
Auf der rechten Seite des Saales sitzt die Angeklagte neben ihrem Anwalt. Gefasst schildert sie die Ereignisse im September 2024, die zu diesem Verfahren geführt haben: „Wir waren beim Griechen und hatten zu viel getrunken. Nachdem ich meine Tochter ins Bett gebracht hatte, haben wir uns gestritten. Ich wollte nur, dass er wegbleibt, ich wollte ihn nicht verletzen.“
Körperliche Auseinandersetzung
Die Richterin gibt sich Mühe, den Ablauf des Abends zu verstehen: „Sie waren in der Küche. Ihr Exfreund ist Ihnen nachgekommen. Was ist dann passiert?“ Die Angeklagte schildert eine körperliche Auseinandersetzung: „Ich dachte, er sei gegangen, deshalb bin ich in den Flur gelaufen, um abzuschließen.“
Und weiter: „Aber er war noch da und hat mich wieder beleidigt. Ich wollte ihn wegschubsen. Ich hatte völlig vergessen, dass ich das Messer noch in der Hand hatte.“ Wie genau der Vorfall gelaufen sei, wisse sie nicht mehr. Sie stand unter deutlichem Alkoholeinfluss, es hatte vorher Wein, Bier und Ouzo gegeben.
Auch der Exfreund wird gehört: Er kommt mit Jeans und Pulli in den Sitzungssaal, nimmt auf dem Zeugenstuhl Platz. Seine Hauptaussage: „Ich kann mich kaum erinnern, weil ich betrunken war.“
Unbekannter beschuldigt
Fremde hätten den 27-Jährigen auf der Straße angegriffen, sagte das Paar nach dem Vorfall zur Polizei . Dann, dass eine andere Person verantwortlich sei, aber ohne Details nennen zu können. Sie beteuert mehrmals, ihr Exfreund habe das gesagt, um sie zu schützen. Deshalb habe sie bei dieser Lüge mitgemacht. Auch seine Aussage deckt sich damit.
Obwohl er immer wieder sagt, dass er zu betrunken gewesen sei und er sich an den Streit und die Herkunft der zwei Zentimeter tiefen Stichwunden unter der linken Schulter nicht erinnern könne, meint er auch: „Ich gehe davon aus, ich habe sie angegriffen, sie hat sich nur verteidigt. Auch die falsche Aussage bei der Polizei war meine Idee.“
Das acht Zentimeter lange Schneidmesser aus ihrer Küche hatte sie am Morgen nach der Tat im Mülleimer eines Supermarktes entsorgt – aus Panik, wie die Angeklagte beteuert.
War es Notwehr?
Die Beweisaufnahme ist vorbei. Die Richterin fragt den Staatsanwalt nach seiner Einschätzung. Der zuckt mit den Schultern und lächelt ein wenig nachdenklich. Genau lasse sich der Tathergang nicht mehr feststellen, weil sich die Beteiligten an so wenig erinnern können.
„Sie sind nicht die typische Person, die sonst hier wegen Gewaltdelikten sitzt. Auch Ihr Exfreund geht davon aus, dass er sie angegriffen hat und nicht andersherum“, spricht er die Angeklagte direkt an. Mit Blick auf die Richterin fügt er hinzu: „Von mir aus können wir das Verfahren einstellen und eine Geldauflage verhängen.“
Geld für Weißen Ring
Gegen 500 Euro an den Verein Weißer Ring, der Kriminalitätsopfer unterstützt, wird das Verfahren eingestellt. Die junge Frau wirkt erleichtert. Sie habe jetzt eine Therapie begonnen, um das Trauma aufzuarbeiten. Von jetzt an will sie sich ganz auf sich und ihre Tochter konzentrieren, verspricht sie. Und: „Auch mit meinem Exfreund ist endgültig Schluss.“