Wenn die Nüdlinger Windräder in Zukunft nachts dunkel bleiben, dann liegt das nicht daran, dass sie kaputt sind. Der Grund ist ein Gesetz, das der Bundesrat im Februar 2020 verabschiedete. Auf die neuen Vorgaben muss die Nüdlinger Energiegenossenschaft als Betreiber der Anlagen nun reagieren. Bis Dezember 2022 hat der Vorstand Zeit, in die Windräder eine neue Technik einbauen zu lassen.
Derzeitige Beleuchtung
Noch werden die beiden Türme der Windräder am Abend und am Morgen von zwei weißen Scheinwerfern an der Gondel beleuchtet. Außerdem gibt es rote Blinklichter auf halber Turmhöhe und auf Höhe der Gondel, die in der Nacht alle zwei Sekunden aufleuchten. Sie sollen verhindern, dass Flugzeuge oder Hubschrauber nachts mit einem Windrad zusammenstoßen.
Die Lampen sollen spätestens ab 2023 nur noch dann blinken, wenn sich tatsächlich ein Flugzeug oder ein Hubschrauber nähert. Das funktioniert über einen Transponder . Wenn dieser etwa das Signal eines Hubschraubers empfängt, beginnen die Warnlichter des Windrads zu blinken. Sonst bleibt alles dunkel.
Lichter werden wohl oft aus sein
Dieter Stichler, Vorstandsmitglied der Energiegenossenschaft, rechnet damit, dass die Lichter fast immer aus bleiben, sobald die Transpondertechnik eingebaut ist. Grund sei der geringe Flugverkehr in der Region, der in der Nacht und unter 300 Metern über Grund kaum stattfinde. "Ausnahmen sind Rettungsflüge mit Hubschraubern", sagt er.
Umstellung betrifft viele tausend Windräder
Zur Zeit bemüht sich der Vorstand um eine Sammelbestellung für den Transponder mit anderen Anlagebetreibern. Wie viel es koste, die neue Technik einzubauen, stehe noch nicht fest. "In Deutschland stehen viele tausend Windräder zur Umstellung an. Die Montage-Truppen werden Sonderschichten einlegen müssen", vermutet Stichler.
Warum die Windräder manchmal stoppen
Die Regelung ist nur das aktuellste Beispiel. Es gibt zahlreiche Vorgaben, eine andere betrifft den Tier- und Umweltschutz . Die Genossenschaft hat als Umweltausgleich ein Waldgrundstück von 12 000 Quadratmetern renaturiert und zahlt anfallende Pflegekosten. Einen Teil des Betrages für die Renaturierung des Nudelbachtales unterhalb der Kläranlage zahlte zudem die Genossenschaft .
Fledermaus-Schutz
Außerdem haben die Mitglieder der Genossenschaft 41 Nistkästen für Vögel und Fledermäuse aufgehängt, die jährlich mit einem Fachmann von der Naturschutzbehörde geprüft werden. Damit Fledermäuse nicht mit den Rotoren kollidieren, gibt es eine Abschaltautomatik.
"Ein Biologe hat eineinhalb Jahre zu jeder Tages- und Nachtzeit die Natur beobachtet", sagt Stichler. Der Fachmann überprüfte 2015 und 2016, ob am Lerchenberg in Nüdlingen seltene Tierarten wie etwa Fledermäuse durch den Betrieb der Windräder gefährdet würden.
In der Zeit, wenn Fledermäuse fliegen und nicht im Winterschlaf ruhen, im Zeitraum von April bis Ende Oktober, zeichnete der Biologe auf, wie oft Fledermäuse Ruflaute ausstoßen.
Schreie in der Nacht
283 Nächte ließ der Biologe sein Aufzeichnungsgerät laufen. Das Ergebnis: Besonders häufig registrierte er den Ruf von Zwergfledermäusen. Auch die Schreie vom Kleinen und Großen Abendsegler, von der Rauhautfledermaus oder der Zweifarbfledermaus wurden mitgeschnitten.
Im Schnitt riefen sechs Fledermausarten fast 13 Mal pro Nacht. Der Ruf den Fledermäuse ausstoßen, um sich zu orientieren, ist so hoch, dass Menschen den Laut nicht hören können.
Fledermausfreundlicher Betrieb
Das Gutachten des Biologen zeigte, dass in Nüdlingen etwa 24 Fledermäuse sterben könnten, wenn die Windräder nicht ausgeschaltet werden würden.Bei einem "fledermausfreundlichen Betrieb" sei mit weniger als zwei "Schlagopfern" zu rechnen, so das Ergebnis des Gutachtens.
Das Landratsamt schreibt deshalb seit April 2017 vor, die Windräder unter bestimmten Bedingungen zum Schutz der Tiere abzuschalten.
Wann die Windräder stoppen
Die Windräder stoppen im Zeitraum von Anfang April bis Ende Oktober. Die genaue Uhrzeit legt das Gutachten fest. Grob kann man sagen, dass die Windräder etwa eine Stunde vor Nachteinbruch und eine Stunde vor Sonnenaufgang automatisch abgeschaltet werden.
Temperatur, Wind, Niederschlag
Ob sich die Rotoren drehen dürfen oder nicht, hänge von mehreren Faktoren ab, erklärt Stichler: Temperatur, Windgeschwindigkeit und Niederschlag .
Wenn es wärmer als zehn Grad Celsius ist, dürfen sich die Windräder nicht drehen. Die Temperatur wird dabei auf Gondelhöhe gemessen.
Bei einer Windgeschwindigkeit , die niedriger als etwa 20 Kilometern pro Stunde ist, also unter 5,49 Meter pro Sekunde im Jahresdurchschnitt bleibt,werden die Rotoren automatisch abgeschaltet.
Wenn es nebelig ist oder regnet, dürfen die Windräder betrieben werden. Denn dann sind die Fledermäuse nicht gerne unterwegs. Bei Starkwind und windigem Regenwetter dürfen die Anlagen also mit voller Kapazität laufen.
Einbußen an Strom
Das Abschalten der Windräder zum Tierschutz kostet nach Schätzungen des Vorstands der Energiegenossenschaft etwa zwei bis drei Prozent des Jahresertrag an produziertem Strom. "Ein gut hinnehmbarer Schutz selten gewordener Tiere ", findet Stichler.
In den kommenden Tagen und Wochen werden wir anlässlich des 10-jährigen Jubiläums der Nüdlinger Energiegenossenschaft regelmäßig zu den Windrädern in Nüdlingen berichten.
Einen anderen Bericht dazu, warum die Windräder nach Nüdlingen kamen, finden Sie hier