Es lichtet sich in den Regalen. In den vergangenen Wochen hat Elisabeth Plobner nur noch die Ware nachbestellt, von der sie weiß, dass sie noch über die Ladentheke geht. Zeitschriften, Obst und Backwaren , Wolle, Waschmittel und Walnusseis gehören genauso ins Sortiment wie Schreibwaren und Lebensmittel. Die Nachricht, dass nun auch der letzte Laden in Oberbach schließt, machte längst die Runde. Heimlich, aber auch ganz offensichtlich sind ein paar Tränen geflossen. "Sie sind mir alle so ans Herz gewachsen", sagt Elisabeth Plobner über ihre Kunden . Und die Sympathie wird erwidert: Auf der Anrichte hinter ihr steht ein großer Blumenstrauß, als Dank für all die Jahre.
Rudolf Plobner steht auf. "Möchten Sie das Wareneingangsbuch sehen?" Er holt es, das Buch stammt aus dem Jahre 1935. Holzschuhe aus Werl in Westfalen gab es damals. Zigaretten bezog das Geschäft direkt von Brinkmann aus Bremen. Mehl lieferte die Brückenmühle Hünfeld, der Käse kam vom Nußbaumer in Würzburg. Die Molkerei Ess in Bad Brückenau schickte Butter in Holzkisten und Quark in großen Kannen. "Ich weiß noch, wie wir die ersten Orangen bekommen haben", erzählt Elisabeth Plobner. Das muss in den 1950ern gewesen sein, sie war noch ein kleines Mädchen. "Die mussten wir hier vom Bahnhof abholen."
Das Geschäft geht auf Johann und Maria Ziegler zurück. Ein altes Dokument, das die Plobners in einer Pappschachtel aufbewahren, nennt als Gründungsdatum das Jahr 1900. Karl Ziegler führte den Laden nach dem Tod des Vaters im Jahr 1948 weiter. Seine Frau Anna sprang in die Bresche, als er 1964 plötzlich starb. Elisabeth Plobner machte da gerade ihre kaufmännische Lehre in Oberwildflecken. Es lag auf der Hand, dass sie 1977 das Geschäft übernahm und jahrelang gemeinsam mit ihrer Schwester Rosemarie Rüttiger führte. Hinter der Theke stand sie freilich, sobald sie ausgelernt hatte. 54 Jahre ist das nun schon her.
In vierter Generation
"Wir waren eine Großfamilie. Wir haben zusammengehalten und zusammen gearbeitet", sagt Elisabeth Plobner. Ihre Nichte Michaela Atzler erinnert sich, wie noch im alten Haus jährlich das Wohnzimmer ausgeräumt und in einen Verkaufsraum für Weihnachtsartikel umgestaltet wurde. "Als Kinder war es für uns das Höchste", erzählt sie aus der Zeit der 1960er und 1970er. Später, als das heutige Gebäude errichtet wurde, zog der Laden zeitweise in die Garage des Nachbarn um. Auch das zeigt die Verbundenheit untereinander.
Heute ist offiziell Sohn Marco Plobner Inhaber des Lebensmittelgeschäfts, in dem es nicht nur Lebensmittel gibt. Es ist die vierte Generation, die den Laden führt, auch wenn Elisabeth und Rudolf einen Großteil der Arbeit leisten. Morgens um 6 Uhr gibt es schon frische Brötchen, die die Schondraer Bäckerei Vogler liefert. Abends liefert Rudolf Plobner oft noch Getränke aus. Zwischendurch bringt er Bestellungen zu den Kunden nach Hause - oder holt regelmäßig eine ältere Dame ab, die es allein nicht mehr zum Einkaufen schaffen würde.
Das alles fällt nun weg. Es sind vielleicht zehn Kunden , schätzen die Plobners, für die die Versorgung nun schwierig wird. Der Rest sei mobil oder habe eine Familie, die sich um die Besorgungen kümmern könnte. Dennoch: "Wenn man überlegt ", setzt Rudolf Plobner an, und dann zählt er auf, was es alles einmal gegeben hatte im Ort. "Wir hatten früher zwei Schmieden, zwei Bäcker, zwei Metzgereien und zwei Lebensmittelgeschäfte."
Leben im Ort wird weniger
Dass auch die Bank und erst im Sommer der Arzt zumachten, merkten die Plobners daran, dass ihre Laufkundschaft zurückging. Im Frühjahr meldete ein langjähriger Geschäftspartner völlig überraschend Insolvenz an. Der neue Lieferant stellte sich als nicht zuverlässig heraus. Auch neue Kommunikationsformen wie etwa Bestellungen per E-Mail brachten die Plobners senior an ihre Grenzen. Die Kinder und Schwiegerkinder haben die Plobners in all den Jahren immer unterstützt. Dennoch, der Sohn arbeitet ja und Tochter Nicole lebt mit ihrer Familie in Aschach.
"Seit einigen Jahren merken wir, dass die Umsätze zurückgehen", sagt Elisabeth Plobner. So war der Entschluss, den Laden zu schließen, am Ende auch eine wirtschaftliche Überlegung. Und mit 71 beziehungsweise 78 Jahren lässt sich auch schon mal den Ruhestand denken. Anfang Januar läuft noch der Ausverkauf, dann werden Elisabeth und Rudolf Plobner endgültig die Türe schließen - und sich Neuem widmen. Er freut sich darauf, mehr Zeit im Garten und mit den Enkeln am Fußballplatz zu verbringen. Sie möchte ihre Lebenserinnerungen aufschreiben - "für meine Enkel". Und wer weiß, ein offenes Ohr und eine helfende Hand werden sicher auch noch gebraucht, ohne dass dafür eine Packung Mehl über die Theke wandert.