Wie wirkt sich Corona auf Ihre Praxis aus?
Stefan Franz: Mir bleiben die Patienten aus Angst weg. Und ich bekomme keine Rezepte mehr von den Ärzten , weil die Patienten aus Angst vor einer Ansteckung auch nicht mehr zum Arzt gehen. Deshalb sind meine Therapeutenpläne existenzbedrohend leer gefegt.
Warum behandeln Sie überhaupt noch Patienten ?
Physiotherapie ist ein unverzichtbarer Teil der Gesundheitsversorgung für Patienten , die nach Unfällen oder OPs an Gelenken aus den stationären Einrichtungen entlassen werden, oder schon vor Corona zur ambulanten Versorgung in meiner Praxis waren. Wir lindern mit unserer Arbeit Schmerzen, beugen Pflegebedürftigkeit vor, erhalten oder stellen die Arbeitsfähigkeit wieder her.
Gerade jetzt sind die Therapieangebote im ambulanten Bereich bei dem Anstieg der Covid-19-Patienten wichtiger denn je, auch, um die Kapazitäten in den Krankenhäusern nicht zu schmälern.
Haben Sie keine Angst vor Ansteckung und Verbreitung des Virus?
Angst - nein. Aber natürlich bin ich jetzt noch vorsichtiger als vor Corona. Mein Hygienestandard war schon immer hoch, und seit Corona schütze ich mich mit Mundschutz, Handschuhen, Desinfektionsmittel, gründliches Händewaschen vor und nach jeder Behandlung und vermeide Überschneidungen von Patiententerminen, damit sie nicht im Wartezimmer aufeinandertreffen. Bei den stark ausgedünnten Terminvereinbarungen gelingt das hier und in Gemünden problemlos.
Wie schützen Sie sich und Ihre Mitarbeiter?
Hammelburg betreue ich zur Zeit alleine. Hier stehen mir zwei Behandlungsräume im Wechsel zur Verfügung und ermöglichen mir nach jedem Patienten eine Flächendesinfektion. Für Gemünden haben wir gemeinsam einen Notfallplan erstellt. Auch dort hat jeder Therapeut zwei Räume im Wechsel zur Verfügung. Es wird auch so gearbeitet, dass die Therapeuten sich nicht begegnen. Gruppenkurse und therapeutische Maßnahmen an Geräten dürfen natürlich nicht mehr stattfinden.
Können die Patienten weiterhin zur Physiotherapie kommen?
Ja, jeder Arzt , der aktuell eine Verordnung über Physiotherapie ausstellt, fragt sich, ob die momentane Situation für eine Behandlung medizinisch notwendig oder doch aufschiebbar ist. Bei älteren Verordnungen entscheide ich im Einzelfall nach Rücksprache mit dem Patienten , ob die Behandlung unter den gegebenen Umständen dringend erforderlich ist. Natürlich ist es mit den Patienten abgesprochen, dass diese bei Erkältungssymptomen wie Husten oder Schnupfen zu Hause bleiben.
Sind zur Zeit auch noch Hausbesuche möglich?
Nein. Patienten , die Hausbesuche benötigen, sind bereits geschwächt, und das Risiko meinerseits, einen Erreger ins Haus zu schleppen, ist viel zu hoch. Leider bräuchten gerade diese Patienten regelmäßige Behandlungen. Viele gehören aus Altersgründen zur Risikogruppe mit Vorerkrankungen und geschwächtem Immunsystem.
Warum schließen Sie ihre Praxis nicht und beantragen staatliche Unterstützung?
Wird die Praxis vom Gesundheitsamt oder einer anderen Behörde als reine Schutzmaßnahme geschlossen (§ 28 Infektionsschutzgesetz ), habe ich keinerlei Ersatzansprüche. Nur die Schließung aufgrund eines Infektionsfalles in meiner Praxis im Sinne des § 31 (Ifsg) würde mir entsprechende Entschädigungen sichern.
Was wünschen Sie sich von der Politik?
Zuerst möchte ich klarstellen, dass die Politik in kürzester Zeit sehr schnell und gut gehandelt hat. Die Aussagen sind konkret, wirken auf mich beruhigend, und ich bin froh, im Bundesland Bayern zu leben. Jetzt würde ich mir wünschen, dass sich sich die Politik unseren Sorgen und Nöten annimmt und einen Rettungsschirm für unsere Praxen aufspannt. Für die Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung benötigen alle physiotherapeutischen Praxen eine entsprechende Ausstattung mit Desinfektionsmitteln, Einmalhandschuhen und Mund-Nasen-Schutz. Ohne diese Unterstützung ist es sehr schwierig, den Hygienestandard aufrechtzuerhalten. Die dringend benötigten FFP 2- Schutzmasken sind nicht mehr lieferbar. Eine Patientin nähte dankenswerter Weise für alle Mitarbeiter je zwei Masken, für die ich nur das Material zur Verfügung stellte. Diese Krise sollte uns alle für die Zukunft stärken. Ich würde mir wünschen, dass es einen Therapeuten-Stammtisch gebe, vielleicht einmal im Monat, bei dem man sich mit Kollegen austauscht. Aktuell zeigt sich, dass, zumindest von meiner Seite aus, ein großer Bedarf besteht. Noch nie hatte ich mit Kurzarbeit oder Entlassungen zu tun. Wie gehe ich mit meinem Personal um, welches natürlich für die Patienten da ist, aber immer mit der Angst lebt, die Familie zu Hause zu infizieren . Noch sind wir Physiotherapeuten Einzelkämpfer, ohne seelische und moralische Unterstützung in dieser schwierigen Situation, die wirklich jeden trifft.