische Politiker in der Bundespolitik .
"Heiligenhof ist ideal"
Auch Akademie-Organisator Michael Ihringer hat als Vorsitzender des Darmstädter Fördervereins Kabarett und Chanson e.V. eine Obergrenze. "Bei 50 Teilnehmern machen wir immer Schluss." Die Nachfrage sei allerdings viel höher. Denn während es für Schauspieler private oder staatliche Ausbildungsstätten gibt, muss die deutsche Kleinkunstszene sich selbst behelfen. Zur Unterstützung wurde deshalb 2007 der Förderverein gegründet. Dessen Kabarett-Akademie ist mit Gründungsjahr 2004 sogar noch älter, wurde aber erst 2009 nach Bad Kissingen verlegt. "Der Heiligenhof ist für uns ideal", begründet Ihringer den Ortswechsel vor zehn Jahren. "Wir brauchen die Verbindung preiswerter bis komfortabler Zimmer mit einer passenden Zahl von Seminarräumen."
Aus ganz Deutschland, sogar aus Österreich und der Schweiz trafen sich heuer Teilnehmer im Alter zwischen 17 und 77 Jahren zu den Workshops . "Es melden sich Semiprofessionelle und Profis, aber auch Amateure und Laien jeweils zu gleichen Teilen", erzählt Ihringer und erklärt: "Mancher Laie verspricht sich für sein Berufsleben Hilfe von Profis, wie man vor Publikum aufzutreten hat. Mancher Amateur hofft, dank des Erlernten endlich ins Profi-Lager wechseln zu können, oder ein Profi des Wortbeitrags plant, sein Bühnenprogramm durch Gesangsnummern zu erweitern." Die Beweggründe zur Teilnahme sind also vielschichtig. Wichtig ist aber allen der fachliche Erfahrungsaustausch und der Kontakt untereinander, reisen doch die meisten Kleinkünstler von Auftritt zu Auftritt ganz allein. Kein Wunder also, dass die Hälfte der Workshop-Teilnehmer Wiederholer sind, wie der Berliner Claus Fleischhauer, der in seiner bunten Verkleidung als mannstolle "Wirtin vom Heiligenhof" einen Höhepunkt zum unterhaltsamen Programm beisteuerte.